Ich hab' mal aus dieser Übersichtsarbeit
"Autumn Colours – Nature’s Canvas is a Silk Parasol - The Adaptive Value of Autumn Foliage" (pdf)
und ein paar anderen Angaben die wesentlichen Aussagen zum Thema
"Was passiert bei der Herbstfärbung und warum?"
zusammengestellt. Einiges davon dürfte allgemein bekannt sein, ich hab's trotzdem mal mit hingeschrieben:
- Die grüne Blattfarbe ist auf das Chlorophyll zurückzuführen. Dieses absorbiert rotes und blaues Licht, damit bleibt grün übrig.
- Außer Chlorophyll sind im Blatt weitere Farbstoffe, die Carotinoide, vorhanden, von denen die meisten gelb und einige kräftig rot gefärbt sind.
- Im Herbst baut die Pflanze das Chlorophyll ab, wodurch die grüne Farbe verschwindet und die gelbe hervortritt.
- Beim Abbau des Chlorophylls wird der darin enthaltene Stickstoff in Form löslicher stickstoffhaltiger Verbindungen (u. a.) vom Blatt in Stamm (in die Rinde) und Wurzel geschafft und dort gespeichert. Damit gewinnt die Pflanze zumindest einen Teil des lebensnotwendigen Stickstoffs, der ja für Pflanzen normalerweise immer knapp ist, zurück. Auch Kalium, Schwefel, Magnesium und Phosphor werden "recycelt".
- Die gelben und roten Carotinoide bestehen hingegen nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff und geringen Anteilen Sauerstoff, enthalten aber keinen Stickstoff und sind deshalb weniger "wertvoll".
- Dieser Stofftransport findet im Phloem statt, also in den "Saftleitungsbahnen" in der inneren Rinde (nicht im Holz). Dieser Transport funktioniert aber nur dann, wenn "oben", d.h. im Blatt, Zucker produziert wird, der aktiv - unter Energieaufwand - in die Leitungsbahnen eingespeist und "unten", also in Rinde und Wurzel, wieder aufgenommen wird. Auf diese Weise wird ein Flüssigkeitsstrom erzeugt, in dem andere Stoffe gelöst mitschwimmen.
- Der Zuckervorrat im Blatt ist zu gering, um diesen Prozess von sich in Gange zu halten. Deshalb muss dauernd neuer Zucker produziert werden, was nur durch Fotosynthese möglich ist.
- Damit ergibt sich für die Pflanze ein erstes Dilemma: Einerseits wird das Chlorophyll abgebaut und steht für die Fotosynthese nicht mehr zur Verfügung, andererseits muss diese zumindest in einem gewissen Umfang weiterlaufen, damit der Stofftransport aus dem Blatt nicht zum Stillstand kommt.
- Und ein zweites: Hohe Lichteinstrahlung bei zugleich verminderter Kapazität des Fotosyntheseapparats führt dazu, dass durch das Licht reaktive Sauerstoffverbindungen gebildet werden, die für Zellen sehr schädlich sind und sie zerstören.
- Dagegen helfen die vorhandenen gelben und roten Farbstoffe, die diese reaktiven Sauerstoffverbindungen unschädlich machen. Die Bildung dieser Farbstoffe im Blatt als Lichtschutz wird somit angekurbelt.
- Daneben gibt es ein zweites, zusätzliches System durch Neubildung dunkelroter Farbstoffe (so genannter "Anthocyane"), die ebenfalls die Zellen vor den genannten Schäden schützen können.
- Die Blattfärbung im Herbst hängt somit ab:
_ von der Geschwindigkeit und dem Umfang des Chlorophyllabbaus,
_ vom Verhältnis gelber und roter Carotinoide untereinander und
_ deren Verhältnis zur Menge der Anthocyane, und
_ im Endstadium eines Blatts vom Ausmaß der Oxidation von Blattfarbstoffen, die zu gelbbraunen bis braunen, manchmal auch fast schwarzen Oxidationsprodukten führt.
Damit ist schon angedeutet, dass vielfältige Einflussfaktoren den Verlauf der Herbstfärbung beeinflussen können. Zum einen bestehen genetisch bedingte art- und individuenspezifische Unterschiede in der Fähigkeit, diese Farbstoffe zu bilden.
Aber auch bei genetisch identischen Gehölzen (Klonen) und selbst an ein und derselben Pflanze beobachtet man bekanntlich Unterschiede in der Herbstfärbung.
Insgesamt kommt Einiges an Faktoren zusammen, dass bei der herbstlichen Laubfärbung mitspielt:
- das Blattalter: Ältere Blätter sind schlechter in der Lage, mit den Veränderungen im Herbst (hoher Lichteinfluss bei sinkenden Temperaturen) "umzugehen" als jüngere. Die Laubfärbung setzt daher zuerst bei den älteren Blättern ein.
- Blätter, die stärkerem Lichteinfluss und - vor allem - größeren Temperaturschwankungen ausgesetzt sind (also meist im äußeren Kronenbereich), zeigen eine frühere und stärkere Herbstfärbung als solche, die (im inneren Kronenbereich) weniger exponiert sind.
- die beiden eben genannten Einflussfaktoren sind oft gegenläufig (die jüngsten Blätter sind an den Triebspitzen ganz außen). Folge ist oft ein komplexes Muster, je nachdem, welcher Einfluss stärker ist.
- in Jahren, in denen sich infolge kalter Witterung im Frühling der Laubaustrieb verzögert hat, setzt die Herbstfärbung später ein als in Jahren mit normaler Austriebzeit.
- Wasserstress (Trockenheit) verstärkt bzw. beschleunigt die Blattalterung und damit die Herbstfärbung.
- die Färbung beginnt meist in den äußeren Blattbereichen. Die Blattteile um die größeren Blattadern und die Mittelrippe bleiben oft länger grün. Damit ist der Abtransport der recycelten Reservestoffe aus dem Blatt sozusagen bis zum Schluss gesichert.
- gelbe Farbstoffe sind stets vorhanden, die Menge roter Carotinoide wird durch Lichteinfluss und Temperatur stark beeinflusst und kann durch Neusynthese sehr schnell verändert werden. Fördernd sind hohe Lichteinwirkung tagsüber und große Unterschiede zwischen Tag und Nacht.
- die Funktion von Anthocyanen als Oxidationsschutz hängt, anders als bei roten Carotinoiden, nicht davon ab, dass im Blatt bestimmte Enzyme noch funktionsfähig sind. Bäume, die Anthocyane im Herbstlaub bilden, mindern daher ihren Energieaufwand, wenn sie zum Schluss vor allem Anthocyane bilden. Das erklärt, wieso die Färbung bis zum Blattfall häufig von Gelb zu immer intensiveren, dunkleren Farbtönen wechselt.
- Pioniergehölze und ausgesprochene Lichtholzarten sind an hohe Lichteinstrahlung adaptiert. Solche Arten (Birken, Pappeln, Lärchen!, z. T. Weiden) zeigen im Allgemeinen leuchtend gelbe Herbstfärbung. Sie können sich die Bildung zusätzlicher Schutzfarbstoffe offenbar "sparen" und zeigen daher keine rote Herbstfärbung, die auf die zusätzliche Bildung von roten Carotinoiden oder Anthocyanen zurückgeht.
- Bei Gehölzen, die eher typische Waldbäume sind, erfolgt eine aktive Synthese der genannten roten Farbstoffe. Diese Synthese wird durch Licht induziert.
Letzteres kann man ausprobieren: Deckt man bei einem noch grünen Blatt einen Teil ab, bevor die Herbstfärbung einsetzt, so bleibt dieser Teil grün, auch wenn der Rest des Blattes sich rot färbt. Dazu findet man auf der letzten Seite des genannten Berichts ein schönes Beispiel! Selbst nachschauen!
So, ich hoffe, das war zum einen nicht zu kompliziert, zum anderen aber so geschrieben, dass man einen Eindruck davon bekommt, dass so etwas scheinbar simples wie die herbstliche Laubfärbung doch ganz schön verwickelt ist.
Vielleicht ist der Thread oder dieser Beitrag in der Sparte "Botanik" besser aufgehoben?