„Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe...“
(Genesis, Kap.1)
Ganz so schlimm nahm sich das Gartengrundstück nicht aus, dass meine Frau und ich uns erkoren hatten. Es handelte sich um ein über viele Jahre verwildertes Gartenareal mit einem verfallenen Fachwerkhaus. Aus dem Fenster des Nachbarn sahen wir es vor uns liegen, an einem sonnigen Samstag im Mai .... und verliebten uns sofort.
Meiner Frau gefiel die Versponnenheit, das Geheimnisvolle dieser Urwaldlandschaft. Für mich, der ich schon einmal einen Garten angelegt hatte, war es eine Möglichkeit und eine Herausforderung, die ich innerlich mit wenigen Gedanken skizzierte. Ich fühlte mich wie Capability Brown, der berühmte englische Landschaftsarchitekt des 18. Jahrhunderts, auf den atemberaubende Parks zurückgehen, wie z.B. Petworth House in West-Sussex. Nur dass ich halt keine Landschaft entwerfen konnte, sondern lediglich ein kleines, innerörtlich gelegenes Grundstück. Bekanntlich sind der Selbstüberschätzung und Phantasie jedoch keine Grenzen gesetzt und so schwärmten wir bereits in unermesslicher Vorfreude.
Unsere Entscheidung, das Grundstück zu kaufen, erwies sich als recht leichtfertig. Der alte Baumbestand – besonders beeindruckend war die mächtige Trauerweide - verstellte ein wenig den Blick für die Nachteile des Areals, die in der Nachbarschaftsbebauung und dem Schnitt des Grundstücks lagen. Mit diesen unabänderlichen Tatsachen haben wir uns inzwischen jedoch arrangiert.
Nun gibt es zwei Methoden, einen Garten anzulegen. Der intelligente Mensch wählt die naheliegende: Er plant und geht dann systematisch vor. Ich wählte die zweite: Stürze dich in das Chaos, wirble drauflos und sei hoffnungsfroh. Es war eine schöne Zeit, die zwar viel Kraft gekostet hat, aber auch das Glück bescherte, durch eigener Hände Arbeit etwas so konkret Sichtbares und Wundervolles wie einen Garten entstehen zu lassen. Es war für uns eine unbändige Lust, diesem Tohuwabohu mit Spaten, Hacke, Axt und Säge zu Leibe zu rücken. Wären diese Arbeiten Fremden überlassen worden, hätten wir das Grundstück nicht wirklich in Besitz genommen.
Hohes Gras, Brennnesseln, Beifuß, Ackerwinde und Solidago bildeten zusammen mit überall sprießenden Pflaumenausläufern, überhängenden Philadelphus-Sträuchern (der längst verstorbene Vorbesitzer hatte wohl ein Faible für diese Pflanze) und unzähligen Holundersämlingen ein fast undurchdringliches Grün. Es war eine recht schmerzvolle Attacke, die wir reiten mussten. Das Gestrüpp wehrte sich vehement mit den Dornen der wilden Pflaumen, die höllisch stechen und verletzen können und den Peitschenhieben der Jasminzweige. Manche Nesseln erwiesen sich als der Gipfel der Gemeinheit. Sie waren wohl Meister ihres Fachs. Die Hände brannten noch tagelang weiter. Aber wir wurden auch belohnt! In dem Wirrwarr versteckten sich einige Thujen, etliche Rosen und Päonien, Bretter, Plastikteile, Dachpfannen, Ofenplatten, Autoreifen, verrostete Drahtballen, unverrottbarer Hausmüll, alte Teppiche, Linoleumteile, 600 (!) Wein- und Schnapsflaschen – kurz: alles, was Menschen so an Abfall produzieren. Zunächst erfasste uns Empörung, dann Wut. So der Vorbesitzer nicht Sisyphus fürderhin beim Steinrollen helfen muss, soll er wenigsten in einer rabenschwarzen, ständig lärmenden Gewitterwolke hausen. Letztlich ertrugen wir es dann aber doch mit einer kopfschüttelnden Gelassenheit. Denn immerhin fanden wir auch ein paar alte Basaltsteintröge, die ursprünglich wohl als Viehtränke dienten, und die aus unerfindlichen Gründen an mehreren Stellen im Garten vergraben worden waren. Vermutlich um sie vor einem Angriff marodierender Hunnen zu retten.
Es war damals eine herrliche Pionierzeit. Jedes Wochenende wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ausschließlich im und am Garten gearbeitet. Es wurde geplant, verworfen, gefällt, gerodet, geschnippelt und gegraben. Beete wurden angelegt, Bruchsteinmauern errichtet, Natursteinpfade gelegt, Teiche ausgehoben, Pflanzen gesetzt. Allein das Tageslicht bestimmte, wie lange wir zu arbeiten hatten. Wasser mussten wir in Gießkannen heranschleppen. Diese dienten darüber hinaus meiner Frau als Behelfs-Waschschüssel für den mittäglichen Salat. Ansonsten gab’s Brot und Gegrilltes. Ab und zu brachten Nachbarn selbstgebackenen Kuchen vorbei. Auf Baumstümpfen wurde hastig gegessen und nur kurze Rast gemacht. Bequemere Sitzmöbel hätten vermutlich unsere Arbeitswut unterminiert. Wir waren wie besessen und verdrängten unsere heimlichen Zweifel, wir könnten uns übernommen haben.
Von der Nachbarschaft wurde unser Tun argwöhnisch beäugt. Einerseits beeindruckte unser Arbeitseifer, andererseits vermisste man bauliche Details, die nach ortsüblicher Ansicht zu einem Grundstück gehören. Wo denn die Garage hinkomme, begehrte man zu wissen. Oder sei ein Carport geplant? Als wir beides verneinten und zu verstehen gaben, das Grundstück sei uns zu wertvoll, um davon auch nur einen Quadratzentimeter für ein Auto herzugeben, wurden wir vermutlich als ökologisch skurril eingeordnet. Andere Bezeichnungen sind aber ebenfalls denkbar. Ein anderer Anrainer streute unverdrossen weiterhin Essensreste in unseren Garten. Für die Tiere, war der großherzige, die gesamte mitteleuropäische Kreatur einbeziehende Begleitkommentar. Leicht verschnupft wurde zur Kenntnis genommen, dass wir Wurstzipfel, angebrannte Kartoffelreste und Sardinendosen als nicht so zierend empfinden würden.
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