Vor drei Wochen lektüreseitig fertiggestellt, hier nun endlich mal noch paar Worte. Der positive Eindruck hat sich bestätigt, das Ganze ist für denjenigen, der sich im kaukasischen Umfeld ein bißchen auskennt, hochinteressant. Zudem sind die Schilderungen historisch wertvoll, weil Radde das Gebiet bereist hat, als es die ganzen grusinischen Teeplantagen noch nicht gab, statt dessen der heute fast ausgestorbene kolchische Urwald kilometerweit wucherte, die Sümpfe der Rioni-Ebene noch nicht trockengelegt waren und statt der Kurortkette von Suchumi bis Sotschi auch noch alles mit dichtem Wald bewachsen war, der nur dort, wo bis zur Zwangsauswanderung die Tscherkessen gesiedelt hatten, ein bißchen gelichtet worden war. Das Kapitel über die Waldschädlinge im Transkaukasus zählt Dutzende verschiedene Borkenkäfer und so manches andere gefräßige Etwas auf, und der Autor hat einerseits vieles von dem, was er beschreibt, mit eigenen Augen gesehen (im späten 19. Jahrhundert ja ein logistisch nicht einfaches Unterfangen, wenn man eine Fläche von Tausenden Quadratkilometern unterschiedlichster phytogeographischer Zuordnung und mit so mancher wegetechnischer Herausforderung, ob nun im Sumpf, im Urwald, in der Steppe/Halbwüste oder oben in den Bergen, zu untersuchen hat) und ist andererseits gut vernetzt, was die Arbeiten der Kollegen betrifft, die er auch jeweils ordentlich quellenseitig angibt.
Viele Tabellen und Statistiken reichern die verbalen Schilderungen an, und nur die Bilder können heutigen Reproansprüchen nicht so richtig genügen, wobei ich nicht einschätzen kann, ob die im Originaldruck von 1899 besser waren und die Grieseligkeit dem Reprint von 1976 zuzuschreiben ist (es sind etliche Aufnahmen von Vittorio Sella drin, und der gehörte im späten 19. Jahrhundert zu den Besten seiner Zunft, wird also wohl kaum schlechte Vorlagen geliefert haben). Von den 500 Seiten sind die letzten 50 (!) mit dem Register der Pflanzennamen bestanden, was für die enorme Dichte von solchen im Text spricht, der aber dennoch über weite Strecken noch vernünftig lesbar ist, sofern man darauf verzichtet, all die Namen (die natürlich nur bedingt auf heutigem taxonomischem Stand sind) in die heutigen zu „übersetzen“, was für den Wissenschaftler nötig und nützlich ist, für den Hobbybotaniker aber eher nicht.
Kurz und gut – ein Buch nur für einen überschaubaren Leserkreis, aber der wird viel Freude dran haben.
Das Ganze ist übrigens in eine von Adolf Engler und Oscar Drude herausgegebene Reihe namens „Die Vegetation der Erde“ integriert und stellt Band III derselben dar. Die scheint recht umfangreich zu sein; der 1923 erschienene Band „Die Pflanzenwelt der bolivischen Anden und ihres östlichen Vorlandes“ von Theodor Herzog beispielsweise trägt die Bandnummer 15. Es gibt auch nicht nur deutschsprachige Bände, sondern etwa auch „The vegetation of New Zealand“ von Leonard Cockayne als Band 14 in Englisch. Also weiterer Stoff für die Sammler historischer botanischer Abhandlungen
