Züchtungen bedienen, sieht man mal von Qualitätsverbesserungen (Standfestigkeit, Mehltauresistenz, Blütenreichtum) ab, in erster Linie den Publikumsgeschmack. Sie sind somit eine Geschmacksfrage und eigentlich nicht diskutierbar oder gerade deshalb.
Es wird immer wieder Züchtungen geben, die vielen als geschmacklos gelten und von denen nachgefragt werden, die angeblich keinen Geschmack haben. Weder machen Züchter vor Gigantismus, farblicher Naturverfälschung, krankhaft wirkenden Habitusveränderungen halt, noch entblöden sie sich nicht, uns nur noch mit der Lupe nachvollziehbare Abweichungen als neue Sorten zu verkaufen. Inzwischen erscheinen Enzyklopädien und Atlanten zu diversen Stauden und Gehölzen, die nur noch von ausgebufften Fachleuten auseinander gehalten werden können.
Wir Hobby-Gärtner werden rücksichtslos auf das Rad der immer umfangreicher werdenden Prospekte geflochten, die uns weiß machen wollen, bei dem Angebot handele es sich um eine absolut neue, unbedingt erstrebenswerte Züchtung, auf die man unmöglich verzichten könne. Internetforen und Gartenzeitschriften heizen diese „Mania“ noch zusätzlich an. Im Garten dann entpuppen sich diese Gewächse nicht selten als „na ja“.
Beispielhaft seien hier einige Pflanzenarten aufgezählt, die stellvertretend für diesen Züchterwahnsinn stehen können: Galanthus, Helleborus, Hemerocallis, Paeonia, Rosa, Primula, Rhododendron, Iris. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Auch unsere eigenen Geschmacksbedürfnisse sollten wir überprüfen. Muss eine Rose ständig blühen oder in barocker Üppigkeit unter Blüten erstickt werden? Muss eine Lilie unter ihren Riesentrompeten zusammenbrechen? Muss ein Rhododendron mit handballgroßen Blütenstutzen prangen? Sind wir bei Pfingstrosen erst zufrieden, wenn sie nur durch raffinierte Stützungsmaßnahmen am Umfallen gehindert werden können?
Wir verlieren den Blick für das Ursprüngliche, für die Zartheit und Zerbrechlichkeit von unverfälschten Arten oder naturnahen Züchtungen.