„Armer Baum! - an deiner kalten Mauer
fest gebunden, stehst du traurig da,
fühlest kaum den Zephir, der mit süßem Schauer
in den Blättern freier Bäume weilt
und bei deinen leicht vorübereilt.
O! Dein Anblick geht mir nah!
und die bilderreiche Phantasie
stellt mit ihrer flüchtigen Magie
eine menschliche Gestalt schnell vor mich hin,
die, auf ewig von dem freien Sinn
der Natur entfernt, ein fremder Drang
auch wie dich in steife Formen zwang.“
(Sophie Brentano)
Es soll sehr kleine Gärten geben, die angeblich keinen Platz für Bäume haben. Ich kenne solche kleinen Grundstücke nicht. Selbst wenn ich nur einen Balkon-Garten hätte, würde ich zumindest einen Baum in einem hübschen Terrakottatopf halten.
Bäume unterscheiden sich nicht nur in Habitus und Substanz von den übrigen Pflanzen des Gartens. In Bäumen schlummert eine andere Kraft, als in Stauden oder Sträuchern. Selbst klein bleibende, zierliche Baumarten vermitteln diese innewohnende Stärke, die sie lediglich um anderer Vorzüge willen nur etwas zurückgenommen zu haben scheinen – so als hätten sie es nicht nötig, ihr eigentliches Wesen unter Beweis zu stellen. Wer einen filigranen japanischen Fächerahorn betrachtet, erahnt in ihm seine mächtigen Verwandten. Der zarte Habitus ist lediglich seine besondere, herausragende Art, sich zu geben, für die er - allein der Schönheit willen - auf Teile seines Erbes bewusst verzichtet hat.
Die Beziehung der Menschen zu Bäumen hat eine ganz besondere Prägung. Der Baum ist eben nicht nur Nutzpflanze, die man abernten oder in Form von Furnierholz weiterverarbeiten kann. Menschen begeben sich in den Schutz von Bäumen. Sie pflanzen sie als Wächter, Mahner und Verteidiger neben ihre Häuser, an Gedenkstätten oder an Berghänge. Wälder sind mehr als eine Ansammlung von Gehölzen. Bäume haben eine Geschichte, die wir aus Erzählungen kennen, die oftmals weiter zurückreichen, als die Erinnerung unserer Vorfahren und deren Ahnen. Viele Baumarten genießen religiöse Verehrung, sind Sitz von Göttern und Geistern oder gelten einfach als Symbol des Ewigwährenden, der Beständigkeit und des Wohlstandes. In der Antike wurden viele Kriegsgräuel mit einem gewissen Fatalismus erduldet. Doch wehe, der Feind legte die Axt an die Ölbäume. Wir sprechen vom Baum des Lebens und schnitten früher das Bekenntnis zu unserer jeweiligen Liebe, als sollte jede von diesen ebenfalls ewig dauern, vorzugsweise in die glatte Rinde der Rotbuche. Leider ist dieser Brauch fast in Vergessenheit geraten.
Deshalb gibt es kein Wenn und Aber: In einen Garten – und sei er noch so klein – gehört ein Baum. Punktum.
So, die Bäume wurden genug gelobt. Es bringt auch wenig, noch tiefer in die dendrologische Mystik einzutauchen. Das konnte Hermann Hesse deutlich besser, als er arg tiefsinnig dichtete
„Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen...
Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende,
nichts anderes ist meine Sorge...“
Entweder springt der Funke der Sehnsucht über, wenn man erwachsene Bäume betrachtet und die Phantasie gibt einem in der Baumschule, in dem Gartencenter ein, wie diese Jungpflanzen eines Tages sein werden, oder man sieht in Bäumen auch weiterhin nur ein Begleitgrün oder lediglich Strukturpflanzen des Gartens und nicht sehr eigenständige und manchmal auch sehr eigenwillige Charaktere. Wer bereits bei dem Kauf eines Baumes an Schnitt- und Stutzungsmaßnahmen denkt (Obstgehölze seien als Nutzpflanzen ausdrücklich ausgenommen), sollte sich lieber für etwas anderes entscheiden. Das, was Japaner mit Bäumen veranstalten – ich mache keinen Hehl aus meiner Abneigung – kommt einer Vergewaltigung der Natur gleich. Wer Kugel-was-auch-immer in seinen Garten holt, animiert die Züchter, der Natur Handschellen anzulegen. Das sind keine Bäume mehr, das sind Pflanzenkrüppel. Der englische Topiary-Garden, das sind die figürlich zurechtgestutzten Buchs- oder Eibensträucher, entstammen einer anderen Tradition, die spielerisch mit Pflanzen und anderen Gartenelementen umgeht. Es ist eine Frage des Geschmacks, diese oftmals manierierten Verzierungen schön zu finden.
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