Vor ca 4 Wochen habe ich meine Tafeltrauben geschnitten. Vor allen Dingen die Muscat bleu blutet sehr stark. Es tropft richtig von den Schnittstellen. Ist das normal? Bisher war mir das noch nie aufgefallen.
Das ist der Wurzeldruck, der auch als Blutungsdruck bezeichnet wird. Der wird überall offensichtlich, wo blind endende Wasserleitungsbahnen (Xylemelemente) noch nicht (etwa durch Kallus) verstopft sind. Viele krautige Pflanzen haben so was ständig an ihren Blattspitzen (etwa Erdbeeren oder Gräser), das kann man demnächst frühmorgens als sogenannte Tautropfen erleben, damit betreiben diese Pflanzen auch die Ausscheidung nicht benötigter Mineralstoffe.
Bei vielen Gehölzen wird der Blutungsdruck nur zur Vorbereitung des Austriebes der Blätter wirksam; sobald diese sich entfalten, wird der weitere Wassertransport durch den Verdunstungssog der Blätter aufrecht erhalten.
Im Frühjahr enthält der Blutungsdruck aber auch mobilisierte Reserven aus der Wurzel, insbesondere Zucker, Aminosäuren und Pflanzenhormone (etwa Cytokinine). Das wissen die Liebhaber von Ahornsirup zu schätzen, aber auch Birkenhaarwasser ist nicht nur Wasser.
Weinreben und andere Lianen haben die Besonderheit, dass sie während der gesamten Vegetationszeit Austrieb-bereit sind und den Blutungsdruck erst bei tiefen Temperaturen zeitweilig wieder einstellen. Die Schnittstellen sind dann so etwas wie ein Überdruckventil, aber die unterhalb der Schnittstellen liegenden Knospen haben sich mit Nährstoffen bereits vollgesaugt, bevor der Blutungssaft die Pflanze verlässt. Das wird dann auch bald zu sehen sein
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