Ich befinde mich mit meinen bekannten Haltungen zum Thema als neuerdings Landwirtin durchwegs zwischen den Fronten. Was mir hier in Österreich dabei am meisten auffällt, ist das mangelnde Wissen auf sämtlichen Seiten der Diskussion und die geringe Bereitschaft vermittelnder Organisationen und Einrichtungen, diesen Job auch wirklich in diesem Sinne - vermittelnd - auszuüben. Dazu kommen Fundis auf beiden Seiten und eine breite Masse an Unbeteiligten, die, darauf angesprochen, etwas von "einer alleine richtet nichts aus", "... aber diese Bauern" und " (Schimpfwort einsetzen) - EU" entgegnen.
Zum Thema Blühstreifen konkret: Diese wurden dieses Jahr in Oberösterreich zusammen mit Imkereizentrum, landwirtschaftlichen Dienstleistern und Grundstücksbesitzern erstmals in großem Rahmen umgesetzt und gelten als Greening-Maßnahme (je nach Betriebsgröße sind solche "ausgleichenden" Flächen vorgeschrieben und werden dann auch entgolten). Diese Streifen waren 3m breit und wurden entlang von Feldern angelegt, wobei sie in Kreuzungsbereichen von Straßen oder als vorgeschriebener Abstand zu Gewässern besonders häufig angewendet wurden (zwei Fliegen mit einer Klappe).
Teilnehmenden Landwirte hatten durchwegs den Eindruck, einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten. Nicht wenige besuchten die Blühstreifen regelmäßig und nahmen aus den zahlreichen beobachteten Honigbienen einen durchwegs guten Eindruck mit nach Hause, viele haben vor, diese Streifen nun auch noch auszuweiten und entlang von Hofzufahrten usw. anzusäen.
Nun die ABERS:
- kaum jemand hat begriffen, dass diese Flächen zum überwiegenden Großteil nur für Honigbienen nutzbar sind (was natürlich am Imkereizentrum liegt und an der honigbienenlastigen Berichterstattung generell)
- viele Imker sind verärgert, dass keine eindeutige Unterscheidung zwischen diesen Blühstreifen und der Winterbegrünung getroffen wird. Begeisterte Landwirte mischen nämlich Blumensaatgut in das Saatgut, das im Sommer als Folgekultur gesät wird. Dieses blüht dann im Spätsommer und Herbst - bei lange ausbleibendem Frost bis in den Dezember - und führt dazu, dass Honigbienen soviel Trachtangebot finden, dass sie ihre Bruttätigkeit nicht zurückfahren. Solche Völker brauchen im Sommer weniger und im Winter mehr Futter und ermöglichen mehr Varroamilben ein Überleben, weshalb die Fütterung und Behandlung in landwirtschaftlich intensiven Gebieten komplizierter bzw. vorab kaum abschätzbar wird
- die Bevölkerung empfindet die Blühstreifen als superschön, nimmt daraus aber keine Handlungsanleitung für daheim mit. Hier kaufen Leute Bio, schimpfen über die Landwirtschaft und haben den Rasenmäherroboter auf dem Zweitgrundstück laufen, obwohl sie es nicht nutzen. Das ist nicht mal Absicht, es fehlt schlicht die Fähigkeit, den Zusammenhang zu erkennen.
Und ich selber bin unsicher, was nun wirklich helfen würde. Die meisten Grünflächen in meinem Umwelt sind auf fettem, gut mit Nährstoffen versorgten Böden. Dort könnte nur mit größtem Aufwand und unter langer Dauer ein insektenfreundliches Habitat geschaffen werden. Felder fallen da sowieso flach. Alle Böden, wo das schon ginge, sind mittlerweile bewaldet. Das Waldgesetz sieht keine Rodung ohne folgender Aufforstung vor, diese Flächen sind also verloren. Um Insekten passende Lebensräume in großem Stil zu bieten, selbst dann, wenn politisch plötzlich viel Geld locker gemacht würde, gibt es also gar keine Möglichkeit!
Für mich liegt die einzige Chance in der Rettung bislang erhaltener (Mager-) Wiesen, die das Potential zu artenreichen Wiesen noch haben. Diese müssten stärker in den Fokus rücken, ein- und zweimahdige Wiesen müssten finanziell attraktiv werden, das draus gewonnene Heu müssten Tiere bekommen, deren Milchprodukte und Fleisch teurer sein und das auch abgenommen werden müsste. Aktuell schaut es aber nicht danach aus.
Artenreiche Wiesen überleben also nur bei denen, die entweder aus Überzeugung die Bewirtschaftung nicht intensivieren, jene, die mehrere Flächen zur Auswahl haben, Nebenerwerbslandwirte oder Biobetriebe, die eine Nische gefunden haben und mageres, eiweißarmes Heu brauchen können. Interessanterweise tragen so Pferdebesitzer am meisten zur Artenvielfalt in Wiesen bei: Sie sind die einzigen Abnehmer von borstigem, überstandigem, im Juli erst gemähtem Blumenwiesenheu.
Alle anderen mähen vier- oder fünfmal, von Wiesen ist dann keine Spur mehr.
Für mich ergeben sich also folgende Handlungsansätze (teilweise mit Augenzwinkern):
- Flächen freikaufen und von Landschaftspflegevereinen einmal im Jahr mähen lassen (diese Vereine entlohnen!)
- Pferde halten oder Reiten gehen
- Fleisch von heimischen Schafen und Ziegen essen
- auf Rind, Schwein, Huhn, Pute verzichten (brauchen Futtermittel aus intensiver Landwirtschaft)
- auf Milchprodukte großteils verzichten (auch hier: Schaf und Ziege ist besser)
- ausschließlich biologische Lebensmittel kaufen und/oder selber anbauen (erhöht gleichzeitig die Nachfrage nach diesen Produkten --> Landwirtschaften in diesem Bereich wirtschaften zwar ebenso intensiv, aber sie haben mehr Ausgleichsauflagen)
- Lebensmittel effektiv nutzen, keinen Abfall produzieren
- eigene Flächen ohne Rasen und mit vielen verschiedenen Pflanzen gestalten, heimische mit reinnehmen, vor allem Gehölze
Und ja, das können viele gar nicht schaffen. Das schaffe nicht mal ich, obwohl ich alle Möglichkeiten dazu hätte.
Warum ich das schreibe? Weils kindisch ist, sich auf einzelne Aspekten des Themas zu versteifen. Alle sollten was tun. Und wer nicht auf seine Jausenwurst verzichten will: Warum sollte jemand aus der Landwirtschaft das mit einem Teil seines Einkommens tun?