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Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 12:21
von thomas
Einige tuns erst nach ein paar Jahren, andere, etwa Bäume, gleich nach der "Geburt". Aber es gibt auch mehrjährige und langlebige Pflanzen, die nie verholzen, z.B. Moose oder auch Gräser (teilweise). Verholzte Zellen sind trockener und geben der Pflanze Stabilität. Gibt es noch andere Funktionen dieses Phänomens? Und wie läuft der Übergang von der "krautigen" zur "holzigen" Zelle ab?

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 13:41
von Phalaina
So ganz grob: Pflanzenteile verholzen durch die Einlagerung von Lignin in die Zellulose. Die beiden polymeren Stoffe sind chemisch aneinander gebunden und bilden zusammen eine physikalisch feste Struktur. Der wichtigste Grund für das Verholzen dürfte tatsächlich die Statik sein - denn mit zunehmender Pflanzengröße findet man ausschließlich Gehölze (außer bei Lianen, aber die nutzen ja eine vorhandene Statik). Eine Großpflanze kann vorhandene Ressourcen (Licht, Bodenfläche) besser nutzen, und durch das Verholzen hat sie eine dauerhaftes statisches Gerüst, das nicht während jeder Wachstumsperiode neu geschaffen werden muss. Viele Pflanzengruppen wie Schachtelhalme und Bärlappe, die heute nur krautige Vertreter haben, können ohne effektive Konkurrenz durchaus große baumförmige Arten mit verholzten Stämmen hervorbringen, wie sie im Päläophytikum und frühen Mesophytikum ja auch bewiesen. Weiters bietet das Verholzen auch einen zusätzlichen Schutz gegen Schädlinge und gegen das Austrocknen, auch bei kleinwüchsigeren Pflanzenarten.

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 13:50
von thomas
Besten Dank. Sehr interessant. Umgekehrt bleibt dann allerdings die Frage, warum die meisten Pflanzen nicht verholzen, angesichts der beschriebenen Vorteile, grad hinsichtlich Schädlingsbefall. Gut, bei den Einjährigen lohnt sich das nicht (oder gibts Ausnahmen?), und die anderen behelfen sich mit Samen, die ja in der Regel so was wie eine schützende holzähnliche Schicht im Kleinformat haben. Interessant auch, dass gewisse Hölzer unglaublich hart, andere dagegen fast wieder krautig sind.

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 14:29
von Wühlmaus
Das Verholzen von statisch tragenden Teilen scheint doch auch ein recht guter Frostschutz für mehrjärige Gewächse zu sein?!? Denn keine andere PflanzenSubstanz kann so trocken in den stärksten Frost gehen. Und das Holz ermöglich doch auch erst den immergrünen Teilen zum Winter hin soviel Wasser abzutransportieren, bzw. zu verdunsten, daß die durch den Turgor ermöglichte Statik nicht mehr erforderllich ist. WühlmausGrüße

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 14:37
von thomas
Leuchtet ein. "Turgor" ;D; kam mir bekannt vor, kurzer Blick bei Wiki brachte dann gänzliche Klarheit 8).

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 14:57
von Phalaina
Das Verholzen von statisch tragenden Teilen scheint doch auch ein recht guter Frostschutz für mehrjärige Gewächse zu sein?!? Denn keine andere PflanzenSubstanz kann so trocken in den stärksten Frost gehen.
Richtig, wobei allerdings diese Eigenschaft wohl eher sekundär ist. @fisalis: um zu Deinen Fragen oben zurück zu kommen: das Verholzen macht Pflanzenteile zwar sehr dauerhaft, ist für das Gewächs aber mit Aufwand verbunden. Warum sollte eine Pflanze also Teile, die sie nicht dauerhaft benötigt, verholzen lassen? Für eine (perennierende) Staude hingegen mag einerseits das basale Verholzen von Vorteil sein, weil es den jährlich aufschiessenden Stängeln eine stabilere Basis gibt. Andererseits können viele kleinwüchsige (Halb-)Sträucher, zum Beispiel aus sommertrockenen Gebieten wie dem Mittelmeerraum, dank der Teilverholzung die regenarme Zeit besser überstehen und somit ihren Platz gegen Konkurrenten behaupten.

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 22:52
von Wühlmaus
Richtig, wobei allerdings diese Eigenschaft wohl eher sekundär ist.
Naja - soooo sekundär seh ich das nicht, denn sonst sähe es in klimatisch extremen Regionen recht dürftig mit dem Baumwuchs aus...WühlmausGrüße

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 15. Dez 2005, 23:03
von fars
in einem anderen Forum wurde mal diskutiert, dass eine gemeinhin als Staude bezeichnete Pflanze (in diesem Fall war es eine Primel) ein Strauch sein kann, wenn verholzend.Was genau ist die Unterscheidung/Schnittstelle zwischen Strauch und Staude?

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 09:45
von Phalaina
Naja - soooo sekundär seh ich das nicht, denn sonst sähe es in klimatisch extremen Regionen recht dürftig mit dem Baumwuchs aus...
Da hast Du schon recht, Wühlmaus! "Sekundär" heißt in diesem Zusammenhang, dass die Bäume diese Eigenschaft nicht primär entwickelt haben, um dem Frost zu trotzen, sondern aus anderen Gründen, dass die Eigenschaft aber in Gebieten mit Frost dann erstaunliche Vorteile für's Überleben bietet!

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 10:29
von Phalaina
in einem anderen Forum wurde mal diskutiert, dass eine gemeinhin als Staude bezeichnete Pflanze (in diesem Fall war es eine Primel) ein Strauch sein kann, wenn verholzend.Was genau ist die Unterscheidung/Schnittstelle zwischen Strauch und Staude?
Es gibt keine wirklich scharfe Unterscheidung, sondern wie oft in der Natur eher eine fliessende. Manche Stauden, zum Beispiel Delphinium, verholzen an der Basis. Einige Kleinsträucher wie zum Beispiel Fuchsia magellanica verhalten sich bei uns uns staudig, d.h., sie erneuern sich jedes Jahr von basalen, ja sogar unterirdisch gelegenen Knospen her. Andere, wie viele der aus dem Mediterranen zu uns gebrachten Vertreter der Lamiaceae, das Helianthemum oder auch die Buddleja davidii zeigen ein solches Verhalten nur nach strengen Wintern. Wiederum andere, wie manche Vertreter der Malvaceae oder das Erysimum, verhalten sich üblicherweise wie Stauden, können aber nach milden Winter nach Strauchart aus weit über dem Boden liegenden Triebknospen wieder austreiben. Die gärtnerische Unterscheidung, ob eine Pflanze ein "Strauch" oder eine "Staude", ist ja auch nicht wirklich korrekt, denn zum Beispiel eine Calluna oder eine Erica, ein Teucrium chamedrys drücken sich typischerweise bei den Stauden herum, sind aber definitiv ziemlich verholzt. Ich persönlich halte die Begriffe "Staude" und "Strauch" daher auch gärtnerisch für mäßig sinnvoll, sondern bevorzuge für die bei uns üblicherweise im Freien kultivierten Pflanzen eher die Einteilung in Phanerophyten, Chamaephyten, Hemikryptophyten, Kryptophyten und Therophyten. Andererseits - eine solche Einteilung mag zwar sehr praktisch sein, ist aber auch für die Anwendung in einem allgemeinen Gartenforum zu weitgehend. Deswegen möchte ich Dir zur weiteren Info diesen Link empfehlen. ;)

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 10:34
von Wühlmaus
Eine Staude ist für mich die Pflanzen, die im Frühjahr krautig komplett neu aus dem Boden austreib und ausschließlich nur einjährige Triebe hat ::)WühlmausGrüße

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 10:53
von Phalaina
Aber wo bleiben bei Dir denn zum Beispiel das Blaukissen Aubrieta oder Iberis oder auch andere Immergrüne wie Hauswurz Sempervivum oder Sedum? ::)

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 10:55
von sarastro
Iberis, Helianthemum, Onosma, Globularia cordifolia und viele andere sind botanisch gesehen eigentlich Sträucher.

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 16. Dez 2005, 11:15
von Phalaina
Richtig. Wie ist aber zum Beispiel der Dost einzuordnen? Der verholzt basal, und die Triebe sind in unseren milden Lagen durchaus auch im nächsten Jahr noch da. Ich denke, es gibt wirklich fliessende Übergänge, gerade in Pflanzenfamilien wie den Lamiaceae, die sowohl eindeutig krautige (wie Lamium) als auch kleinstrauchige Arten (zum Beispiel Lavendula) aufweisen, zum Teil innerhalb derselben Gattung (Phlomis!). ::)

Re:Warum verholzen Pflanzen?

Verfasst: 17. Dez 2005, 17:33
von Sepp
Umgekehrt bleibt dann allerdings die Frage, warum die meisten Pflanzen nicht verholzen, angesichts der beschriebenen Vorteile, grad hinsichtlich Schädlingsbefall.
Es gibt ja unterschiedliche Strategien, die sich in der Evolution ausgebildet haben.So haben zwar Bäume den Vorteil durch das Verholzen riesige Dimensionen zu erreichen, doch das Holz kostet auch Energie und es dauert viele Jahre oder Jahrzehnte bis Bäume in die generative Phase kommen (was natürlich nicht nur am Verholzen liegt). Dagegen kann ein Amaranth z.B. locker überleben, obwohl er nicht verholzt, sondern weil er dafür eine grosse Zahl an Samen bildet, sich also stark reproduziert.Dazwischen sind die Übergänge wie so oft fliessend. Moose, die du ansprichst, sind eine gänzlich andere Liga. Es sind sehr alte Pflanzen, die nicht mit höheren Pflanzen verwechselt werden dürfen. Moose besitzen keine echte Wurzeln, kein Xylem oder eine Cuticula, weil sie eine evolutorische "Einbahnstrasse" gewählt haben, die Anpassung, wie man sie bei höheren Pflanzen findet, nicht einfach macht. (-> Lebenszyklus der Moose, müsste im Netz genug drüber zu finden sein, ist aber ein kompliziertes Thema)Sepp