"Betrachten Sie einmal, lieber Freund, einen acht oder zehn Tage alten Zinnienstrauß! Und betrachten Sie dann, während er noch manche Tage darüber hinaus weiter sich verfärbt und immer noch schön bleibt, betrachten Sie ihn jeden Tag einigemal recht genau! Sie werden sehen, dass diese Blumen, die in ihrer Frische die denkbar grellsten, trunkensten Farben hatten, jetzt die delikatetsten, müdsten, zärtlichst abgetönten Farben bekommen. Das Orange von gestern ist heute ein Neapelgelb geworden, übermorgen wird es ein mit dünner Bronze überhauchstes Grau sein. Das frohe bäurische Blaurot wird langsam von einer Blässe, wie vom Gegenteil eines Schattens überzogen, die müde werdenden Blattränder der Blüten biegen sich da und dort mit sanfter Falte um und zeigen ein gedämpftes Weiß, ein unaussprechlich rührendes, klagendes Graurosa, wie man es an ganz verbleichten Seidensachen der Urgroßmutter oder an alten erblindeten Aquarellen sieht. Und achten Sie, Freund, auch sehr auf die untereste Seite der Blütenblätter! ... Hier träumen verlorene Farben, die man sonst in der Blumenwelt nicht findet, seltsam metallische, mineralische Töne, Spielarten von Grau, Graugrün, Bronze, die man sonst nur an den Steinen des Hochgebirges oder in der Welt der Moose und Algen finden kann. ..."
(Auszug aus H. Hesse, Zinnien, 1928)
Dem schließe ich mich voll an!