Aktuell gibt es weniger als eine Dutzend Herbstbrombeeren auf dem weltweiten Markt: Prime-Ark 45, Prime-Ark Freedom (Freedom steht für dornenlos), Black Magic etc. Auf dem deutschen Markt sind nach meinen Recherchen nur Direttissima und Reuben erhältlich, daher sind sie eines genaueren Blickes wert. Herbstbrombeeren tragen an einjährigen Ruten, wie die bereits gut bekannten Herbstbrombeeren. Sie sind sehr neu und werden hauptsächlich für die Landwirtschaft entwickelt. Während es für einen Kleingärtner bei passender Technik ziemlich leicht ist, die einjährigen Ruten (Primocanes) für den Winter abzudecken, sieht das für die Bauern ganz anders aus. Versucht mal, einen Hecktar hinzulegen und abzudecken, das wäre ein immenser Aufwand.
Die hochtechnologischen Amerikaner entwickeln für solche Zwecke flexible Spaliere, die man samt Pflanzen hinlegen kann. Die polnischen Bauern sind da härter,
sie verzichten auf den größten Teil der Ernte und nehmen sogar einen gelegentlichen Totalausfall in Kauf und decken ihre Brombeeren gar nicht ab. Den Ernteausfall kompensieren sie mit größerer Anbau-Fläche. In Länder mit Wintertemperaturen von -30°C und -40°C verzichten die Bauern auf den Anbau von Brombeeren gänzlich. Um diese Probleme
der Bauern zu lösen, züchten die Züchter Herbstbrombeeren. Herbstbrombeeren kann man im Herbst nach der Ernte auf 20-30cm hoch abmähen und dann mit Stroh oder Ähnliches relativ leicht abdecken. Die Herbstbrombeeren sind somit für die Bauern deutlich
handlicher. Dafür nehmen sie auch gerne eine deutlich geringere Ernte in Kauf (die Reuben z.B. soll nur 2,5-5,5 kg pro Pflanze tragen, während z.B. bei der Thornfree bis 35 kg und bei Black Satin bis 20 kg möglich sind).
Für die Faulen, Geduldigen und Genügsamen unter uns
kann diese Lösung aber auch interessant sein.
Daher habe ich mir die Zeit genommen und 59 Seiten zum Thema Erfahrungen mit Reuben Brombeere
in einem ukrainischen Forum durchgelesen. Mein Ziel war eine ausführliche Sortenbeschreibung mit praktischen Erfahrungen der Ukrainer und Polen zu machen. Dabei stellte sich raus, dass Reuben in der Ukraine und Polen offensichtlich ein großes Problem mit der Befruchtung hat. Schuld ist daran hauptsächlich die Hitze. Die Befruchtung bei den meisten Primocanes (Herbstbrombeeren) funktioniere bei Temperaturen über 29°C nicht, die Blüten werden steril. Die normalen Brombeeren blühen im Mai bzw. Juni. Die Herbstbrombeeren müssen aber erst die Ruten wachsen lassen und so blühen sie später zu deutlich heißeren Außentemperaturen. Das Problem kann man wohl umgehen, mit Schattennetzen die Pflanzen abdecken. Einigen Bauern hilft auch eine Düngung mit Bor. Die Bor-Düngung wird auch von dem englischen Rechteinhaber an der Europa-Distribution der Reuben, Fa. Hargreaves empfohlen. Hier findet man sie übrigens:
http://www.reubenblackberry.com/ Die bis zur dreimalige Blattdüngung mit Bor funktioniert auch bei vielen Besitzern dieser Pflanze, nur leider nicht bei allen. Und bei manchen hilft gar nichts. Tolle Pflanzen, schöne Blüten, aber schlechte Befruchtung und keine Ernte. Und bei manchen Leuten ist die Befruchtung instabil. In einem Jahr gut, das nächste schlecht.
Andere Primocanes haben zwar auch Befruchtungsprobleme bei hohen Sommertemperaturen, aber nicht so ausgeprägt, Reuben ist hier wohl die trautige Spitze. Bei der Sorte ist also Vorsicht angesagt. Eventuell kann man sie ausprobieren, wenn man in einer kühlen Region wohnt, wo heiße Juli und August eine Seltenheit sind. Trotz des guten Geschmacks ist es m.E. nicht die Sorte, die man in Deutschland als erste ausprobieren sollte.
Update zu Reuben: die Sorte ist dazu noch wenig winterfest und bildet auch noch viele Ausläufer, es ist ziemlich aufwendig, sie wieder los zu werden. In dem jeweiligen Thema zu Reuben unterhalten sich die Russen und Ukrainer aktuell darüber, wie man Reuben am bessten wieder los werden kann.