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Pflanzenschutz Umfrage (Gelesen 8276 mal)

Pflanzenstärkung, Krankheiten und physiologische Störungen

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thuja thujon
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #60 am:

Von so breit wirksamen Mitteln wie Desinfektionsmitteln gegen Mehltau hat man sich schon vor sehr langer Zeit verabschiedet. Wer möchte heute noch nützliche Bakterien, Nützlinge und anderes meucheln, wo es doch wirksame Alternativen gibt?

Nicht mehr ganz taufrisch, aber der Link von damals fällt mir gerade über die Füße:
https://www.iva.de/sites/default/files/2024-02/Harzer%20Quo%20vadis%20PS%20Obstbau%20Dezember%202022%20%28002%29.pdf

Bezüglich Biologische Pflanzenschutzmittel eine persönliche Bemerkung des Autors:
hat geschrieben: 1. Jan 1970, 01:00Es bleibt nur zu hoffen, dass auch die möglichen Auswirkungen von Sekundärmetaboliten dieser Mikroorganismen auf die menschliche Gesundheit untersucht und bewertet werden –
ganz abgesehen davon, dass nicht alle Sekundärmetaboliten überhaupt bekannt sind.
Dem schließe ich mich vollumfänglich an.
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555Nase
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

555Nase » Antwort #61 am:

Desinfektionsspray würde ich ja auch nicht flächendeckend einsetzen und für die Behandlung eines Zweiges wird wohl kaum die Mikrofauna zusammenbrechen. :P

Andererseits bezugnehmend zu dem Artikel, was würde es wohl für Reaktionen geben, wenn man 50% der Humanmedikamente verbietet und abschafft ? Man könnte ja auch mal die Nebenwirkungen der Medikamente offenlegen. Aber Suchtmittel werden sogar per Gesetz zugelassen - da hat aufeinmal niemand was dagegen. Die Menschheit war schon immer bekloppt und daran wird sich auch nichts ändern.
Gruß aus Karl-Chemnitz-Murx
kittekat
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

kittekat » Antwort #62 am:

Könnt ihr ein Mittel zur Bekämpfung von Falschem Mehltau empfehlen? Netzschwefel hilft da ja nicht oder?
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Staudo
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

Staudo » Antwort #63 am:

Der Klassiker ist Ortiva.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
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thuja thujon
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #64 am:

Ganz so einfach ists aber nicht. Es gibt aus guten Gründen viele Mittel und nicht alle sind in allen Kulturen zugelassen.
Ortiva hat das seit wohl rund 20 Jahren im Einsatz befindliche Azoxystrobin als Wirkstoff. In dieser Zeit haben viele Eipilze Resistenzen dagegen entwickelt. Die sind da ziemlich gut drin. Im Garten geht noch Revus mit Mandipropamid, aber nicht in allem. Tomaten und Kartoffel ist ok, bei Gurken gibts Schäden an den Pflanzen. Deshalb hat es da keine Zulassung. Das gilt auch für Ortiva bei Kernobst.
Azole wie Duaxo wirken nicht bei falschem Mehltau, da Azole nur auf echte Pilze wirken. Falscher Mehltau ist aber wie gesagt ein Eipilz (Braunfäule, also Phytophthora infestans auch).

Pilzfrei Phyto mit Fosethyl-Al als Wirkstoff geht noch bei vielem, verhält sich in etwa wie Kaliumphosphonat. Das ist Vollsystemisch und wird in die Triebspitzen verlagert, hat an älteren Blättern also eher wenig Wirkung, schützt mehr den Neuzuwachs.

Vor ein paar Jahren gab es noch das Biofungizid Kupfer für diejenigen, die keine chemisch-synthetischen Mittel wollten. Ist aber mittlerweile verboten im Hobbygarten, weil es persistent ist (`Ewigkeitschemikalie´ um im Wortlaut von den PFAS zu bleiben, hört sich gleich viel dramatischer an).
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hobab
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

hobab » Antwort #65 am:

Danke Thuja für die Informationen!
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cydorian
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

cydorian » Antwort #66 am:

Persistent bedeutet in der Biologie "schwer abbaubar". Kupfer ist aber ein Element oder im Sprachgebrauch eine Verbindung mit diesem Element und überhaupt nicht abbaubar. Gottlob, denn Kupfer in seinen Verbindungen ist ein Spurenelement und natürliche "Zutat" des Bodens, der Erde, des Lebens. Synthetische Chemikalien wie PFAS sind das nicht und waren es nie. Alle Lebewesen benötigen zwingend Kupfer als Spurenelement. In der Tierhaltung füttert man sogar Kupfer in Form von Futtermittelzusatzstoffen zu. Im Schweinefutter ist z.B. Kupfer-(II)-acetat Monohydrat.

Entsprechend gibt es selbstverständlich auch weiterhin Kupferdünger. Beispiel: https://www.jost-group.com/blattduenger/folicin-cu und Hobbygärtner in den meisten Ländern, z.B. der Schweiz oder Österreich können es weiterhin kaufen.

Gegen falschen Mehltau war es prima. Das frühere Atempo mit Kupferoktanoat war bis 20mm regenfest und verteilte sich gut auf den Blättern, geringe Aufwandsmengen waren nötig, erstklassig verträglich auf Cucurbitae, kurze Wartezeit, lange Schutzwirkung, keine Resistenzprobleme. Gerade im deutschen Sommer, wo oft weniger Niederschläge das Problem sind, sondern hohe Luftfeuchtigkeit, die nächtlichen Tau verursacht. Das ist auch der stärkste Beschleuniger von falschem Mehltau. Wer einen Garten in der Schweiz hat (oder mit seinem Garten der Schweiz beitreten kann :-) kann es ausprobieren.
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #67 am:

Bei der ECHA gilt es beim Registrieren von Stoffen bei einer DT50 (Maß für die Abbaugeschwindigkeit) größer 120 Tage als persistent, größer 180 als sehr persistent. Kupfer ist demnach eher als sehr persistent einzustufen, wenn man das so isoliert betrachten möchte. Es geht aber auch um die Umweltauswirkungen, Regenwürmer usw, es ist rechtlich auch längst ein Substitutionskandidat und wird nur nicht verboten, weil dann vieles im Bioanbau nicht mehr produzierbar wäre. Auch dieses Jahr wollen viele doch wieder Phosphonat zurück haben.

Wer noch darf kann sich ja an die Mengenbeschränkung halten, 0,2-0,3g Reinkupfer pro Behandlung pro 10 Quadratmeter. Coprantol Duo hat Vorteile was Verfügbarkeit und Regenfestigkeit angeht, da 2 verschiedene Kupfersalze enthalten sind.
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

Obstliebhaber » Antwort #68 am:

hobab hat geschrieben: 28. Jul 2024, 14:50
Danke Thuja für die Informationen!


Dem kann ich mich nur anschließen.
Vielen Dank Herr Thuja Thujon für deine wertvollen Informationen.

Falls ich eine weitere Frage stellen darf:
Wie sind die Erfahrungen mit Fosetyl insbes. Alitis/Aliette? Es soll u.a. auch im Erdbeeranbau gegen Wurzelkrankheiten wirksam sein.
Was mich jedoch nachdenklich macht ist der Aluminium-Anteil und die Gefahr von Verätzungen und Augenschäden.

Wie geht ihr vor beim Spritzen?
Windstille und relativer Abstand durch Lanze des Drucksprühers setze ich mal voraus.
Welche Maßnahmen um euch selbst zu schützen wendet ihr an? Schutzanzug / Brille / Handschuhe?

Vielen Dank am Teilen eurer Erfahrungen, eurem Wissens- und Erfahrungsschatz

LG
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #69 am:

Fosethyl-Al ist eine Form der Phosphonsäure, die etwas besser als Kaliumphosphonat von den Blättern aufgenommen wird. Aluminium unterstützt dabei noch etwas die Wirkung.
Wenn das Mittel von der Pflanze aufgenommen wurde, wird Fosethyl-Al von der Pflanze zu Phosphonsäure abgebaut, dem eigentlichen Wirkstoff. Der Ethylester der Phosphonsäure ist nur dazu da, die Wachsschicht und Membranen der Blätter besser zu durchdringen. Wegen dem Aluminium brauchst du dir keine Gedanken machen, die festen Bodenbestandteile bestehen Großteils aus Aluminium- und Siliziumoxiden. Der Reinstoff ist Augenreizend, die fertige Anwendungslösung mit viel geringerer Konzentration meist nicht mehr. Und Augenreizend ist auch Haarshampoo oder Duschgel. Das muss nur nicht als solches gekennzeichnet werden. Deshalb Schutzbrille tragen beim Umgang mit dem unverdünnten Mittel.

Ich nutze Kaliumphosphonat/Fosethyl-Al gegen Wurzelkrankheiten in Erdbeeren als Tauchbad vor dem pflanzen. Das ist die klassische Anwendung. Man kann es aber auch dem Gießwasser zugeben. Mehrmals über die Saison appliziert gibts beachtliche Wirkungsgrade / reduzierte Pflanzenausfälle.

Beim spritzen: festes Schuhwerk, nicht in den Spritznebel oder über behandelte Flächen laufen. Handschuhe sind ein zweischneidiges Schwert, da die meisten ungeschult sind und so Handschuhe falsch verwenden bzw sogar noch häufiger die falschen Handschuhe.
Viele Hobbygärtnerprodukte sind so gebaut, das man sie auch als Laie gut dosieren und handhaben kann.

Düse richtig einstellen, so wenig wie möglich Druck benutzen, Tropfenbild möglichst groß bei systemischen Wirkstoffen. Und es darf nie was vom Blatt runtertropfen. So wenig Wasser wie möglich für die Fläche benutzen. 3 Liter für 100m² muss man üben, Anfänger brauchen oft 6 Liter oder noch mehr.
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

Obstliebhaber » Antwort #70 am:

Vielen Dank, Thuja,
Mit Erdbeerpflanzungen habe ich sehr viel Probleme mit den typischen Wurzelkrankheiten, da käme mir Fosetyl gerade recht. Auch falschen Mehltau möchte ich wechselweise damit behandeln.
Bietest du auch Kurse an? Wäre der Weg nicht so weit, ich würde bei dir buchen ;-)

P.S.: Kann es nicht sein dass die bei unserem Garten eingebaute Grautonschicht sowieso Al enthält?
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #71 am:

Nee, Kurse gebe ich keine, ich beantworte lieber konkrete Fragen.
Aber eigentlich wären Kurse für PSM im Garten kein Fehler. Nicht nur wegen den tatsächlichen Leistungen der Mittel und daraus bedingten Strategien, sondern auch typische Anwendungsfehler wie Schneckenkorn in Schneckenfallen oder extrem häufiger Einsatz wie in viele dieses Jahr praktizieren.
Auch über die Applikationsqualität und wann wie viel Wasser gebraucht wird lässt sich 3 Stunden austauschen. Aber was nehmen die Leute dann mit? Dann doch lieber regelmäßiger Austausch vor Ort am Objekt.

Wegen Schutzkleidung:
Offiziell heißt es in D übrigens auf Seite 6
https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/PSM_Haus_und_Kleingarten.pdf?__blob=publicationFile&v=5
hat geschrieben: 1. Jan 1970, 01:00Dem nicht-beruflichen Anwender kann nur eine eingeschränkte Schutzausrüstung zugemutet werden (Handschuhe, langärmeliges Hemd, lange Hose, Kopfbedeckung, festes Schuhwerk wie z.B. Gummistiefel).

Das nur Pflanzenschutzmittel im HuK zugelassen werden, die mit `geringes Risiko´ bewertet sind, kann dem ein oder anderen mal aufgefallen sein. Vieles, was die letzten Jahre verschwunden ist (Glyphosat ist nicht begründet, das war rein politisch).

zu den Grauschichten, Ton kann zB Aluminium-Magnesium-Silikate sein. Also Boden ohne Aluminium wird sich nur schwer finden lassen. Das wäre wie Luft ohne Sauerstoff.

Gegen Verticillium, hier neben zu viel Kalk das Hauptproblem mit den Erdbeeren, hilft Fosetyl und verwandtes nicht. Aber es scheint sich auf den Erdbeermüden Böden zu rentieren, schau mal rein, unter Phosphonat: https://www.lwg.bayern.de/gartenbau/obstbau/182698/index.php
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

Obstliebhaber » Antwort #72 am:

thuja hat geschrieben: 2. Aug 2024, 13:10
Nee, Kurse gebe ich keine, ich beantworte lieber konkrete Fragen.


Heheh, kann ich verstehen, man kann sich dabei schlecht versichern ;-)
Die Links sind gut, das werde ich die Tage mal durchkauen.

Verticillium weiß ich jetzt nicht ob das in unserem Garten eine Rolle spielt.
Wurzelanschnitte von siechenden Erdbeerpflanzen waren jedenfalls immer orangerot, fast ohne Faserwurzeln, rochen pilzig.
Ich tippe mal auf Rote Wurzelfäule, Phytophthora fragariae
Auch etwas was mein Großvater in den Siebzigern, noch dazu auf Sandboden, wahrscheinlich gar nicht kannte. Dafür hatte er immer mit Grauschimmel bei Erdbeeren zu kämpfen.

P.S.: Mein Ältester, seines Zeichens Chemiker hat mir mal den Al-Gehalt von Fosetyl berechnet und kommt auf 7,6%. Im Mittel das über die Ladentheke geht sind 80% Fosetyl enthalten.
Werde es dann wahrscheinlich hauptsächlich zum Tauchen von Erdbeeren vor der Pflanzung nehmen.
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Re: Pflanzenschutz Umfrage

thuja thujon » Antwort #73 am:

Versicherung wäre kein Problem. Man empfiehlt ja nichts verbotenes. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass die Leute aus Pflanzenschutzkursen nichts oder zu wenig lernen, aber tausende konkrete Fragen haben. Und dann machen sie eh was sie wollen. Und manche wissen eh schon alles vorher und haben dazu viel Meinung, aber haben noch nie einen Pflanzenschutzversuch gesehen.

Das Thema ist halt auch nicht in 3 Tagen im Winterhalbjahr abgearbeitet, und dann gibts ständig Änderungen. Das ist nicht wie ein Kompostierkurs. Man muss da am Ball bleiben und das machen die Leute nicht.
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