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Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 13:19
von Zuccalmaglio
Zu den sogen. Re-Sorten (Re=Resistenz, einfache oder mehrfache) gibt es eine Menge Infos in Literatur und www. Auch wenn es oft scheint, daß vieles nur voneinander abgeschrieben ist.Eng ausgelegt umfassen die Re-Sorten nur solche, welche von der Forschungsanstalt Pillnitz entwickelt wurden. Für den Thread hier sollte das aber weiter gesehen werden und auch andere als mit "resistent gegen..." ausgewiesene Sorten umfassen.Da die gezielte Resitenzzüchtung und die entsprechenden Sorten relativ neu und damit nicht weit verbreitet sind, gibt es m.E. nach kaum Praxisberichte aus dem Privatbereich. Habt ihr solche Bäume (und auf welcher Unterlage) und wie sind eure Erfahrungen?a) zur Baumgesundheit, insbesondere im Blick auf die "versprochenen" Resistenzen, aber auch sonst?b) wie beurteilt ihr Fruchtqualität, Geschmack und evt. Verwertbarkeit? Bisher habe ich nur einen 3-jährigen Reglindis (M26), der nun das erste Mal erfolgreich zu Ende gefruchtet hat. Jetzt reif im Klima Colonia. Die Schorfresistenz ist bisher voll gegeben. Kein Blatt- oder Fruchtschorf. Auch kein Mehltau und Krebs (allerdings kein "Krebsboden"). Auch keine anderen offensichtlichen Auffälligkeiten am Baum/Laub. Ausreichende Verzweigungstendenz.Leider ca. 20-25 % Apfelwicklerbefall (relativ hoch) der Früchte.Ansonsten mittelgroße, meist einzeln hängende, fast makellose und optisch sehr ansprechende Früchte (rotgelb). Geschmach süß-säuerlich mit etwas zur süßlichen Seite tendierend. Aber noch mit genügend Säure. Mittelfestes, genügend knackiges, leicht aromatisches Fruchtfleisch. Bei den bisher verzehrten Früchten auch keine Stippe. Zur Museignung keine Aussage möglich, da zu wenig Früchte.Bis auf den Wunsch nach etwas mehr Säure und den Wicklerbefall bin ich sehr zufrieden. Insgesamt eine unkomplizierte, frühreifende Sorte.Noch ein Hinweis: Die Schorfresistenz bei Reglindis beruht nach den Angaben auf dem VA-Genkomplex (mehrere Gene), was sie wohl im Gegensatz z.B. zur Schorfresistenz "Vf" (ein Gen) stabiler macht.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 14:40
von winterstreifling
VA-Resistenz bedeutet,das die Resistenzquelle von Antonovka stammt.Vf wäre Malus floribunda.Meines wissens hat von den Re-Sorten nur "Recolor"eine VA+Vf Resistenz.Bei den meisten schorfresistenten Apfelsorten beruht die Resistenz auf Vf was sich irgendwann mal fatal auswirken könnte.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 14:53
von cydorian
a) zur Baumgesundheit, insbesondere im Blick auf die "versprochenen" Resistenzen, aber auch sonst?
Die versprochenen Resistenzen haben sich bei mir in der Praxis auch so eingetreten. Die Baumgesundheit ist definitiv hoch, die Schorffestigkeit gut. In meiner luftfeuchten Lage will das was heissen. In dieser Hinsicht sind die Züchtungen wirklich ein Erfolg.
Zuccalmaglio hat geschrieben:b) wie beurteilt ihr Fruchtqualität, Geschmack und evt. Verwertbarkeit?
In der Liste fehlt ein Punkt: Wuchs. Der ist schwierig und problematisch, hoher Schnittaufwand. Die Bäume sind für freie Spindeln, alles andere bedeutet viel Aufwand. Ich hab einen auf starkwachsender Unterlage, da ist die Fruchtgrösse zudem unbefriedigend. Das Laub scheint auch für andere interessant zu sein, mit wurde dieses Jahr ein "Pilot" komplett abgefressen und von "Rebella" wird abgefressen was nur irgend geht. Meine alten Sorten schmecken dem Wild weniger.Geschmack ist Geschmackssache. Die Sorten wurden auf den Geschmackstypus hin gezüchtet, von dem man heute glaubt dass ihn die Kunden bevorzugen, ausserdem spielten Ernte und Verkauf eine Rolle. Das bedeutet:- Ziemlich harte und manchmal auch etwas grobzellige Früchte der Transportfähigkeit wegen. Zarte Äpfel sind es alle nicht.- Generell auf der süsslichen Seite- Alle sind unberostet, glatt, rotgrün, uniform, Aussehen langweilig. Für manchen mag das ein Vorteil sein.- Wenig Charakter, Massenware ohne besondere Aromen- Haltbarkeit im Naturlager schlecht (mit Ausnahme von "Pilot"), relevant ist heute nur die Lagerfähigkeit im Kühllager bzw. CA/ULO-Lager- Verwendbarkeit der gängigen Sorten ist auf Tafelapfel hin optimiert, weniger Saft- Back- Trockenapfel. Zum Backen sind sie z.B. meistens zu süsslich und die Aromen zu flüchtig. Beim Trocknen haben sie keine schöne Konsistenz. Es gibt auch eine Mostsorte, ist aber nicht zu bekommen. Angesichts unzähliger bestehender guter Mostsorten frage ich mich auch, was der Vorteil sein soll. Ein Universalapfel (z.B. Zabergäu Renette und viele andere) wie ich ihn unter alten Sorten oft finde fehlt.Für mich haben sich ein paar wenige Sorten als interessant herausgestellt, die meisten eher nicht. Man sollte das ganz pragmatisch sehen und im Zweifelsfall selbst testen.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 15:06
von Konterkater
...und im Zweifelsfall selbst testen.
Eine Frage habe ich dazu. Besteht im Raum Köln-Düsseldorf die Möglichkeit, Äpfel auf einer Art von Messe zu testen?
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 17:37
von Zuccalmaglio
cydorian,im Blick auf die Züchtungsziele stimme ich dir zu. Zu manchem anderem kann ich selbst nichts sagen, da ich bisher ja nur die eine Sorte testen konnte.Warum aber fehlende Berostung langweilig (negativ?) sein soll, erschließt sich mir nicht.Der Wuchs von Reglindis ist unproblematisch. Ich habe ihn nicht als Spindel, sondern als Stammverlängerung plus 3 Gerüstäste gezogen. Verzweigt sich gut, mittlere Wuchststärke ohne Schnittaufwand über dem Durchschnitt. Kein auffälligerBlattfrass wie bei deinen Sorten (was aber vermutlich standortabhängig ist).Zur Lagerfähigkeit und zur Verwertung kann ich noch nichts sagen.Nur zur Klarstellung. Pilot fasse ich nicht unter die Re-Sorten. Der schmeckt mir übrigens seht gut. Vor allem schön fest. Nicht für Leute mit Zahnfleischentzündung.konterkater,gehe mal auf die Seite vom Pomologenverein. Da sind Veranstaltunghen nach Bundesländern gelistet. Wird laufend akualisiert.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 19:27
von cydorian
Warum aber fehlende Berostung langweilig (negativ?) sein soll, erschließt sich mir nicht.
Alle neuen Sorten seit 1920 sind ohne Berostung, weil der Kommerz glaubt, der Kunde wolle das nicht. Fakt ist aber, dass einige der besten alten Sorten berostet sind, nämlich viele Renetten. Das Gold der Berostung oder die Berostungsmuster, darunter aufschimmernde Farbe hebt sich deutlich von dem Einerlei heutiger Äpfel ab, die normiert erscheinen. Ich habe nicht gesagt, dass fehlende Berostung negativ ist, sondern dass die Re-Sorten sich auch in dieser Hinsicht nicht vom heutigen Einheitsbrei abheben.Viele der berosteteten Sorten sind auch auffallend wenig schorfanfällig. Ganz ohne aufwendige Einkreuzung von Wildäpfeln und anschliessender Auskreuzung des schlechten Geschmacks.
Kein auffälligerBlattfrass wie bei deinen Sorten (was aber vermutlich standortabhängig ist).
Auffallend ist, dass andere Sorten 5m daneben nicht abgefressen werden. Der Standort ist also derselbe.
Zuccalmaglio hat geschrieben:Nur zur Klarstellung. Pilot fasse ich nicht unter die Re-Sorten. Der schmeckt mir übrigens seht gut. Vor allem schön fest. Nicht für Leute mit Zahnfleischentzündung.
Dort wo er herkommt, sagt man auch "Pillnitzer Stein" dazu :-)Re- und Pi-Sorten kommen aus demselben Stall, dem Institut für Obstforschung, Dresden-Pillnitz. Pi sind zwar ohne Schorfresistenz, aber trotzdem überdurchschnittlich robust. Geschmacklich ist eh alles recht ähnlich, es gibt ja kaum Neuzüchtungen, in denen nicht Golden Delicious im Stammbaum auftaucht. Ziemlich fatal übrigens für Allergiker, denn Golden Delicious hat sehr hohes Allergiepotential und vererbt das auch. Leute, die bei Golden Delicious allergische Reaktionen zeigen, sind beim essen anderer älteren Sorten oft symptomfrei.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 20:42
von winterstreifling
selber hab ich Retina;Rewena und Renora auf Hochstamm mit Sämlingsunterlage.Bei Retina scheiden sich die Geister.Optisch sehr ansprechend,geschmacklich mit eigentümlichem Aroma.Nicht jedermanns Sache.Viele Früchte sind mitunter "glasig".Der Baum wächst gut hat aber auch mit Krebs zu kämpfen.Renora ist sehr hart und sauer und bei mir erst ab Weihnachten geniessbar.Allerdings gibts ab Januar schon Lagerprobleme.Ausgehend von kleinen schwarzen punkten(ähnlich Jonatan spots)fangen die Früchte an zu faulen.Der Wuchs ist gut aber sehr dünntriebig und schleudernd.Schnittaufwand hoch.Rewena ist unproblematisch.Als Tafelobst aber weniger gefragt.Vielen ist er zu sauer.Zum saften oder für die Küche gut geeignet.Optisch fast unverwechselbar,hochgebaut mit sehr langem Stihl(von wem er den wohl hat?)Der wuchs ist ähnlich wie bei Renora.Der zierwert der Blüte ist sehr hoch(stark rosaferben)
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 1. Sep 2010, 23:31
von Konterkater
gehe mal auf die Seite vom Pomologenverein. Da sind Veranstaltunghen nach Bundesländern gelistet. Wird laufend akualisiert.
Danke Zuccalmaglio,dann muß ich ja nur noch warten :DVielleicht fahre ich ja am 13. Oktober nach Münster.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 2. Sep 2010, 09:38
von JörgHSK
Ein (Pomologenvereins) Kollege vom mir hat alle Re- und Pi- Sorten auf seiner Testfläche in Bielefeld zusammen mit 250 alten Apfelsorten stehen.Sein Urteil nach 10 Jahren auf M7: vernichtend, alle dieser Sorten sehen krank aus, kranke Früchte, krankes Laub, die "alten" daneben sind völlig gesund. Da tritt bei denen sogar eine Fruchtkrankheit auf die nicht mal die Obstbauinstitute kennen. Wir nennen sie erst mal "Silberfleckenkrankheit". Ich habe das hier auch schon gesehen.Jörg
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 2. Sep 2010, 11:59
von Konterkater
Das ist ja ernüchternd, Jörg HSK.Trifft dies auch auf die Sorten zu, die von Züchtern für den Erwerbsanbau vorgeschlagen worden sind?Als Beispiele nenne ich Rubinola, Topaz, Goldrush und mit Abstrichen Resi?
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 2. Sep 2010, 12:25
von cydorian
Von so schlechten Ergebnissen hab ich noch nie gehört. Festzuhalten ist aber, dass die Sorten alle für Spindelerziehung auf M9/M27 gezüchtet sind. Auf stärkeren Unterlagen vergrössern sich die Nachteile, Fruchtgrösse, Wuchs, Ausfärbung werden kritisch. Eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit wäre aber erstaunlich. Hast sich das mal jemand aus Pillnitz angesehen? Bei einem so breiten und langlaufenden Versuch und solchen Ergebnissen wäre das angebracht.
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 2. Sep 2010, 12:45
von Thüringer
Ich habe "Topaz" und "Retina" auf M9. Die Bäumchen sind alles andere als krankheitsanfällig, ebenso die bisher wenigen Früchte (wegen der bei den Wühlmäusen offensichtlich sehr beliebten Unterlage hatten sie leider mehr mit ihrer eigenen Erholung nach den Wintern zu tun als mit einem größeren Fruchtansatz).
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 3. Sep 2010, 08:32
von Zuccalmaglio
thüringer,winterstreifling berichtet ja bei Retina von Krebs und Glasigkeit bei den Früchten. Bei dir auch?jörg HSK,das Ergebnis des Bielefelder Versuches erstaunt mich in seiner Generalisierung. Zumal vor dem Hintergrund der im Netz veröffentlichten und auch hier berichteten Meinung zur Baum- und Fruchtgesundheit der Re-Sorten. Für die Pi-Sorten würde mich das weniger erstaunen, aber immer noch in der Deutlichkeit überraschen. Andererseits fällt es mir aber auch schwer, das berichtete Ergebnis anzuzweifeln, da der vermutliche Versuchsbetreiber nach meiner Kenntnis bisher nur mit fachlich sehr fundierten und seriösen Aussagen aufgefallen ist.Irritierend und damit auch die Aussage zu den Re-Sorten infrage stellend finde ich aber, das alle (!) anderen benachbarten 250 Sorten völlig (!) gesund sein sollen.So etwas gibt es nicht!
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 3. Sep 2010, 09:03
von JörgHSK
Das alle anderen benachbarten 250 Sorten völlig gesund sind will ich nicht sagen. Zumindestens aber die im Umkreis der Re und Pi Sorten. Und das ist sehr Augenscheinlich.Rubinola hat auch Probleme, und Topaz auch(nicht viel, aber er hat welche).
Re:Apfel: Re-Sorten
Verfasst: 3. Sep 2010, 12:59
von Konterkater
Den Apfelbaum, der in allen Punkten restlos begeistert, soll es ja auch nicht geben.Vielleicht liegen die Unterschiede zwischen den alten und neuen Sorten ja auch daran, daß die alten Obstbäume in klimatisch besseren Zeiten groß geworden sind, während die neuen Sorten wesentlich mehr Klimakapriolen mitbekommen haben. Der Apfel konnte sich schließlich erst zu Beginn der kleinen Eiszeit gegen die bis dahin vorherrschende Birne durchsetzen.Aufgrund der Vielzahl der Veröffentlichungen, wo sich die Autoren nur nicht einigen können, ob der Topaz (eher Backapfel) oder die Rubinola (eher Saftapfel) die Nummer eins der neuen und zurecht auf den Markt gekommenen Züchtungen sind, werde ich nach jahrelangem Zögern dieses Jahr einen Rubinola - Hochstamm pflanzen.In zehn Jahren schreibe ich dann, ob ich diese Entscheidung bereut habe oder ob ich mit diesem Apfel glücklich geworden bin.