Und noch eine Frage zur Stecklingsvermehrung, angesichts der Sommerstecklinge in Russland: Was denkt ihr, ist der spätmöglichste Zeitpunkt, zu dem es noch klappen könnte? Ggf. auch bei "warmer" bzw. frostfreier Überwinterung?
In einem älteren Faden hier fand ich die Anmerkung, dass selbst aus verholzten Teilen noch Stecklinge möglich wären.
Vor ein paar Tagen traf bei mir das Buch "Staudenphlox" von Gaganov 1961 ein, antiquarisch - hatte ich über Amazon gefunden, in einem erstaunlich guten Zustand. Dort wird über die verschiedenen Arten der Stecklingsvermehrung (selbst über Blattachseln!) berichtet. Es ist wohl so, dass bereits verholzte Stengel nicht gut bewurzeln, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass im Sommer (nicht später als ca. Mitte August) abgebrochene leicht (!) verholzte Stengel direkt in die warme Bodenerde gesteckt und regelmäßig begossen, zu über 50% anwachsen und auch dort überwintern. Die Ausfallrate ist aber groß, was auch im Buch bestätigt wird.
Man kann eine Pflanze, von der man mehr als nur einen Steckling machen will, im Spätherbst, nachdem die Stengel abgestorben sind, ausgraben und in einem größeren Kübel kühl (max. 5 Grad) aber frostfrei, dunkel oder hell überwintern. Im Februar/März stellt man den Kübel warm und gießt das erste Mal an. Die Pflanze treibt bei gutem Licht vorzeitig an und so kann man bereits Mitte März Stecklinge abmachen. Der Vorsprung dieser Methode beträgt ca. 2 Monate. Normal nimmt man die Stecklinge nicht vor Ende Mai/Mitte Juni ab. Diese frühen Stecklinge sind meistens bis zum Herbst so gut bewurzelt, dass sie bereits ausgepflanzt werden können. Die späten Stecklinge (nach Juni) muss man meist den ersten Winter noch im Topf/Frühbeet abgedeckt lassen und erst im darauf folgenden Jahr auspflanzen.
Frühe Stecklinge, die im Herbst ausgepflanzt werden sollen, sollte man idealerweise nach dem Anwurzeln im Töpfchen oder Frühbeetkasten über Sommer bereits in einem sog. Verschulfeld bis zum Herbst längere Wurzeln ausbilden lassen, bevor man sie an den endgültigen Ort aussetzt. Das Verschulfeld ist wohl ähnlich wie ein Aussaatbeet mit guter, lockerer Gartenerde, geschützt, abgedeckt bei schlechtem Wetter und täglich gepflegt. Man kann die Stecklinge aber auch in größere Töpfe pikieren, wo sie ein größeres Wurzelwerk bis zum Herbst ausbilden können als in den kleinen Anzuchttöpfchen. Je größer das Wurzelwerk (mindestens Tennisballgröße), desto größer die Überlebenschancen im Winter. Auch sollte man zur Bewurzelung der Stecklinge in der unteren Hälfte des Töpfchens oder Frühbeetes gute, sehr nahrhafte Erde verwenden und in der oberen Hälfte, wo der Steckling steckt, Sand, der nicht austrocknen darf. Die Würzelchen, die sich in diesem Sand bilden, dringen später in das tiefere nahrhafte Substrat ein und bewirken einen Wachstumsschub. Wenn man die Stecklinge erst spät in der Saison schneidet (nach Ende Juni) sollte man die Stecklinge vor dem Stecken in Bewurzelungspulver eintauchen (gibts von Neudorff, soviel ich weiß).
Wenn man die Stecklinge schneidet, sollte man darauf achten, dass das untere Blattpaar des Stecklings nicht abgerissen sondern 2-3mm vom Stengel entfernt abgeschnitten wird. Diese Blattachsel muss also erhalten bleiben, weil sich dort Achselaugen befinden, die die Bewurzelung begünstigen. So ist es auch möglich, blühende Achseltriebe als Stecklingen zu verwenden, indem man nur die Blütendolde entfernt und den Stengel in voller Länge steckt.
Zudem kann man mit einem scharfen Okkuliermesser (im Obstbau ist das die sog. Hippe) nur die Blattachsel 2-3mm tief vom Stengel abschälen und in das oben erwähnte Sand-Erde-Gemisch stecken, so dass 2/3 der Blattfläche rausragt.
Allgemein gilt, dass Stecklingen sowohl oben als auch unten feucht gehalten werden müssen, also regelmäßig gießen und darauf achten, dass das Substrat - egal ob im Anzuchttöpfchen oder -beet - nie austrocknet. Außerdem sollte man in den ersten 2-3 Wochen, bis sich die ersten Würzelchen bilden, für gespannte Luft sorgen, also über das Anzuchtbeet Vlies oder Folie legen und so befestigen, dass man regelmäßig lüften kann. Die Töpfchen kommen entweder einzeln in eine Plastiktüte mit Zipp-Verschluss, den man leich offen hält oder man stülpt in die Hälfte geschnittene Plastik-Flachen drüber, über deren Flaschenöffnung gelüftet wird. Nach 3-4 Wochen kann man die Pflänzchen - sofern sich neuer Austrieb zeigt, langsam an frische Luft und Sonne gewöhnen.
So, das war das Wort zum Sonntag.