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News: Uaaaahh ... ich fühle ein neues Virus herannahen und ich sitze quasi im Epi-Zentrum  ;D. (chlflowers)

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|27|3|Nicht alles, was (auf Unwissende) "bescheuert" wirkt, ist tatsächlich Unfug. (Anonymes Zitat aus einem Thread bei den "Gartenmenschen" bei garten-pur)

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Autor Thema: Was ist das?  (Gelesen 853341 mal)

lerchenzorn

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Re: Was ist das?
« Antwort #9255 am: 24. August 2023, 06:41:59 »

Ich muss meinen letzten Beitrag präzisieren: Die "Art" ist ein Modellbegriff. In der Natur sind Arten nach unserem Begriff nicht zu finden. Was wir finden können, sind Populationen von Pflanzen. Je nach dem Begriff, den BotanikerInnen von einer bestimmten Art haben, wird eine Menge von Populationen zu dieser Art zusammengefasst und werden andere Populationen ausgeschlossen. Wie groß diese Menge ist, worin die Populationen übereinstimmen und wie sie sich gegen andere Populationen abgrenzen lassen, die wir zu anderen Arten stellen, ist eine Frage der wissenschaftlichen Klärung und der daraus gewonnenen Auffassung. Diese Auffassung kann unter den WissenschaftlerInnen voneinander abweichen und sie kann sich im Laufe der Zeit durch Erkenntniszuwachs ändern.

Alcea ficifolia wird von World Flora Online tatsächlich für den Iran als ursprünglich angesehen. Das Portal folgt darin der Bearbeitung der Malvengewächse in der Flora Iranica durch Riedl (1976). World Flora Online gibt immer auch abweichende taxonomische Auffassungen ("alternative taxonomy") an. In diesem Fall sind das die Florenwerke, die als Alcea ficifolia bezeichnete Pflanzen in Alcea rosea einbeziehen.

Warum die Flora Iranica Alcea ficifolia als im Iran ursprüngliche Art betrachtet, ist eine interessante Frage. Ich kann das gelegentlich nachlesen, wenn ich wieder mal in die Bibliothek komme. Ebenso interessant ist, welchen Typus eine jüngste Veröffentlichung in der Zeitschrift Taxon für den Namen Alcea ficifolia bestimmt hat. Auf diesen Typus (meistens ein ausgewählter Herbariumsbeleg) wären alle unter Alcea ficifolia zusammenzufassenden Populationen zu beziehen, sollen also in den entscheidenden Abgrenzungsmerkmalen damit übereinstimmen. Wenn es sich um einen Beleg handelt, der aus einem von Linné genutzten Herbarium stammt, könnte er aus europäischen Gartenkulturen stammen. Ob die im Iran wild wachsenden Bestände mit den im 18. Jahrhundert in Europa kultivierten Pflanzen so weit übereinstimmen, dass sie sich gemeinsam gegen andere Alcea-Arten abgrenzen lassen, wäre dann ein entscheidender Gesichtspunkt.

Was die von Dir gezeigte Pflanze aus Deinem Garten ist, musst Du anhand der Herkunft klären. Wenn Du aus iranischen Wildaufsammlungen stammendes Saatgut ausgesät hast, dann ist es eine Auslese aus diesen dort wild wachsenden Populationen. Wenn es handelsübliches Saatgut war oder Du die Pflanze im Staudenhandel gekauft hast, ist es eine Form der schon lange in Europa kultivierten Pflanzen. Auch diese können, wenn sie sich aus Verwilderungen fest einbürgern oder wenn sie sich in gärtnerisch beeinflusster Umgebung lange Zeit durch Aussaat selbst erhalten, Populationen bilden und Artstatus erlangen. Ob das dann Alcea ficifolia oder Alcea rosea ist, entscheidet jede/r für sich nach seinem Glauben und Vertrauen in die von ihm / ihr genutzten Grundlagen.
« Letzte Änderung: 24. August 2023, 08:13:16 von lerchenzorn »
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lerchenzorn

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Re: Was ist das?
« Antwort #9256 am: 24. August 2023, 07:00:41 »

... , dass ich reine botanische Arten sammeln möchte, die sich selbst fortpflanzen, so auch in der Natur vorkommen könnten und nicht bewusst durch gierige Gärtner verändert wurden. ...

Dabei solltest Du bedenken, dass allein schon mit der Übernahme von Pflanzen (als Einzelpflanzen, als Samen, als anderes Vermehrungsgut) in die Gartenkultur etwas von dem verloren geht, was die Vielfalt der Pflanzen der in dieser Art zusammengefassten Populationen ausmacht. Es tritt immer eine Selektion ein. Wir sammeln niemals Arten, sondern ausgelesene Exemplare, ganz gleichgültig, ob nach bestimmten Merkmalen oder unbewusst. Also eigentlich Abziehbilder oder Muster, die nie die Breite und Vielfalt der wild wachsenden Populationen repräsentieren. Letztendlich geben wir die "Art" damit auf, weil deren Status immer an das Vorhandensein von Populationen geknüpft ist.
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lerchenzorn

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Re: Was ist das?
« Antwort #9257 am: 24. August 2023, 07:18:48 »

... BotanikFaschismus. ...

Die Verknüpfung von Taxonomie und Naturschutz mit politischen Begriffen und der Rassismuskritik finde ich (immer) problematisch. Es gibt gute Gründe für den Schutz der örtlichen Populationen von Pflanzen in ihrer genetischen Identität. Als Ergebnisse einer mehr oder weniger lang dauernden Evolution sind diese örtlichen Populationen die Träger der biologischen Vielfalt. Ihre spezifischen (genetischen) Eigenschaften versetzen sie unter anderem in die Lage, sich unter den örtlichen Bedingungen langfristig zu behaupten.

Menschliche Gesellschaften und Individuen behaupten und arrangieren sich aber nicht hauptsächlich aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften, sondern (hoffentlich ganz überwiegend) mit den Mitteln der Zivilisation und der Kultur. Beides fehlt den natürlichen Systemen, in denen Pflanzenpopulationen überleben müssen. Deshalb sollten Fragen der genetischen Identität in natürlichen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen niemals vermischt und das eine aus dem anderen heraus weder begründet noch abgewertet werden.
« Letzte Änderung: 24. August 2023, 07:48:46 von lerchenzorn »
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Staudo

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Re: Was ist das?
« Antwort #9258 am: 24. August 2023, 07:29:26 »

die "reine" Arten Gärtnerei ist ja noch eine Steigerung der "echte" Arten Liebhaberei.

Ich bezeichne die von mir kultivierten Polygonatum odoratum und Polygonatum multiflorum auch als „echt“, weil sie vom Wildstandort stammen und mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Gartenhybriden sind.  :) Dass es die Polygonatum multiflorum nicht gibt, ist mir dabei durchaus klar. Und dann gibt es noch falsch benannte Pflanzenarten. So war mein erster Bestand von Polygonatum odoratum in Wirklichkeit Polygonatum latifolium. Anekdotenhaft gibt es obendrein Schreibfehler und Sauklauen der Gärtner. Vor dreißig Jahren kaufte ich bei einem Staudengärtner Helianthemum 'Amchill Plenum'. Später schrieb ich 'Amabile Plenum' an den Klon, jetzt 'Rubin'. Dank Inken weiß ich, dass Aster ptarmicoides 'Mago' nichts anderes ist als die Sorte 'Major'.
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„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck

Staudo

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Re: Was ist das?
« Antwort #9259 am: 24. August 2023, 07:38:13 »

Wir sammeln niemals Arten, sondern ausgelesene Exemplare, ganz gleichgültig, ob nach bestimmten Merkmalen oder unbewusst.

Ein sehr schönes Beispiel sind Schneeglöckchen. Bei denen gibt es eher tuffbildende, sich also stark vegetativ vermehrende Typen, als auch sich eher vegetativ, also durch Samen vermehrende Exemplare. Während erste zur Blütezeit dicke weiße Büschel bilden, blühen die zweiten eher einzeln und in Laub und Gras verstreut. Wenn man nun Schneeglöckchen für den Garten haben will, welche wird man ausbuddeln?
Sammler wiederum werden bei den einzeln stehenden Exemplaren nach Abweichlern schauen und denen evtl. einen Sortennamen um den Hals hängen.
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polluxverde

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Re: Was ist das?
« Antwort #9260 am: 24. August 2023, 07:46:24 »

Gute, sachlich fundierte und emotionsfreie  Replik von lerchenzorn . Jeder user hier hat eine individuelle Art des Umgangs mit ihrem / seinem Garten ,
das ist auch gut so, sonst hätten wir ja  republikweit den Einheitsgarten  nach DGN .
Pflanzenauswahl, Glyphosat, PSM, Laubsauger  etc  sind  nur Beispiele, wo hier im Forum  die Ansichten zum Teil  weit  auseinandergehen  -  entscheidend bleibt immer  aber  die  Bereitschaft, die Meinung der / des anderen  zu  analysieren und  in der Konsequenz auch eigene  Ansichten ggf  zu  hinterfragen / zu ändern.

Die Atmosphäre hier ist  also nicht immer  chillig  ( aber meistens, und ich fühle  mich  ganz  wohl in ihr )
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Rus amato silvasque

Nox

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Re: Was ist das?
« Antwort #9261 am: 24. August 2023, 09:19:51 »

Danke lerchenzorn, da hast Du Dir viel sachliche Arbeit gemacht, um auf unsachliche Anwürfe zu reagieren. Sehr interessant !
Früher erschien mir der Artenbegriff enger gefasst, und angesichts der vielen Rassen und Hybriden dachte ich so bei mir, dass die Grenzen zischen den Arten eher fliessend sein müssten. Das ist heute anscheinend etablierter Stand der Wissenschaft.
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Lustig das Beispiel mit Alcea ficifolia. Irendwo in den Tiefen des Forums schrieb mal jemand, die seien robuster gegen den Malvenrost.
Saatgut jedoch war unauffindbar - jetzt weiss ich auch, warum.
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Extremkompostierer

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Re: Was ist das?
« Antwort #9262 am: 24. August 2023, 10:24:49 »

... , dass ich reine botanische Arten sammeln möchte, die sich selbst fortpflanzen, so auch in der Natur vorkommen könnten und nicht bewusst durch gierige Gärtner verändert wurden. ...

Dabei solltest Du bedenken, dass allein schon mit der Übernahme von Pflanzen (als Einzelpflanzen, als Samen, als anderes Vermehrungsgut) in die Gartenkultur etwas von dem verloren geht, was die Vielfalt der Pflanzen der in dieser Art zusammengefassten Populationen ausmacht. Es tritt immer eine Selektion ein. Wir sammeln niemals Arten, sondern ausgelesene Exemplare, ganz gleichgültig, ob nach bestimmten Merkmalen oder unbewusst. Also eigentlich Abziehbilder oder Muster, die nie die Breite und Vielfalt der wild wachsenden Populationen repräsentieren. Letztendlich geben wir die "Art" damit auf, weil deren Status immer an das Vorhandensein von Populationen geknüpft ist.

Danke für Deine kompetenten Erklärungen Lerchenzorn.
Naturschützer wollen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet erhalten.
Die Kultivierung im Garten führt immer zu einer künstlichen Veränderung,und ist damit höchstens 2. Wahl , aus Naturschutzsicht.
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Starking007

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Re: Was ist das?
« Antwort #9263 am: 24. August 2023, 10:37:00 »

"...Naturschützer wollen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet erhalten...."

Im Grunde wollen wir das Alle.
Natürliche Verbrietungsgebiete sind in stetem Wandel,
dazu noch die Arten selbst.
Von Natur aus und vom Menschen gemacht.

So mancher Extremismus - ich zähle sogar Insektenhotels dazu - macht oft mehr Schaden als Nutzen.

PS: Ich bin Naturschützer, seit Jahrzehnten, aktiv, in übergeordneter Ebene und draussen in der "Natur".

Viel ist kleinliches Gepopel, das nur das eigene Gewissen beruhigt, ablenkt.

Und Ja, ich liebe meine gefüllten Blüten, auch wenn sie den Planeten ruinieren ;-)
« Letzte Änderung: 24. August 2023, 10:38:45 von Starking007 »
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Gruß Arthur

Blush

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Re: Was ist das?
« Antwort #9264 am: 24. August 2023, 10:47:09 »

Ich schließe mich dem Dank an lerchenzorn an. Die Mühe, die Du Dir gibst, lerchenzorn, fundiert, sachlich und dabei zugewandt zu argumentieren und zu informieren, schätze ich sehr! Nicht nur in diesem Thema, sondern auch in vielen anderen. Und ich hoffe, Primalcrux, dass Du dies vielleicht noch einmal überdenkst.
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"Der andere könnte recht haben."
        Frei nach Frank Elster

Sarracenie

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Re: Was ist das?
« Antwort #9265 am: 24. August 2023, 11:21:09 »

Hi Primalcrux,

naja, selbst von Dir sogenannte "kaputtgezüchtete" (Hybrid-Hochzuchtformen) genannten Pflanzen fallen durch Selbstaussaaten nach jahren/jahrzenten durchaus wieder in einen typischen Wildcarakter zurück wenn sie läßt ;D

meine vor über 35 Jahren mal in den einstigen Rasen gesetzten Horste von großblumigen dunkelvioletten Hochzuchtkrokusse z.B. sind nach und nach alle wieder verschwunden, dafür tummeln und vermehren sich über Selbstaussaat heute kleinblütige, blasslila sehr formfeste "Wildkrokusse" in der "Wiese" die aus den "kaputtzüchteten" großen dunkelvioletten Gartenkrokussen wieder hervorgegangen sind nach dort einer/mehrere wohl mal Samen ausgebildet hatten;D

MfG Frank
« Letzte Änderung: 24. August 2023, 11:28:40 von Sarracenie »
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Hyla

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Re: Was ist das?
« Antwort #9266 am: 24. August 2023, 12:05:14 »

Daß gefüllt blühende Pflanzen keinen Nutzen haben, ist ein beliebter Irrtum. Es ist richtig, daß sie häufig keinen Pollen liefern, weil die Staubblätter in Blütenblätter umgewandelt sind. Sie geben aber trotzdem häufig Nektar ab, was wieder Flugbenzin für viele Insekten ist.  Man sollte seinen Garten nicht mit ihnen zupflastern, aber ein gewisser Prozentsatz ist für die Umwelt erträglich.
Dasselbe trifft auch auf z.B. Rhododendren zu. Es gibt durchaus Arten und Sorten, bei denen ein geschäftiges Treiben herrscht. Ich habe da schon total begeisterte Hummelgruppen beobachten können, die da ein regelrechtes Fest gefeiert haben.

Vielleicht hilft da meine Beobachtung, daß man die Pflanzenauswahl den Insekten überlassen sollte. Ich beobachte in Gärtnereien immer erstmal etwas, ob Pflanzen und Sorten besonders gern besucht werden und nehme dann die mit. Wenn dann auf dem Etikett noch eine lange Blütezeit bis September, Oktober steht, umso besser. Sie treffen dabei nicht immer meinen Geschmack, aber so ist das eben. Wir arrangieren uns dann, sie bekommen viele von ihren Lieblingen und ich ein paar von meinen.  ;)
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kommt irgendwo ein Lichtlein her.

pearl

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Re: Was ist das?
« Antwort #9267 am: 24. August 2023, 12:08:21 »

... BotanikFaschismus. ...
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Die Verknüpfung von Taxonomie und Naturschutz mit politischen Begriffen und der Rassismuskritik finde ich (immer) problematisch. Es gibt gute Gründe für den Schutz der örtlichen Populationen von Pflanzen in ihrer genetischen Identität. Als Ergebnisse einer mehr oder weniger lang dauernden Evolution sind diese örtlichen Populationen die Träger der biologischen Vielfalt. Ihre spezifischen (genetischen) Eigenschaften versetzen sie unter anderem in die Lage, sich unter den örtlichen Bedingungen langfristig zu behaupten.
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Menschliche Gesellschaften und Individuen behaupten und arrangieren sich aber nicht hauptsächlich aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften, sondern (hoffentlich ganz überwiegend) mit den Mitteln der Zivilisation und der Kultur. Beides fehlt den natürlichen Systemen, in denen Pflanzenpopulationen überleben müssen. Deshalb sollten Fragen der genetischen Identität in natürlichen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen niemals vermischt und das eine aus dem anderen heraus weder begründet noch abgewertet werden.
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sehr richtig. Ich wollte eben nur auf die gelegentlich vorkommenden fundamentalistischen Tendenzen mancher Gärtner abheben. Und eben erinnern, dass es in der Biologie historisch heute immer noch nicht ganz überwundene Dogmen gab und gibt. Und dass Termini aus der Biologie häufig und immer noch für Ideologien missbraut werden. Ob es der extreme Sozialdarwinismus ist, oder Rassismus rechtfertigende Äußerungen von Ethologen. Die Aggressionstheorien oder der dumme Missbrauch der Biologie und Genetik in der Frage der Transgenderrechte. Die Biologie und die Biologen ändern sich gerade. Bisher hatte eine ältere Generation immer den Fokus auf das Überleben der Arten durch Wettkampf um Ressourcen. Ein falsch verstandenes "survival of the fittest". Die Evolutionsbiologie hat die andere Seite des Überlebens völlig ausgeblendet. Es gibt EvolutionsbiologInnen, die seit den 80er Jahren - einer davon bezeichnet sich als jungen Studenten als Hippie - die Bedeutung der erfolgreichen Aufzucht von Jungtieren wissenschaftlich nachweisen. Die Hälfte der Evolution fiel bei unseren alten Männern unter den Tisch.
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Darwin ist bei Geisteswissenschaftlern total unter den Tisch gefallen und bei Wirtschaftswissenschaftlern so dermaßen falsch verstanden, dass es geradezu Missbrauch ist.
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Die Stimmen für Darwin und für die weiche und sanfte Seite der Evolution, die der Brutpflege, des Bemutterns, des Huderns, des Teilens und der sozialen Gruppenstrukturen hat Peter Kropotkin in seinem Werk: Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt 1902 veröffentlich. Ein Anarchist und seine kritische Haltung für ihn tödlich. Quasi ein erster Hippie des 20. Jahrhunderts. Kropotkin hat in England Darwin studiert. Ich finde seinen Beitrag wichtig für die moderne Biologie.
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Dass wie in allen wissenschaftlichen Disziplinen, so auch in der Biologie, alte Ideologien die Forschung beeiinflussen kann keiner leugnen. Am Genetischen Institut in den 80er Jahren habe ich unter anderen bei Benno Müller-Hill studiert. Er hat das Thema Biologen unter Hitler Ende der 80er, Anfang der 90er betreut. Auch im Fischer Verlag erschienen. Biologen unter Hitler: Porträt einer Wissenschaft im NS-Staat.
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Dass merkwürdige Vorstellungen über Reinheit der Arten, Selektion, Segregation bei Leuten vorhanden sind, die im Naturschutz tätig oder als Gärtner aktiv sind, das ist mir in den letzten 30 Jahren immer wieder aufgefallen. Manche Dogmen halten sich und sind nicht wegzukriegen, obwohl die Wissenschaft sie nicht mehr stützt. Wir leben nicht mehr in einer Welt mit wilder unberührter Natur. Wir haben in Deutschland nur noch winzige Reste ursprünglicher Wälder und kaum noch unberührte Naturräume.
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So wichtig es ist, diese zu schützen, so viel wichtiger ist es völlig neue Konzepte zu entwickeln, damit das unser Lebensraum, unser vielfach verflochtenes System von Lebewesen jeder Gattung, nicht kollabiert. Da ist Reinheit von Arten und autochthones Saatgut ein Witz. Die Wälder fackeln ab, weil wir eine iindustrialisierte Forstwirtschaft haben, die falsche Entscheidungen getroffen hatte. Alles sowieso nicht standortgerechte Gehölze und ganz unautochthone Arten.
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Wir hatten in Europa Regenwälder und im Mittelmeerraum Hartlaubvegetation, beides riesige Flächen, und können sowieso nicht wieder zurück zu einem "wilden" "echten" "natürlichen" Zustand. Ich halte daher Planting in a Post-Wild World: Designing Plant Communities for Resilient Landscapes für eine gute Strategie. Auch für den privaten Garten.
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Wobei ja sowieso jeder im Privaten machen kann, was er will. Und wenn er ausschließlich Polygonum polymorphum 'Johanniswolke' pflanzt, wie Wolfgang Oehme in Dortmund so provozierend verschmitzt ins Publikum sagte. Eine Staude von der sowieso keiner den genauen Artnamen weiß.  ;D Die das aber nicht daran hindert wie blöd zu wachsen. Sowas liebe ich. Eine Pflanze, die auf ihren Namen geradezu pfeift.  ;D Durch bloßes Dasein.  ;D
« Letzte Änderung: 24. August 2023, 12:11:19 von pearl »
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“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”

— Robert M. Sapolsky

pearl

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Re: Was ist das?
« Antwort #9268 am: 24. August 2023, 12:21:00 »

So mancher Extremismus - ich zähle sogar Insektenhotels dazu - macht oft mehr Schaden als Nutzen.
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genau. Wobei ich den Schaden in díesem Fall für begrenzt halte. Es ist eben nur Dummheit diese HeimBastelei überall als Deko zu verwenden, besonders vor Wohnkomplexen ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wo die Nahrung für die Bienchen und Räupchen herkommen soll. Der NABU tut ja viel in der Richtung und verdient dran.
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lerchenzorn

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Re: Was ist das?
« Antwort #9269 am: 24. August 2023, 12:42:28 »

... Da ist ... autochthones Saatgut ein Witz. ...

Das allerdings sehe ich grundsätzlich anders, denn:
...  Es gibt gute Gründe für den Schutz der örtlichen Populationen von Pflanzen in ihrer genetischen Identität. Als Ergebnisse einer mehr oder weniger lang dauernden Evolution sind diese örtlichen Populationen die Träger der biologischen Vielfalt. ...
Vielleicht habe ich Dich aber auch falsch verstanden.  ;)


Zitat
.. Wobei ja sowieso jeder im Privaten machen kann, was er will. Und wenn er ausschließlich Polygonum polymorphum 'Johanniswolke' pflanzt, wie Wolfgang Oehme in Dortmund so provozierend verschmitzt ins Publikum sagte. ...

So ist es und so ist es auch gut. (Koenigia x fennica 'Johanniswolke' soll der jetzt heißen und die Meinungsbildung über die Gattungszugehörigkeit ist vermutlich nicht abgeschlossen ...  8) )

« Letzte Änderung: 24. August 2023, 12:44:25 von lerchenzorn »
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