Gestern im Baumarkt begegneten mir Weinstockableger in Pappkaffeebechern, die als Obst-to-go angepriesen wurden und 2,50 kosteten. Was ist das? Dachte ich. Sind das veredelte Ableger oder unveredelte Ableger? Wird das was oder ist das nur ein Gag? Kann man denn Weinstöcke durch Stecklinge vermehren ohne sie zu veredeln und kommt da was Anständiges bei raus wenn man einfach nur einen Steckling in die Erde steckt?
Innerhalb von Weinbaugebieten ist in Deutschland das Pflanzen ungepropfter Reben streng verboten und wird mit hohen Geldstrafen belegt. Hier sieht man einen Widerspruch im dt. Recht. Der Verkauf ungepfropfter Reben ist erlaubt, aber das Auspflanzen in Weinbaugebieten nicht.
Warum wird gepropft:
1. Europäische Weinsorten inkl. Tafeltrauben sind empfindlich gegen die aus Amerika eingeschleppte Reblaus. Die Reblaus brachte damals fast den Weinbau in Europa zum Erliegen. Lösung: Europäische Kultursorten werden auf amerikanische Unterlagen (Wildreben) gepropft. Diese haben in Millionen von Jahren eine gewisse Immunität gegen die Reblaus entwickelt. Das Pfropfen auf amerikanische Unterlagen ist jedoch keine individuelle Entscheidung, da verhindert werden muss, dass neue Reblausherde entstehen. Die Bekämpfung der Reblaus (z.B. mit Chemie) ist nur mit extremen Aufwand möglich. Sie "überwintert" auch mehrere Jahre nach der Rodung eines Stockes im Boden. Deutlich außerhalb von Weinbaugebieten ist eine Pfropfung nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird aber dringend empfohlen.
2. Mit der Unterlage kann eine Rebe an die Bodenverhältnisse angepasst werden, z.B. bei stark kalkhaltigem Boden. Die Unterlage beeinflusst auch die Aufnahme von Spurenelementen, z.B. von Eisen in "schwierigen" Böden.
3. Mit der Unterlage kann die Wüchsigkeit der Rebe beeinflusst werden. Die Unterlage 125AA ist sehr wuchskräftig und deshalb gut für weniger wüchsige Edelreise. Kombiniert man aber diese Unterlage mit einer sehr wüchsigen Rebsorte, dann entsteht ein Wuchsmonster und man kommt mit dem permanenten Sommerschnitt nicht mehr nach.
Hier eine Übersicht zu Unterlagen:
http://www.dlr.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/se_quick/B8F29A19A20FA79BC125703B001FD6A6?OpenDocumentWenn man nicht gerade einen ausgefallenen Boden hat, bringen die meisten Rebsorten auch unveredelt ähnliche Erträge. Man sollte aber unbedingt Punkt 1. beachten!!!
In Deutschland wird für Tafeltrauben meist die Unterlage SO4 verwendet, weil diese ein guter Kompromiß verschiedener Eigenschaften ist. Bei den meisten Rebschulen dürfte es keine Tafeltrauben mit anderen Unterlagen geben. In Osteuropa wird gern die Unterlage 125AA verwendet, falls überhaupt veredelt.
Keltertrauben werden in D in verschiedenen Klonen und mit verschiedenen Unterlagen angeboten. Die Unterlage 125AA ist da wahrscheinlich viel zu wüchsig. Hier will man den Ertrag zugunsten der Qualität begrenzen.
Zu Tafeltrauben in Bau- und Gartenmärkten:
a) nur alte und meist minderwertige Sorten
b) oft Sortenverwechselungen
c) oft nicht geeignet für Anbau außerhalb von Weinbaugebieten, da meist zu spät reifend und nicht frostfest genug.
d) absolut keine sinnvolle Beratung möglich
Ergo: Murks