Seite 57 von 83
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 15:30
von Danilo
Dann muss hinter diesem hier auftretenden Phänomen eine andere Ursache stecken. Ich hielt es bisher für eine allgemeingültige Binsenweisheit, eine Trivialität, daß Pflanzen auf schweren Böden deutlich flacher wurzeln als in duchlässigen und stoße auch in der Literatur regelmäßig auf diesen Umstand, daher habe ich das nie infrage gestellt und auch ursächlich nie betrachtet.Wie geschrieben ist hier das Ergebnis vergleichender Grabungen für mich offensichtlich. Wurzelwerke wie die von Akelei, Malva moschata, Lupinus polyphyllus etwa gehen in durchlässigem Boden in der Tat zügig in die Tiefe, während sie auf hiesigem Lehm ein fast ebenes, sternförmiges Wurzelwerk vergleichbar mit einem Eremurus-Rhizom ausbilden. Andere Pflanzen nannte ich ja. Ein weiteres Baradebeispiel sind klassische Präriestauden wie Helenium, Astern, Phlox mit ihren im Lehm typisch flachen Wurzeltellern gegenüber den elliptischen bis hin zu fast runden Ballen im Sand.Meine eigene Vermutung zur Ursache dieser Erscheinung ist, daß die Pflanzen mit reduzierter Wurzeltiefe ganz simpel auf die "Belüftungssituation", Verdichtung, drohende Staunässe und gegenüber Sand höhere Nährstoffkonzentration reagieren. Ich werde mich dazu mal um fachlichen Rat bemühen und berichten.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 16:11
von pearl
wahrscheinlich hast du dort, wo dein "Lehm" liegt, einen Podsolboden. Undurchdringliche tonige Schichten, die den Wasserabfluss behindern, keine Durchlüftung aufweisen und ohne Bodenleben sind. Klaus Kaiser hatte in der GP mal von einem Neubau geschrieben. Der Boden war völlig untauglich für einen Garten, weil flascher Boden aufgefüllt wurde und diese o.g. Situation entstand.Es musste alles wieder raus und eine Drainage rein. Bodenaustausch und so.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 16:15
von pearl
nee, es war nicht Klaus Kaiser. Fällt mir gerade nicht ein ...
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 18:25
von Danilo
Mein Garten liegt auf dem Grat eines Endmoränenzuges auf Geschiebelmergel und entsprechenden Verwitterungszuständen. Obenauf sandiger Lehm, schwerdurchlässiger Lehmuntergrund ab etwa 50cm Tiefe, in 1-2m Tiefe beginnt schwerdurchlässiger Mergel.Soweit nach Preußisch-Geologischer Spezialkarte (1881). Meine Grabungen im obersten Meter ergaben etwa dasselbe. ;)Ein wichtiger Vorteil des Bodens: man kann ihn ab Spatentiefe so wie er ist zum Wiederversigeln der Reinigungskacheln an den Kachelöfen nehmen.

Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 18:41
von pearl
so dachte ich mir das.

Das Katzenstreu aus Bentonit verwende ich ähnlich. Ich klebe damit die Sandsteinblöcke, die ich zur Bildung von Stufen zum Kompostplatz und durch das Gelände verwende. Stützsteine rollen dann nicht so leicht den Hang wieder runter. ;)Als Substrat ist das Zeug nicht zu gebrauchen. goworo will das ja nicht glauben.

Übrigens, in irgendeinem älteren Gartenbuch las ich die Bezeichnung "unerlöster Lehm". Das trifft es. Eine tote unnütze Substanz. "Erlöster Lehm" wäre also eine gut funktionierende Gemeinschaft aus gut sozialisierten Individuen.

Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 19:53
von pearl
so, jetzt habe ich die Geobotanik gefragt. Die sagt auch, dass in Sandboden die Wurzeln auf der verzweifelten Suche nach Ionen sind und dass daher zum Beispiel eine Pflanze wie Geum triflorum eine lange Wurzel bildet um möglicherweise in tieferen Bodenschichten noch Minerale zu finden. Dafür spart sie an Seitenwurzeln. Ein lustiges Bild mit drei Schichten. Erde - Sand - Erde. In der Erde sind die Wurzeln schön ausgebildet und vielfach verzweigt. Durch die mittlere Schicht Sand scheint die Wurzel nur eins zu kennen: vorwärts! :DMit dem Wasserhaushalt hat das noch nichts zu tun. Die Sache ist komplizierter. Es gibt neben Wurzeln, die eine Pflanze im Boden verankern, noch einige mit kürzerer Lebensdauer, die spezialisiert sind. Wurzelbildung ist abhängig von Nährstoffen, die Richtung der Wurzelbildung ist eine Reaktion auf Verfügbarkeit von Wasser in verschiedenen Bodenschichten und es gibt Wurzeln, die nur in der feuchten Jahreszeit gebildet werden und sich in der trockenen Jahreszeit zurückbilden. Die Pflanze, die bei schlechter Versorgungslage ihr Wurzelsystem ausdehnen muss, kompensiert das durch weniger Oberflächenwachstum. In Extremfällen, scheint mir, verzichtet sie ganz auf das Oberirdische. Warten bessere Zeiten ab und kommen im August/September oder im nächsten Jahr wieder hoch. Oft ist dann der September wie ein zweiter Frühling mit Regenwurmaktivitäten und frischem grünen Gras.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 20:15
von Danilo
Zur Erklärung der hiesigen Bodenproblematik kommt noch ein Aspekt hinzu: Der Garten ist ehemaliges Feld, das Aufbringen von Substrat in der Vergangenheit ist mündlich überliefert.Daß hier nun oberflächlich gelbbrauner, humusarmer, "unerlöster" Lehm ansteht, könnte daran liegen, daß damals wirklich Tonmergel obendrauf gekippt wurde - in der irrtümlichen Annahme, man schüfe so nachhaltig fruchtbaren Ackerboden. Lief vielleicht anfangs gut, bis der Boden irgendwann buchstäblich ausgemergelt war.Und wie die Geobotanik es erklärt (danke!), so in etwa habe ich mir das ja auch vorgestellt.

Temporäre Wurzeln kannte ich noch nicht.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 25. Jul 2015, 20:27
von pearl
grundsätzlich sind in guter ... also "Bei generell guter Nährstoffversorgung entwickelt sich meist ein nicht allzu weit reichendes, dicht verzweigtes und somit kompaktes Wurzelsystem."
Quelle.Diesem Ideal entspricht keiner unserer Gartenböden. So etwas befindet sich in den Niederlanden. Daher gibt es dort unglaubliche Vegetation. Speziell in dem - kleinen - Teil, der auf dem Festlandsockel liegt und hervorragend wasserversorgt ist. Die Polderlandesteile sind ja ein gesondertes Thema.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 26. Jul 2015, 15:02
von Querkopf
Mein Garten liegt auf dem Grat eines Endmoränenzuges auf Geschiebelmergel und entsprechenden Verwitterungszuständen. Obenauf sandiger Lehm, schwerdurchlässiger Lehmuntergrund ab etwa 50cm Tiefe, in 1-2m Tiefe beginnt schwerdurchlässiger Mergel.Soweit nach Preußisch-Geologischer Spezialkarte (1881). Meine Grabungen im obersten Meter ergaben etwa dasselbe.

...
Was mal wieder bestätigt, dass Lehm nicht gleich Lehm ist

. Zum Vergleichen: Wir sitzen hier auf
*gaaanz tief Luft holen*:
"Parabraunerde-Pseudogley und Pseudogley ... aus Lösslehmdeckschichten über Terrassensanden und -schottern bzw. Verwitterungsbildungen triassischer und permischer Gesteine"
*gaanz tief wieder ausatmen*. Quelle:
Bodenübersichtskarte (Detail-Beschreibung siehe Erläuterungen zu Bodeneinheit 5, S. 37 ff - die dort genannten Profilbeispiele passen aber beide nicht)Danilo :| hat geschrieben: ...Ein wichtiger Vorteil des Bodens: man kann ihn ab Spatentiefe so wie er ist zum Wiederversiegeln der Reinigungskacheln an den Kachelöfen nehmen.
Auch noch zum Vergleichen: Im frühen 18. Jahrhundert haben sich in unserer Ecke "Krugbäcker" angesiedelt. Später gab's eine Dampfziegelei. Deren "Lehmkaul" lag ca. einen Kilometer Luftlinie von uns entfernt

.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 27. Jul 2015, 20:16
von Frühling
Hab gerade die letzten paar Minuten einer Reportage ueber Agroforstwirtschaft gesehen. Hier ist ein link zu dem Thema
https://de.wikipedia.org/wiki/AgroforstwirtschaftDas Thema hat mich im Zusammenhang mit der Trockenheit dieses Sommers interessiert. Ich dachte, dass ich sehr benachteiligt war einen Gemuesegarten zu haben, der von grossen Baeumen umrahmt ist, aber angeblich ist das nicht so! Im Gegenteil in einem heissen Sommer profitieren die Kulturpflanzen in vieler Hinsicht von den Baeumen. Da das alles neu fuer mich ist, will ich hier nicht auf die Details eingehen, der obrige Link und andere Quellen beschreiben das viel besser als ich. Wollte euch nur auf diese Methode aufmerksam machen, denn sie koennte auch in unseren Gaerten angewandt werden. Ich moechte noch hinzufuegen, dass unser Garten im Vergleich mit denen von Nachbarn viel besser diese Hitzewelle ueberstanden hat _ dank der Baeume -(und ich spreche noch nicht einmal von uns, die den Schatten sehr sehr geschaetzt haben).
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 27. Jul 2015, 20:35
von Honey
Das kann ich nur bestätigen. Hier ist das ganze Grundstück von hohen Bäumen umgeben. Auch die sonnigsten Bereiche bekommen nicht mehr als sechs Stunden Sonne pro Tag. Und trotzdem wachsen hier im Gemüsegarten Tomaten, Paprika, Auberginen ... Braucht halt alles etwas länger, bis es reif ist. Auch die Stauden blühen später. Echinops zB hat hier noch ganz grüne Köpfe.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 27. Jul 2015, 22:12
von pearl
Agroforste gibt es vor allem traditionell in Regenwaldgebieten wie in Thailand. Für Europa bin ich skeptisch. In Frankreich sehe ich immer wieder auf weiten Agrarflächen eingebundene Großbäume und Gehölzstreifen. Weideflächen, die Baumbestand einschließen. In Deutschland ist Flurbereinigung immer noch eine Praxis und die Naturschutzverbände können noch nicht mal die Feldholzinseln retten. Die Vergrößerung der Agrareinheiten wird subventioniert, Dünger und Pestizide sind billig und die Wasserwirtschaft ist seit dem vorletzten Jahrhundert nicht modernisiert. Die Niederlande sind da sehr viel weiter. Müssen sie auch. Der Titel ist bescheuert, aber der Artikel
hier ist gut. Gehölze mit Stauden und Gemüsepflanzen zu vergesellschaften schafft Lebensräume. Im eigenen Garten kann man sehr von dem Prinzip profitieren, wenn man klug ist. Das Pflanzen von Gehölzen und die Wahl des Hausbaums könnte die erste Maßnahmen in einem neuen Garten sein. In der Praxis ist auch das eine Illusion. Ich kenne wenige, die solchen Überlegungen gegenüber offen sind. Man möchte schnell und billig. Bunt und prächtig. Sauber und ordentlich. Das Ergebnis sind tödlich langweilige Siedlungen mit vernichteter natürlicher Vegetation. Unser – deutsches - Dorf soll schöner werden.
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 28. Jul 2015, 12:12
von Frühling
In Deutschland ist Flurbereinigung immer noch eine Praxis und die Naturschutzverbände können noch nicht mal die Feldholzinseln retten. Die Vergrößerung der Agrareinheiten wird subventioniert, Dünger und Pestizide sind billig und die Wasserwirtschaft ist seit dem vorletzten Jahrhundert nicht modernisiert. Die Niederlande sind da sehr viel weiter. Müssen sie auch. Der Titel ist bescheuert, aber der Artikel
hier ist gut. Gehölze mit Stauden und Gemüsepflanzen zu vergesellschaften schafft Lebensräume. Im eigenen Garten kann man sehr von dem Prinzip profitieren, wenn man klug ist. Das Pflanzen von Gehölzen und die Wahl des Hausbaums könnte die erste Maßnahmen in einem neuen Garten sein. In der Praxis ist auch das eine Illusion. Ich kenne wenige, die solchen Überlegungen gegenüber offen sind. Man möchte schnell und billig. Bunt und prächtig. Sauber und ordentlich. Das Ergebnis sind tödlich langweilige Siedlungen mit vernichteter natürlicher Vegetation. Unser – deutsches - Dorf soll schöner werden.
In unserer Gegend sind die Felder noch klein, aber es wird mehr und mehr abgeholzt. Agraforst ist kaum bekannt aber an den Feldraendern stehen immer noch "vergessene" alte Baeume. Wann wird der Funke aufgehen, dass das erhalten werden sollte oder besser, dass junge Baeume gepflanzt werden sollten. In Suedfrankreich sieht es besser aus, man sieht Felder von Baeumen eingefasst - schon allein als Windschutz und gegen Erosion und Austrocknung des Bodens.Man sollte nicht verallgemeinern, aber viele der hiesigen Privatgaerten sehen nicht nach Garten aus. Aber es gibt auch andere und Leute, die sich ueber die Zukunft Gedanken machen, deshalb gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf. Diese Meinung wird auch bestaetigt wenn ich Blicke in eure schoenen Gaerten werfe!
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 28. Jul 2015, 12:25
von Frühling
Noch etwas... Finde, dass wir von den USA lernen sollten, wo das intensive farming zur Katastrophe gefuehrt hat. Jetzt scheint es sich langsam zu aendern, weil es zu deutlich geworden ist, dass die Fehler korrigiert werden muessen. Der Artikel zeigt das.
http://www.nytimes.com/2011/11/22/scien ... .html?_r=0
Re: Trockenheit macht alles kaputt !
Verfasst: 28. Jul 2015, 15:18
von pearl
sehr interessanter Artikel! Daraus:"The soil is nutrient-poor, but a forest garden turns marginal soil into much more fertile ground. As the needles and leaves fall and animal waste collects, nutrients increase over time."Erosion durch die Faktoren Windabtragung und Auswaschung wird so vermindert. Im Rhonetal sahen wir das dieses Jahr wieder. Die Fallwinde, die aus Norden in den Süden blasen, werden durch Querriegel von Dickichten aufgefangen. Im April/Mai leuchten diese Gehölze auch an den Verkehrswegen purpurn durch große Bestände an buschigen Cercis siliquastrum. Abgesehen von der Funktion, hat das auch einen hohen ästhetischen Wert. Leider ist die Landwirtschaft von traditionellen Vorstellungen dominiert. Hier wie dort über den Atlantik. “Families spent generations removing trees to practice agriculture, and we’re up against that,” said Dr. Garrett, the emeritus professor here. “We have to stress that if you don’t put them in the way, you can use working trees to benefit agriculture.”Umdenken fällt Bauern schwer. Jahrhunderte lang ging es um Rodungen, jetzt geht es um Vergrößerung der Betriebe im industriellen Maßstab. Umdenken ist also auch nicht Sache der Entscheidungsträger. Die Politik ist von Bauernverbänden gefesselt und von Chemiekonzernen hypnotisiert.