Zu den Köpfen dieser Kritiker zählen diejenige, die maßgeblich für die IARC-Bewertung von Glyphosat verantwortlich waren.
Das entwertet die Kritik nicht (und macht sie auch nicht substantieller), sollte man aber wissen, bevor wieder die Lobbyismusschiene kommt.
Die Wissenschaftler begründen zunächst ihren Standpunkt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich.
Inhaltlich bleibt es dabei:
Man sollte den Unterschied zwischen "Gefahr" (hazard) und "Risiko" (risk) beachten.
Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommt (was ich für nicht hinreichend begründbar halte), dass Glyphosat für den Menschen krebserzeugend sein soll ("hazard"), so ist damit über die Höhe des Risikos ("risk") noch nichts gesagt. IARC führt keine Risikoabschätzung durch, nur eine Gefahrenbewertung. Das ist so, als würde man sagen: Mit heißem Wasser kann man sich verbrennen, oder: Mit einer Schere kann man sich verletzen. Was zweifelsohne richtig ist. Die entscheidende Frage ist aber: Wie groß ist das Risiko, und ab wann wird es unzumutbar?
Wenn man eine solche Risikoabschätzung für Glyphosat vornimmt und dabei die Daten der Tierversuche zugrundegelegt, so ergibt sich für den Bereich des in der neuen BfR-Bewertung formulierten ADI (acceptable daily intakes) bei lebenslanger täglicher Aufnahme von Glyphosat in Höhe dieses ADI ein Krebsrisiko in einer Größenordnung im Bereich von 1: 100.000. Solche Risiken gelten nach allgemeiner Einschätzung nicht als besorgniserregend.
Die tatsächliche Belastung liegt im Übrigen weit unter diesem ADI, das Risiko dementsprechend auch.
Die häufig geäußerte Forderung, alle krebserzeugenden Stoffe zu verbieten, ist auf den ersten Blick verständlich, läuft aber ins Leere. Es muss vielmehr darum gehen, die Risiken zu bewerten und einzuordnen und dann zu entscheiden, welche Stoffe bei ihrem Verwendung ein so hohes Risiko bergen, dass ihre Verwendung vermieden oder zumindest stark eingeschränkt werden muss.*
Aber solche detaillierten Betrachtungen eignen sich nicht dazu, Forderungen zu begründen, die aus rein politischen Gründen erhoben werden. Und die Forderung "Glyphosat verbieten!" ist eine solche Forderung. Deshalb lässt sich der Streit auch nicht durch noch so differenziertere toxikologische Bewertungen schlichten.
*Dazu noch ein Beispiel: Isoeugenol ist ein Stoff, der in Pflanzen weit verbreitet ist, unter anderem in zahlreichen Gewürzen.
Der Stoff wurde auf seine kanzerogenen Wirkungen im Tierversuch an Ratten und Mäusen untersucht, dazu erhielten die Tiere diesen Stoff zwei Jahre lang verabreicht.
Ergebnis [
Quelle):
"Isoeugenol is one of several structurally similar phenylpropenoid compounds produced by plants. It has been extracted from calamus, savory, basil, ylang-ylang, clove, tuberose, jonquil, nutmeg, tobacco, sandalwood, dill seed, mace, gardenia, petunia, and other flowers... As a fragrance with a spicy, carnation-like odor, isoeugenol is incorporated into numerous household and personal hygiene products, including perfumes, cream lotions, soaps, and detergents. As a flavoring agent, isoeugenol is added to nonalcoholic drinks, baked foods, and chewing gums. ...
There was equivocal evidence of carcinogenic activity of isoeugenol in male F344/N rats based on increased incidences of rarely occurring thymoma and mammary gland carcinoma. There was no evidence of carcinogenic activity of isoeugenol in female F344/N rats.
There was clear evidence of carcinogenic activity of isoeugenol in male B6C3F1 mice based on increased incidences of hepatocellular adenoma, hepatocellular carcinoma, and hepatocellular adenoma or carcinoma (combined).
There was equivocal evidence of carcinogenic activity of isoeugenol in female B6C3F1 mice based on increased incidences of histiocytic sarcoma."
Also dran denken, wenn ihr nächstes Mal Gewürze oder Parfüm verwendet oder Kaugummi kaut!