Hallo miteinander,
Manche Leute kennen mich vielleicht aus diesem Post hier: Link entfernt!1-Link entfernt!1/Link entfernt!1?topic=62111
Ich bin der unverschämte Typ der gleich 15 Bilder nacheinander gepostet hat zwecks Pflanzenbestimmung. Und weil ich auch etwas zum Forum beitragen kann (hoffe ich) und auch von ein paar Leuten der Wunsch danach geäußert wurde, versuche ich mal mein Wissen über Mykorrhiza zu verbreiten. Momentan bin ich als Doktorand an einer australischen Universität und beschäftige mich täglich mit diesen Pilzen.
Ich versuche einfach mal meine Fakten grob zu gliedern und hoffentlich kann in diesem Thread ein wenig Wissen vermittelt werden. Ich will dabei auch mal etwas "unwissenschaftlich" sein, solange ich damit keine Tatsachen verdrehe. Immerhin soll es auch etwas interessant sein, und damit kann man sich die ganzen Sachen auch leichter merken.
Was sind Mykorrhizapilze??
Mykorrhizapilze sind Pilze die in Symbiose mit Pflanzenwurzeln leben. Das ganze spielt sich also unterirdisch ab und evolutionär gesehen ist diese Symbiose wahrscheinlich entstanden als die Algen gerade den Sprung ans Land gewagt haben. So etwas wie richtig funktionsfähige Wurzeln haben sie wohl noch nicht gehabt und dann sind die Mykorrhizapilze eingesprungen.
Man unterscheidet (ganz) grob die Ekto- und Endomycorrhizapilze (neuerdings vesikuläre arbuskuläre Mykorrhiza...). Das heißt, dass die einen Pilze nur außerhalb der Pflanzenwurzel wachsen, und die anderen innerhalb der Pflanzenwurzel. Die Ektomykhorriza wachsen also in einem sehr dichten Geflecht um die Wurzel herum, während die Endomykorrhiza die Wurzelzellen penetrieren können und sich dann auch intrazellulär in der Wurzel ausbreiten. Interessanterweiße ist es genau so, dass fast alle Bäume nur Ektomykorrhiza bilden, und die ganzen Einjährigen und viele Stauden nur Endomykorrhiza. Natürlich gibt es dabei tausende Ausnahmen. Die Pappeln bilden zum Beispiel sowohl Ekto- als auch Endomykorrhiza. Und während so ca. 80% aller Landpflanzen Mykorrhiza-Symbiosen eingehen, so haben es die Brassicaceae überhaupt nicht nötig und verzichten darauf.
Warum überhaupt?
Wie bereits erwähnt ist das das ganze eine Symbiose. Grob gesagt wächst der Mykorrhizapilz mit der Wurzel zusammen und tauschen dann Nährstoffe aus. Der Pilz verlängert quasi die Pflanzenwurzel und liefert dieser dann Nährstoffe und Wasser, während sie von der Pflanzenwurzel Stoffe aus der Photosynthese bekommt, also vor allem diverse Zucker. Diese "Symbiose" kann sich aber auch verschieben. So gibt es zum Beispiel Orchideenarten, die selber gar keine Photosynthese mehr betreiben, sondern einfach nur durch Mykorrhizapilze versorgt werden. Diese Mykorrhizapilze sind widerum mit Bäumen verbunden und schieben den Zucker von den Bäumen zu den Orchideen. Die Orchideen sind also gewissermaßen Schmarotzer.
Diese Verbindung nennt man auch CMN - Common Mycorrhiza Network. Im Prinzip bedeutet das ganze Nur, dass viele verschiedene Pflanzen über Mykorrhizapilze miteinander verbunden sind. Dadurch findet ein Kohlenstoffaustausch zwischen den Pflanzen statt, der vor allem bei Ektomykorrhizen, also in Wäldern, sehr bedeutend sein kann. Dies ist auch mit einer der Gründe, wieso man heutzutage keinen "reinen" Kahlschlag mehr macht, sondern ein paar große und alte Exemplare stehen lässt. Der neu bepflanzte Nachwuchs erhält nämlich von dem großen Bruder Zucker und somit Energie zum Wachsen. Bei Endomykorrhiza, also den Mykorrhiza bei uns im Garten, ist das ganze auch vorhanden, aber weniger stark ausgeprägt. Man nimmt an, dass der Austausch durch dieses CMN nur maximal ca. 20% beträgt.
Wie funktioniert diese Symbiose?
Diese Symbiose ist ein sehr komplexes Thema. Wie bereits erwähnt haben 80% aller Pflanzen Mykorrhizaverbindungen. Somit gibt es quasi auch in jedem Boden ein paar Mykorrhizasporen, und wenn Temperatur und Feuchtigkeit passt, dann keimen diese Spore und eine einzelne Hyphe wächst heraus. Diese begibt sich dann auf die Suche nach Pflanzenwurzeln. Kann sie nach einigen cm keine finden, dann hat sie Pech gehabt und stirbt. Hat sie ein Pflanzenwurzel gefunden, dann können sich Pilz und Pflanze über volatile Verbindungen bereits riechen, bevor sie sich überhaupt wirklich treffen. Der Pilz kündigt also an, dass er in der Nähe ist und die Pflanzenwurzel fängt dann bereits an, dass sie ihre Zellorganellen so umbaut, dass mehr Platz für den Pilz ist. Ziemlich erstaunlich wenn man bedenkt, dass sich Pflanze und Pilz eigentlich so überhaupt nicht abkönnen (Stichwort: Pflanzenkrankheiten) und die Pflanze eher Abwehrstoffe produziert, wenn sie auf Pilze trifft.
Wann sind die Mykorrhiza am meisten nützlich?
Am nützlichsten sind Mykorrhizen, wenn der Boden arm an Nährstoffen ist, vor allem Phosphor. Ist im Boden wenig löslicher Phosphor vorhanden, so können Mykorrhizapilze ihren größten Trumpf ausspielen: Enzyme. Diese Pilze verfügen über ein großes Enzym-Repertoire und können Phosphor im Boden lösen und in eine Form bringen, der für Pflanzen verfügbar ist. Und sogar noch mehr: Mykorrhizen haben einen Phosphortransporter, der den Phosphor genau in die Wurzel bringen kann. Ebenso haben sie einen Stickstoff-transporter, aber der ist im Vergleich zum Phosphor unbedeutend. Was man erst seit wenigen Jahren weiß: Auch bei Zink spielt der Mykorrhizapilz eine sehr große Rolle!
Brauche ich Mykorrhizapilze in meinem Garten?
Das ist im Prinzip eine sehr komplizierte Frage. Man hat viele Versuche mit diesen Pilzen gemacht und manchmal waren die Ergebnisse hervorragend! Besseres Pflanzenwachstum, gesteigerte Abwehrkräfte, Schutz vor Schwermetallen im Boden.....und dann macht man den gleichen Versuch nochmal und es kommt genau das Gegenteil dabei heraus. Geringerer Ertrag, die Pflanzen gehen eher ein....im Prinzip ist es manchmal zum Verrückt werden und ich hab schon viele Professoren darüber schimpfen hören. Und dann liegt auch gleich der Verdacht nahe, dass man dieses Dreckszeug ja sowieso nicht braucht.
Dabei muss man sich aber mein Symbiosebeispiel mit den Orchideen vor Augen führen: Es gibt nämlich ein gewisses Continuum, und je nach Pflanzenart und Pilzart kann die Symbiose gut oder schlecht ausfallen. Manche Pilze und Pflanzen liefern also eine sehr gute Symbiose ab, während andere eher wie "Parasiten" wirken. Dazu kommt noch das Problem, dass man viele Mykorrhizapilze taxonomisch falsch kategorisiert hat und die in-vitro Kultur von diesen Pilzen sehr schwierig ist.
Ich möchte nicht wissen, wie viele Experimente schon mit "kontaminierten" Mykorrhizen oder gar toten Kulturen unternommen wurden.
Um es kurz zu machen: Wenn ich meinen Pflanzen einen perfekten Boden liefere, dann ist der Mykorrhizapilz für meine Tomaten, Gurken, Karotten....nun weniger wichtig. Wenn ich nun aber nur Rohphosphat dünge, den die Pflanzen eher schlecht aufnehmen können, dann kann der Mykorrhizapilz hier schon sehr nützlich sein.
Für den Boden sind Mykorrhizapilze aber immer sehr nützlich. Denn eine Pilzhyphe ist bedeutend dünner als eine Wurzel, und somit kann der Mykorrhizapilz auch Bereiche im Boden erschließen, die für die Wurzel unnereichbar sind. Somit bekommt man eine bessere Bodenstruktur, weniger Erosion usw. Und man muss auch bedenken, dass solche Hyphen auch immer mal wieder absterben, sich neue bilden usw....und dadurch bekommt man einen sehr hohen Kohlenstoffeintrag in den Boden, also mehr organische Bestandteile.
Wie bekomme ich nun mehr Mykorrhizapilze in meinen Boden?
Natürlich kann man sich entsprechende Präparate kaufen. Kosten teilweise sehr viel Geld und meistens ist es einfach nur eine Trägersubstanz (z.B. Sand) mit den Pilzsporen vermischt. Dann kann man schon einen Löffel davon bei seinen Jungtomaten dazugeben, die Symbiose entsteht und der Pilz wächst mit der Pflanze mit, vermehrt sich darin, bildet neue Sporen und breitet sich von dieser einen Pflanze in die Nachbarschaft aus.
Das wichtigste ist aber meiner Meinung nach, dass man dem Pilz dann auch eine günstige Lebensbedingung gibt. Offener Boden, hacken, pflügen etc. ist ganz schlecht für den Pilz. Er hat keine Pflanzen mit denen er eine Symbiose eingehen kann und man trennt die Hyphen ab usw. Besser ist es also wenn man eine Gründüngung einsät, den Boden nur minimalinvasiv bearbeitet.
Und wenn man sich doch einmal ein entsprechendes Präparat gekauft hat, dann kann man es auch selber ganz leicht weitervermehren: Man nimmt einen Top entsprechender Größe und gibt dort Substrat rein mit 10% Pflanzerde und 90% Sand. Als Wirtspflanze pflanzt man eine junge Mais oder Zwiebelpflanze rein und umgibt den Keimling großzügig mit dem Mykorrhizapräparat (das Mykorrhizapräparat kann ruhig 5-10% vom Gesamtgewicht des Substrats ausmachen). Es wird nicht gedüngt, sondern nur mit reinem Wasser gegossen! Die Maispflanze wächst also im Topf und mit ihr der Mykorrhizapilz. Die Nährstoffarme umgebung förder die Mykorrhizierung und auch wenn die Maispflanze irgendwann gar nicht mehr gut ausschaut, so wachsen zumindest die Mykorrhizapilze. Dieses Substrat kann man dann schonend trocknen (nicht heißer als 40°C) und nächstes Jahr wieder verwenden.
Sooooo, das wars erstmal. Das war jetzt in etwa alles was mir spontan dazu eingefallen ist. Bei entsprechenden Fragen fällt mir sicher noch mehr dazu ein.
Viele Grüße
mycorrhiza
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