Sichtschutz hin oder her, es erschließt sich mir nicht, warum man sein Grundstück so gefängnisartig einfrieden muss, dass ja keiner sieht, was dort im Garten oder im Haus vorgeht. Wer bei mir in Haus und Garten glotzen will, soll das tun. Für den Fall, dass man einmal nicht gesehen werden will, kann man immer noch die Vorhänge zuziehen oder sich auf einer wie auch immer vor Einblicken geschützten Terrasse o. ä. aufhalten.
Ich bin kein Freund von hohen Schnitthecken oder Mauern, aber ich kenne einige Menschen hier, die gute Gründe haben, ihr Grundstück abzuschotten:
- der häuftigste ist eine Lärmschutzwand zur Straße hin, weil aus der früher einmal beschaulichen Nebenstraße eine viel befahrene Zubringerstraße zu einem neu erschlossenen Wohngebiet dahinter geworden ist;
- hier in der Nachbarschaft wurde vor einem Haus eine Bushaltestelle errichtet - die Fogle war der völlige Verlust der Privatheit im Garten plus große Mengen an über den Zaun geworfener Abfall inkl. Zigarettenstummeln - selbst eine Hecke war auf Dauer keine Lösung (wurde als Mülldeponie genutzt) und erst seit die Mauer steht, ist wieder Ruhe;
- nebenan wohnt ein homosexuelles Paar; je mehr sie nach außen zeigen, desto heftiger werden sie kritisiert - ein paar Straßen weiter geht es einer Familie mit einem behinderten Kind genauso (das Kind ist geistig behindert und benimmt sich zeitweise recht auffällig);
Ganz abgesehen davon, daß es solche rationalen Gründe für das 'Abschotten' gibt, scheint das Bedürfnis nach Privatheit in der heutigen Zeit größer zu sein. So 'krank' wie das hier dargestellt wird, ist das keineswegs - in der arabischen Gartenkultur ist eine hohe Mauer um den Garten normal und niemand bekrittelt das dort.
Anstatt sich so sehr auf Abstände und dergleichen zu fixieren, sollten Bebauungspläne viel öfter die Art und Weise der Einfriedung festlegen. Ob nun große oder kleine Grundstücke, spielt eigentlich keine Rolle, aber eine Einfamilienhaus-Siedlung soll ja einen bestimmten Charakter haben, nämlich eine offene Bauweise, und da sind hohe Mauern oder blickdichte Hecken und Zäune fehl am Platz...
Wer bestimmt denn Deiner Meinung nach den Charakter, den eine Einfamilienlhaus-Siedlung haben soll? Wenn sich die Bedürfnisse der Menschen ändern, müssen sich wohl zwangsläufig mit der Zeit auch die Vorstellungen über 'Charakter' mit ändern - oder sollen wir heute noch so wie vor 200 Jahren leben? Wir leben in einer Demokratie - da entscheiden nicht einige 'Spezialisten' über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, auch wenn der Geschmack der Masse Deinen nicht trifft, darf sie doch auch nach ihrer Fasson leben.
Nochmal: ich bin ganz sicher kein Fan von Mauern und Schnitthecken, aber die Freiheit, die ich mir nehme, in dem ich eine offene Gestaltung meiner Gartengrenzen wähle, gestehe ich auch anderen zu, die sich lieber abschirmen. Im übrigen kann man auch hinter Mauern ganz bezaubernde Gärten antreffen - die Pauschalverurteilung dieser Art der Einfriedung als Fehlen jeglicher Gartenkultur halte ich für unangemessen und überzogen - ein repräsentativer 'Angebergarten' gestaltet in einer gerade angesagten Stilrichtung mit freier Sicht auf teure Gartengestaltung wirkt auf mich nicht sympathischer.