Blumenliebhaber und Blumisten
Verfasst: 8. Dez 2005, 12:20
Gerade lese ich mit größtem Vergnügen ein Buch von Andrea van Dülmen mit dem Titel Das irdische Paradies (Böhlau-Verlag, Köln 1999), das von der bürgerlichen Gartenkultur der Goethezeit handelt. Das Buch ist hervorragend recherchiert und mit einem großen Anmerkungsapparat voll zusätzlicher Informationen und einem ausführlichen Literaturverzeichnis versehen.Daraus möchte ich nun einige Passagen zitieren (S. 113ff.), die auch im Hinblick auf die hiesigen und heutigen User des Forums recht vergnüglich und diskutierenswert sein dürften:Blumenliebhaber sind Leute, die Blumen gerne haben uns sie in möglichst großer Zahl und Artenvielfalt in ihrem Garten - oder auch an den Fenstern - blühen sehen möchten. Der Blumist dagegen hat sich der "Blumenzucht als Kunst" verschrieben. Er ist Liebhaber und Kenner der Blumen zugleich, "der ihre Schönheit nicht nur mit den Sinnen empfindet, sondern auch mitr dem Verstande richtig beurtheilet, und den Grund anzugeben weiß, woher die angenehme Empfindung entstehet" (33, leider kann ich hier nicht die umfänglichen Quellennachweise einfügen, Callis). Er spezialisiert sich auf nur eine oder wenige Arten und bemüht sich, "ihnen eine größere Vollkommenheit beizubringen... durch geschickte Benutzung der Naturkräfte oder Anwendung künstlicher Mittel", d.h. durch hingebungsvolle Pflege, Auswahl und Kreuzung (34)...Die Gärten der gewöhnlichen Blumenliebhaber unterschieden sich schon in ihrer äußeren Gestaltung ziemlich deutlich von denen der Blumisten. Sie bezogen Farbe, Duft und Größe der Stauden mit in die Gesamtkonzeption des Gartens ein. Ihre Beete hatten häufig eine dem natürlichen Stil angepaßte, unregelmäßige Form und waren so plaziert, daß die Blütenpracht sofort ins Auge fiel. Man rückte die Blumen in die Nähe des Hauses und der Sitzplätze, wo vor allem die stark duftenden Arten den größten Effekt machten. Sie waren bei der Gartengestaltung bis zu einem gewissen Grad gleichwertig mit Baumgruppen, Wasseranlagen oder kleinen Bauwerken. In den Beeten und Rabatten selbst wollten die Liebhaber eine möglichst bunte Fülle verschiedenster Arten zeigen und durch geschickte Auswahl erreichen, dass das ganze Jahr über immer etwas blühte.Ganz anders die Blumisten, die gerne dazu neigten, sich für die wahren und gründlicheren Blumenliebhaber zu halten, für die "thätigen" im Unterschied zu den "müßigen" Blumenfreunden. Ihre Beete waren aus praktischen Gründen überwiegend regelmäßig angelegt, nahmen aber oft nur einen Teil des Gartens ein, wenn dieser groß genug war für den zusätzlichen Anbau von Obst und Gemüse, für Baumgruppen, schattige Gänge und Lauben. Allerdings sollten diese verschiedenen Teile des Gartens nicht ineinander übergehen, "englische" Partien nicht mit den Blumenquartieren vermischt werden (39)...In den einfacheren Gärten der Blumisten ist es ein wichtiger Grundsatz, "daß von allen Punkten der Garten übersehen werden kann, damit man gleich im Großen überrascht wird". Hochwachsende Blumen oder Sträucher sollen so angeordnet sein, daß "die Übersicht über die andern Beete nicht gehindert wird...denn der Blumist will immer mehr und immer recht viel auf einmal sehen"; es verdrießt ihn, wenn er erst in irgendeiner anderen "Gegend des Gartens" nach dem Gegenstand seiner wahren Sehnsucht suchen muß.(42)...Überzeugte Blumisten konzentrierten ihr Interesse auf die Anzucht und Pflege sehr weniger Arten, ja widmeten ihre Liebe und ihren ganzen Ehrgeiz oft überhaupt nur einer einzigen Art(43) Von ihr suchten sie möglichst viele Varietäten zu erhalten, gefüllt und besonders großblumige Exemplare oder immer neue Farbmischungen zu züchten, denn für den Blumisten ist "die fleißige Kultur seiner wenigen Pflanzen die Hauptssache"(44). Die gehegten Blumen wurden vielfach auf langen, wegen des Gewichts notwendigerweise recht plumpen Stellagen oder Gerüsten untergebracht oder standen dicht an dicht, "wie Reihen kleiner Grenadiere"(45) in ihren Beeten..."Der echte Blumist sieht nicht auf die Gartenanlage"(47); er führte ja auch seine Besucher nicht einfach müßig im Garten spazieren, sondern zeigte ihnen voll Stolz die Größe seiner Sammlung und die Triumphe seiner Züchtung. Außerhalb der relativ kurzen Blütezeit dürfte sein Garten einen etwas traurigen Anblick geboten haben.Hier will ich vorerst abbrechen, obwohl es noch mehr über beide Typen zu zitieren gibt. Erkennt sich schon jemand in dem einen oder anderen Typus wieder? 
