Fortsetzung II:
An besonders geschützten Stellen sind kleine braune Rücken erkennbar, die unter sich etwas Gelbes verborgen halten, als hielten sie es für verfrüht, ihre Schätze vorzuzeigen. Es handelt sich um die besonderen Schützlinge meiner Frau, um Eranthis hyemalis. Inzwischen haben wir durch Selbstaussaat und nachbarliche Geschenke (wir rufen immer unisono „Ja“, wenn schon mal einer fragt, ob wir...), auch durch einige Zukäufe einen beachtlichen Bestand aufgebaut. Das Wort „genug“ habe ich von meiner Frau bisher allerdings noch nicht vernommen. Leider haben wir bisher lediglich diese eine, einheimische Art. Das ebenfalls gut verbreitete E. cilicica oder gar die Hybride x tubergenii „Guinea Gold“, die nicht nur hoch gelobt, sondern ebenso hoch bepreist ist, fehlen uns hingegen. Aus China hatte ich 3 winzige Knöllchen, man konnte sie für Vogelkot halten (was die Würmchen vermutlich auch so sahen, weshalb sie kurzen Prozess machten), die für einen Sommer etwas Grünes, was vermutlich Blätter sein oder werden sollten, vorzeigten, sich dann aber auf Nimmerwiedersehen verabschiedeten. Es soll sich um Eranthis stellata gehandelt haben. Ich will es glauben, aber dennoch hoffen, dass mein Leben jetzt nicht deutlich ärmer ist.
Die Schneeglöckchen halten sich derzeit noch vornehm zurück. Durch intensivstes Hamstern verfügen wir inzwischen über mehrere Legionen, von denen wir Kohorten unter Büsche und Bäume verteilt haben, von wo aus sie selbst inzwischen etliche Manipel ausgesandt haben. So erobern die Schneeglöckchen allmählich aber mit Stetigkeit unseren Garten. Ein paar Wildarten wurden inzwischen hinzugesellt, wie z.B. G. elwesii und G. ikariae latifolius. Allerdings zweifle ich, ob sie „echt“ sind. Zumindest stimmen Beschreibung in der Literatur und Aussehen oft nicht überein. Aber vielleicht irrt ja die Literatur. Doch ist das nicht weiter schlimm. Die Reingeschmeckten erreichen meines Erachtens ohnehin nicht den Charme der Eingesessenen. Es gibt Grenzen meines gärtnerischen Ehrgeizes. Wenn ich mich erst flach auf den Bauch legen muss, um so einem unschuldigen Blümelein unter den Rock zu gucken, als sei ich ein alter Voyeur, damit ich die Rüschen und Farbringe zu zählen vermag, dann hört für mich der Spaß ein wenig auf. Und wenn einer fragt, ob ich denn habe, sage ich einfach ja. Mag er sich doch in den Dreck legen und mich der Lüge überführen.
Ebenfalls sehr zaghaft hebt auch das Leberblümchen (Hepatica nobilis) schon mal den ganz kleinen Finger. Eigenartigerweise ist es immer das Weiße, das vornweg marschiert. Es zeigt meist nur eine einzelne Blüte, um sich anschließend wieder für etliche Wochen zu verkriechen. Dann werden wieder mehrere Sterne nachgeschoben, ohne aber in Üppigkeit auszubrechen. Eine etwas spröde Schönheit, die die Sehnsucht nach ihr durch starke Zurückhaltung zu steigern vermag. Das weiße Leberblümchen ist ein Mitbringsel aus dem Wallis. Vor über 25 Jahren fand ich in einem Gebüsch in etwa 1.500 Meter Höhe einen größeren Bestand, von dem ich ein Pflänzchen mitnahm. Ich kann nicht sagen, ob eines der beiden, die derzeit noch in meinem Garten sind, die Urpflanze ist, was ja eine sensationelle Langlebigkeit bedeuten würde, oder ob es sich nur um Nachkommen handelt. Beider Konstitution ist leider deutlich schwächer, als die ihrer blauen Verwandten.
Der einheimische Seidelbast (Daphne mezereum) hat ebenfalls ein paar Blüten geöffnet, als wolle er testen, ob man es schon wagen könne. Üppig dagegen fällt dieses Jahr der gelbe Tusch der Zaubernüsse aus. Insbesondere die Sorte „Pallida“, ein Blüten-Garant, scheint sich außerordentlich anzustrengen. Leider sind meine drei Sträucher noch klein und bieten kein sonderlich spektakuläres Bild. Meine am Niederrhein lebende Schwester hat auf ihrem Grundstück einen mehrere Meter hohen Großstrauch, der einem in voller Blüte den Atem rauben kann.
So hat sich die anfängliche Depression in freudevolle Erwartung verwandelt. Es genügt eben eine recht kurze milde Periode, um gleich alles sprießen zu lassen. Das ist schon ein Wunder. Das Betreten den Beete verbietet sich von selber. So scharf können die Augen gar nicht sein, um alle Sprossen, die sich langsam hoch schieben, zu erspähen. In einigen Tabu-Zonen habe ich die besonderen Pflanzenschätze zusammengefasst. Zu ihnen gehören zwei neue Paeonia tenuifolia aus dem Göttinger Botanischen Garten. Ehrlich erworben, möchte ich nur betonen, bevor sich hier ein paar finstere Gedanken einschleichen. Die wahren Kostbarkeiten aber haben die drei Steingärten aufgenommen, in denen es auch bereits unruhig zu werden beginnt. Der eine oder andere Steinbrech wurde offenbar schon mal vorgeschickt, mit Einzelblüten die Lage auszuloten. Ich hoffe, dass es für die Schnecken noch zu früh und zu kalt ist.
Liebe Gartengrüße
Hortulanus