10.06.2022
Ursprünglich sollte dies der letzte offizielle Tag mit dem Reiseveranstalter sein. Vorgesehen war ein Tagesausflug in den Nationalpark Ala-Archa, ein botanisch ausgesprochen vielfältiges Gebiet von ca. 200 km², zwischen 1500 und 4895 m gelegen. Aufgrund von Straßenbauarbeiten war der Park jedoch heute geschlossen und somit der Besuch auf den morgigen Samstag verschoben.
Dafür bin ich heute unbegleitet in die Stadt gefahren und konnte mich in aller Ruhe mir alles Mögliche anschauen. Allzu viel Stress wollte ich mir nicht wegen der angekündigten Hitze nicht machen und verzichtete auf einen Besuch des botanischen Gartens, der ohnehin als schlecht gepflegt und zu dieser Jahreszeit uninteressant gilt.
Ein Besuch des großen Osch-Bazars erschien mir da aufregender. Einfach mal schauen, wie die Atmosphäre dort ist, welche Menschen dort einkaufen, was es an Saatgut gibt und welche seltsamen Speisen und Getränke dort angeboten werden.
Für den Hinweg zum Markt habe ich wieder diese praktische Taxi-App genutzt, zurück ins Hotel wollte ich die halbe Stunde laufen.
In Marktnähe abgesetzt, musste ich mich erst einmal orientieren. Um einen Eindruck von den Abmessungen des Marktgeländes zu bekommen, umkreiste ich ihn erstmal. Gleichzeitig hatte ich nach öffentlichen Toiletten Ausschau gehalten und war schnell erleichtert. An WCs mangelt es hier wirklich nicht, eine Sorge weniger.
In den ersten Nebeneingang habe daher kaum reingeschaut:
Da ich auf der Suche nach Tomatensamen war, fiel mir dieser Agromarkt auf. Das Ladenschild war flächenmäßig größer als der Verkaufsraum. Darin hatte ich bei der jungen Russin gleich vier Tütchen gekauft. Was für stahlgraue Augen sie hatte, dazu ein unglaublicher Ausdruck von Langeweile, gepaart mit Überdruss über den Job (kein Foto)!
Der Trödelbereich mit Blickfang aus Sowjetzeiten:
Gemüsestände
An den Gewürzständen konnten auch kirgisische Nudeln gekauft werden. Die Kirgisen behaupten scherzhaft, dass Spaghetti nicht von den Chinesen, sondern von ihnen erfunden wurden.
Gewürze en detail
Unsägliches Fettgebackenes, der Schrecken jeder kirgisischen Kaffeetafel
Nüsse, Trockenobst, Süßkram
Ich hätte gerne gewusst, was da Leckeres im zugedeckten Bottich dampfte, aber es war noch nicht Mittag
Fantastische Brote, die auch noch gut schmeckten!
Tomatensamen fand ich später zur Genüge in der Markthalle. Ich habe mir eine bunte Mischung zusammengesammelt, konnte aber keine Sorten aus Kirgistan auftreiben, sondern eher russische Sorten. An einem Stand hatte die Marktfrau sogar telefoniert deswegen und konnte nur bedauernd mit den Schultern zucken. Die 8 Mal so teuren chinesischen Tütchen dort wollte ich aber nicht kaufen. Bei einem Nachbarstand konnte ich zumindest zwei Sorten lose aus privater Tomatenpulung kaufen. Der nette Opa hat sich dann mit Handschlag verabschiedet. Schade, dass man sich nur in Zeichensprache verständigen konnte.
Dann gings raus in die Stadt.
Dieser Wagen hat mich etwas irritiert
Friseure trocknen die Handtücher in der Sonne, bevor die Kunden kommen
Nun eine bunte Mischung aus hastigen Fotos von Gebäuden und Straßenszenen, die ich nur ansatzweise kommentiere:
Haltestelle für Marschrutkas
Parkwächter:
Stop
3-D-Kino
Umzug von Berlin nach Bischkek?
Hinten rechts ein Atomium im Miniformat
Arbeitsschutz? Jedenfalls sehr ästhetisch:
Hier noch einmal die Manas-Statue im Zentrum. Manas ist DER Volksheld des Landes, und es gibt ein Manas-Epos, das umfangreicher als das finnische Kalevala, geschweige denn unsere Nibelungensage, länger sogar als Ilias und Odyssee zusammen, ist. 500.000 Verse sind nicht von schlechten Eltern. Das Manas-Epos wird auch an den türkischen Schulen gelehrt. Schließlich gelten die Kirgisen als Türken.
Werbung für KFC sieht man allerorten, ansonsten kaum andere westliche Marken. Nun sind aber die Wraps der heimischen Imbisstuben viel besser, d.h. so richtig gut. Man sollte sich bei Hunger an den von Studenten bevorzugten Imbissen orientieren. Oder man geht Richtung Tzum, an welches eine moderne Mall angebaut wurde. Die klassischen Riesenbildschirme, auf denen Musikvideos laufen und die Modegeschäfte wie z.B. Karl Lagerfeld, ignoriere man. Im Kellergeschoss gibt es allerdings ein paar Lokale und ein Supermarkt mit Kaltgetränken. Dazu gab es einen Hauch von Käsefüßen, der vom als Delikatesse angebotenen Kurut herrührte. Den Geruch dieser Trockenquarkkugeln werde ich nie vergessen.
O-Busse, wie in Solingen!
Ohne Handy keine kirgisische Existenz, Wirkung offenbar drogenähnlich:
Die Innenstadt ist im Sommer so heiß, dass es in der Außengastronomie nicht ohne Kühlung geht. Die Beschattung mithilfe Parthenocissus am Maschendrahtzaun ist allerdings mutig. Die Blätter halten an der Hauptstraße nur mit Nebelkanonen durch.
Für den Muskelaufbau, Bild 2 mit kirgisischem Schwarzenegger:
Im ganzen Land immer dasselbe, ein Imbiss nach dem anderen:
Gepflegter Vorgarten mit panaschiertem Giersch
Das müsste das Parlament sein
In den Parks haben altmodische Tagetes noch eine Lebensberechtigung:
Auf meinem Handy gabs plötzlich dieses tolle Angebot. Warum nicht, in der Rente muss es ja nicht immer Spanien oder die Türkei sein.
Was ich nicht fotografiert hatte, was das quirlige Leben im Vergnügungspark. Überall kreischten Kinder auf dem Riesenrad oder beim Planschen in den Brunnen. Wie schon mal gesagt, die Parks sind in der Stadt gut angelegt und eine echte Erholung.
Diese rheinischen Jungs mal wieder als Parkbegleiter, auf den Lenin habe ich verzichtet.
Parkgebäude
Eigentlich wollte ich nicht Abai Kunanbayuli ablichten, sondern eine der wunderschönen Parkbänke, ohne dass die darauf sitzenden Leute blöd gucken. Darum dazu einen Ausschnitt mit der Bank.
Vom abendlichen Abschiedsessen im Time Out habe ich nur dieses Handyfoto. Alles sehr kitschig und gemütlich. Das Essen ist für kirgisische Verhältnisse teuer, aber gut. In diesem koreanischen Restaurant habe ich keinen Hund bestellt (obwohl man dies bei anderen Koreanern bekommt), sondern eine scharfe Kimchisuppe und einen Salat mit Rindfleischstreifen usw. Natürlich wieder Wodka und dazu kirgisischen Cognac. Bei letzterem war ich höflich und hob die Sanftheit und das fruchtige Aroma hervor. Ansonsten kann man mich mit Whisky, Cognac und Konsorten jagen.
Im Laufe des Abends wurde die Nebelmaschine angeworfen, und es liefen passende Musikvideos dazu, u.a. mit Modern Talking. Ich verärgerte meine Gastgeberinnen, als ich Anders und Bohlen eine furchtbare Band nannte, da MT gerade bei Frauen hier sehr beliebt gewesen war. Merkregel für künftige Kirgistanreisende: Gegenüber weiblichen Overfifties niemals Modern Talking bemäkeln!
Ein schöner Abend ging zu Ende. Morgen wird es anstrengender. 1000 Höhenmeter sind kein Spaziergang.
Michael