Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen
Verfasst: 4. Feb 2015, 21:46
Ich möchte euch hier mal ein Buch vorstellen, dass mir sehr am Herzen liegt, obwohl ich weder den Autor kenne, noch etwas daran verdiene
Gerade als nicht-gebürtiger, sondern nur reingeschmeckter Ossi liebe ich ja solche Bücher, die mir das, was ich nur von gelegentlichen DDR-Besuchen kenne, nochmal vor Augen führen. Hier kommt noch der fast schon wohltuende Kontrats dieser "Archen" zu den heutigen Gartenzeitschriften-Idyllen hinzu:Dieter Oltmanns - Arche bauenLauben und Gärten in Leipzig um 1990Kurz nach der Wende zog der Fotograf Oltmanns durch Kleingartenanlagen im Leipziger Westen und hat drauf los fotografiert. Manchmal mit, aber meistens ohne Menschen, hat er so einen ganz eigentümlichen Aspekt des Alltagslebens in der DDR festgehaltenDer Schwerpunkt dieses sehr hübschen Fotobüchleins (Bildband wäre wohl etwas übertrieben) liegt dabei allerdings auf „bauen“. Denn die Gärten selbst spielen eigentlich eine Nebenrolle, es sind die Lauben, Schuppen und sonstigen Bauten, die die Fotos dominieren.Oltmanns hat damit ein kleines Stück DDR eingefangen, noch bevor diese unsäglichen weißen Plastikstapelstühle sich aufmachten, auch noch den letzten Garten zu verschandeln.Die Fotos wirken auf den ersten Blick unspektakulär, es sind keine Traumgärten abgebildet, wie wir sie aus Gartenzeitschriften kennen, sondern zunächst einmal mehr oder weniger üppiges Grünland mit einer Laube drauf. Bei genauerer Betrachtung aber erzählen diese Bilder so manches über Mangelwirtschaft auf der einen, Improvisationstalent auf der anderen Seite:Da werden aus alten Türen ganze Stalllandschaften zusammengebastelt, Dachplatten aus Wellblech werden kurzerhand zu Zäunen umfunktioniert, an anderer Stelle wiederum dient alter Fußbodenbelag als Dachpappe und Dachpappe als Wandverkleidung. Ich muss zugeben, dass mich diese Fotos auch deshalb faszinierten, weil ich solche, wie sie auch Katrin Arrieta im Begleittext nennt, „Installationen“ in meinem Garten in größeren Mengen vorfand. Diese Art zu bauen und zu basteln, die wir in Anlehnung an unseren Vorbesitzer, Herrn Meißner, „zusammenmeißnern“ nennen, scheint ein weitverbreitetes Phänomen gewesen zu sein. Seltsamerweise ist das, was auf den ersten Blick ziemlich zusammengepfuscht aussieht, in Wirklichkeit erstaunlich haltbar.Was im Vergleich zu den heutigen Kleingärten noch auffällt, ist die Lagerhaltung. Jeder Garten hatte wohl eine Ecke, in der potentiell Nützliches aufbewahrt wurde: gebrauchte Ziegelsteine, Gehwegplatten oder Zaunslatten zeugen von einer Zeit, in der man nicht jederzeit im nächsten Baumarkt Fehlendes mal kurz besorgen konnte. Selbst Farbe schien Mangelware, denn auch wenn der Garten liebevoll gepflegt wirkt, an der Laube blättert oftmals der Lack.Doch trotz allen Mangels wirken die Lauben und Gärten überraschend individuell, die oft unterstellte Gleichmacherei hat zumindest im Kleingarten offensichtlich nicht funktioniert. Da sehen heute die Kleingärten mit den erwähnten Plastikstühlen, Pavillons und diesen furchtbaren solarbetriebenen Kunststein-Erdmännchen von Weltbild erheblich einheitlicher aus.Auch die den DDR-Bürgern gerne vorgeworfene Spießigkeit findet sich auf diesen Bildern eher selten, akkurat gemähte Rasenwüsten mit vereinzelten Koniferen gibt es kaum. Aber vielleicht kommt das dominierende, gerade so beherrschte Chaos auch daher, dass die Menschen kurz nach dem Mauerfall andere Dinge im Sinn hatten, als das Grünzeug in ihrem Garten unter Kontrolle zu halten.hier der link zum Verlaghttp://www.expose-verlag.de/index.php?site=detail&uid=78
