Die „Flora Graeca“ gehört zu den seltenen Botanikwerken: Von den zehn von 1806 bis 1840 erschienenen Bänden soll es nur etwa 60 Exemplare geben. Datenbasis ist die Sammelreise von John Sibthorp durch den Ägäisraum anno 1786/87, auf der er von Ferdinand Bauer als Maler begleitet wurde. Sibthorp starb 1796, hat also nie ein fertiges Exemplar der Bücher gesehen, aber die Arbeiten so gut vorbereitet (und finanzielle Polster geschaffen), daß James Edward Smith die ersten sieben Bände herausgeben konnte; nach dessen Tod übernahm John Lindley die Herausgabe der letzten drei Bände.
Rainer Scheppelmann hat vor einigen Jahren eine „Volksausgabe“ der „Flora Graeca Sibthorpiana“ herausgegeben, um der breiten Öffentlichkeit dieses Werk nicht nur als Digitalisat (von mehreren Bibliotheken liegt ein solches mittlerweile vor), sondern auch als physische Veröffentlichung zugänglich zu machen, ohne daß man den ab 2009 erschienenen Reprint in fünf Bänden, der knapp 1000 Euro kostet, erwerben muß. Der (lateinische) Originaltext wurde auf die Verbreitungsangaben nach Sibthorps Aufzeichnungen reduziert, Basisdaten wie Höhe, Blütezeit, bevorzugte Sonnenexposition und Höhenstufenvorkommen sind tabellarisch hinzugefügt. Scheppelmann hat eine Auswahl der Pflanzen vorgenommen: 966 sind im Original beschrieben, die Volksausgabe enthält etwa 250.
Der eigentliche Trumpf aber sind die Bilder von Bauer, hervorragend gescannt (die Vorlagen sind aus einer Privatsammlung) und auch von der Druckqualität her die Malqualität wirkungsvoll heraushebend. Der Mann war wirklich einer der Besten seines Faches (er fuhr später noch mit Flinders um Australien und wurde so in Tateinheit mit dem Botaniker Robert Brown zu einem der maßgeblichen Protagonisten der botanischen Erkundung Australiens), und seine Bilder sind somit eigentlich das Hauptargument, sich dieses Buch zuzulegen. Der Text der Einführungskapitel ist dreisprachig Deutsch, Englisch und Griechisch, der zu den Pflanzen dann viersprachig (neben den drei genannten noch der oben erwähnte lateinische Originaltext in reduzierter Form).
Fürs botanische Studium ist die Volksausgabe also eher nichts (dazu braucht man dann doch das Original und muß des Lateinischen mächtig sein), als Bestimmungsbuch taugt sie auch nur begrenzt, aber als beeindruckendes Bilderbuch über die ägäische Flora mit ein paar Zusatzinformationen kann man sie definitiv goutieren. Nur wäre ein Synonymregister o.ä. nutzbringend gewesen – die verwendeten wissenschaftlichen Namen sind offenbar die gleichen wie die im Original, also auf dem Stand des späten 18. oder der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und da stutzt man schon, wenn man Amaryllis lutea oder Ixia bulbocodium entdeckt. Bei den beiden kann ich die korrekte Identifizierung als Sternbergia lutea bzw. Romulea bulbocodium vornehmen, aber wie viele solcher Fälle in den Familien, mit denen ich mich nicht so auskenne, lauern, kann ich nicht einschätzen. Und da nützt dann auch das mehrsprachige Pflanzenregister am Ende nichts, da es eben nur die vorn im Buch verwendeten Termini enthält. Die Alraune etwa findet man dann nicht unter A, sondern, da vorn Gemeine Alraune heißend, unter G, und wenn man im „lateinischen“ Register unter Mandragora officinarum schaut, wird man gleich gar nicht fündig, weil im Text der alte Name Atropa mandragora verwendet wurde, der folgerichtig unter A steht. Das macht die gezielte Suche äußerst mühsam.
Also eher eine Art coffee table book – dafür aber ein sehr gutes
(Liegt schon einige Jahre hier, aber zum Durcharbeiten gekommen bin ich erst gestern nacht.)