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Adblue als Unkrautvernichtungsmittel? (Gelesen 112 mal)

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monili
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Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

monili »

Hallo,

jene ältere Dame, für deren riesige Kiesauffahrt ich vor einiger Zeit ein Unkrautvernichtungsmittel gesucht habe - mit über 80 jätet es sich nicht mehr so leicht 300m² Kiesfläche - hat mir kürzlich folgendes erzählt:

Sie war auf der Tankstelle und wollte Adblue für ihren Diesel-Pkw kaufen. An der Tankstelle wurde sie gefragt, ob sie es als Unkrautvernichtungsmittel benötigt. Das würden fast alle Leute tun, die es auf der Tankstelle kaufen. Die Dame war verwundert und hat es auf ihrer Kiesfläche ausprobiert. Es scheint gut zu wirken.

Ich bin neugierig geworden und habe gegoogelt.
Von "völlig harmlos ist ja nur Harnstoff drin" über "wirkt als Dünger" bis "blos nicht als Unkrautvernichtungsmittel verwenden - jedes Unkrautvernichtungsmittel ist schwer schädlich" (das ist wohl die Fraktion derer, die ihr Gärtner-Diplom auf Facebook gemacht haben) ist bei Google alles zu finden.

Daher würde mich interessieren: kennt Ihr Euch aus - habt Ihr schon davon gehört und was ist davon zu halten? Ist es schädlich? Wie lange braucht es bis es abgebaut ist? Und kann etwas passieren wenn Tiere mit ihren nackten Pfoten drüber rennen und sich hinterher die Pfoten lecken?

LG monili
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Staudo
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

Staudo » Antwort #1 am:

AdBlue ist Harnstofflösung. Es kann schon sein, dass diese in höherer Konzentration ätzend wirkt. Allerdings dürfte der im Harnstoff gebundene Stickstoff umgehend in Richtung Grundwasser wandern, was schon eine ziemliche Sauerei ist.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
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zwerggarten
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

zwerggarten » Antwort #2 am:

unabhängig von der wirkungsfähigkeit dürfte eher die rechtliche situation interessant sein: nicht jede wirksame substanz ist zu jeder anwendung zugelassen. in der regel aus guten gründen. manchmal auch nicht, aber unabhängig davon sollte man sich bloß nicht erwischen lassen, wenn man nicht zugelassenes auf den boden jaucht. :-X
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thuja thujon
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

thuja thujon » Antwort #3 am:

Dann wollen wir die Thematik mal aufschlüsseln.

Zunächst mal ist AdBlue eine Lösung von hochreinem Harnstoff in einem Vollentsalztem Wasser.
Wasser alleine ist relativ ungiftig, wenn dieses als Herbizid wirken soll, dann kann das nur über die Verdrängung von sauerstoff aus dem Wurzelraum funktionieren, so dass die Wurzeln nicht mehr atmen können, schlussendlich absterben und somit auch die Pflanze darüber abstirbt.
Dazu reicht die Menge in der Harnstofflösung AdBlue in der Regel aber nicht aus, weswegen ich mal festhalten möchte, dass Wasser nicht der Wert bestimmende Inhaltsstoff von AdBlue ist, auch bei der Unkrautvernichtung nicht.

Widmen wir uns also dem Harnstoff zu. Kohlensäurediamid chemisch gesehen, eine leicht lösliche Stickstoffverbindung. Kommt er in Berührung mit Boden, wird er in Verbindung mit Wasser schnell von Mikroorganismen zu Ammoniak und CO2 gespalten. CO2 ist eine Säure, Ammoniak eine Base, also alkalisch. Da CO2 ein Gas und nur eine schwache Säure ist, Ammoniak aber eine nicht zu verachtende Base, ist anfangs der Effekt, dass Boden mit Harnstoff eine gewisse Feuchtigkeit braucht, um Ammoniak im Bodenwasser zu binden um ihn vor dem ausgasen zu schützen. Weil auch Ammoniak ist ein Gas.
Kommt es aber mit Wasser in Kontakt, wird es zu Ammonium, eine für Pflanzen- und Mikroorganismenwachstum notwendige Verbindung. Die kurbelt sozusagen das Bodenleben an, wird dabei schnell über nur kurzlebige Metaboliten zu Nitrat abgebaut, ein weiterer Pflanzennährstoff. Dieser Abbau geht relativ schnell, Harnstoff zu Ammoniak innerhalb eines Tages, Ammoniak zu Ammonium in Bruchteilen von Sekunden, Ammonium zu Nitrat je nach Bodentemperatur innerhalb weniger Tage bis zu einer Woche.
Wir haben also innerhalb recht kurzer Zeit eine Vielzahl an Stoffen vorliegen die nach der Gabe von AdBlue entstehen.
2 von den 3 Hauptbeteiligten Stoffen sind Dünger, das freie Ammoniakgas aber wegen seiner Ätzwirkung ein Zellgift und damit auch toxisch für Pflanzen.
Deshalb kann man mit ausreichend krimineller Energie mit AdBlue Pflanzen töten. Am besten unverdünnt in der Sommerhitze auf die Pflanzen spritzen. Weil dann das Wasser fehlt, um aus dem Zellgift Ammoniak das ungiftige Ammonium zu machen.
Damit werden die von der Spritzlösung getroffenen Pflanzenteile verätzt, sterben ab und wenn das Unkraut noch klein ist, zB im Keimblattstadium ohne das erste Blatt entwickelt zu haben, sterben sie auch vollständig daran.
Sind die Unkräuter schon größer, also z.B. mehr wie ein echtes Blatt, können sie sich nach dem verätzen wieder regenerieren und wachsen durch den Düngeeffekt von Ammonium und Nitrat viel besser als ohne diese Behandlung.

Die Wirkung ist also nicht nachhaltig. Ähnlich, aber doch anders, könnte man auch die Pflanzen umbringen mit zB Blaukorn, etwa 500g pro Quadratmeter oder auch Kochsalz mit 500g pro Quadratmeter. Kochsalz hätte dabei den Vorteil, kein Dünger zu sein. Statt 500g Blaukorn könnte man auch 2 bis 20cm Kompost nehmen, auch das bringt junge Keimlinge vor dem Zweiblattstadium um.

Die Nebenwirkungen dieser Substanzen lassen es aber nicht zu, dass man sie als Unkrautvernichtungsmittel einsetzt.
Wir erinnern uns, auch Wasser ist ein Herbizid. Den Garten 10cm hoch mit Wasser angestaut über 2 Wochen, das überleben nicht alle Pflanzen.

Lange Rede kurzer Sinn: wer AdBlue an der Tankstelle kauft um Pflanzen umzubringen, sollte lieber ein zugelassenes Herbizid kaufen, die haben weniger Umweltschädliche Eigenschaften und eine deutlich bessere Wirkung.

Funfakt am Rande: vor rund 80 Jahren wurde noch Dieselöl als Herbizid eingesetzt, um Karotten von Unkraut zu befreien. Man hat es mit rund 300 Liter pro Hektar versprüht, aber ist davon abgekommen, zum einen weil es Krebserregend ist, zum anderen weil die Brandgefahr so hoch ist, wenn man es in diesen absurd hohen Mengen einsetzt.

Weil da ist es ähnlich wie beim Wasser: die Dosis macht das Gift. Und AdBlue hat keine vertretbare Dosis, mit der man es als Herbizid einsetzen könnte. Es ist ein Dünger, kein Unkrautvernichtungsmittel.
Und auch Dünger sollten fachgerecht eingesetzt werden, um das Wachstum der erwünschten Pflanzen sicherzustellen.
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Februarmädchen
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

Februarmädchen » Antwort #4 am:

Funfakt am Rande: vor rund 80 Jahren wurde noch Dieselöl als Herbizid eingesetzt, um Karotten von Unkraut zu befreien. Man hat es mit rund 300 Liter pro Hektar versprüht, aber ist davon abgekommen, zum einen weil es Krebserregend ist, zum anderen weil die Brandgefahr so hoch ist, wenn man es in diesen absurd hohen Mengen einsetzt.
Und die Karotten haben das überlebt?
Ich wäre davon ausgegangen, dass Dieselöl für so ziemlich alle Pflanzen giftig wäre ...

Ob die Möhrchen dann nach Diesel geschmeckt haben? :-X
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

Hyla » Antwort #5 am:

Ist etwas kontraproduktiv, erst Dünger draufzukippen und sich dann irgendwann über das üppig sprießende Unkraut aufzuregen. ::)

Eine Dame mit riesiger Kiesfläche hatte ich auch nebenan. Da hilft nur regelmäßig abflammen. Sie hat's mit Essig versucht, der von einem Auserkorenen auf der ganzen Fläche versprüht wurde. Das hat immer zwei Tage nach Essig gestunken. >:(
Inzwischen wohnt sie eine Etage tiefer, Problem gelöst.
Liebe Grüße!


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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

thuja thujon » Antwort #6 am:

Februarmädchen hat geschrieben: 27. Sep 2025, 21:51Und die Karotten haben das überlebt?
Ich wäre davon ausgegangen, dass Dieselöl für so ziemlich alle Pflanzen giftig wäre ...

Ob die Möhrchen dann nach Diesel geschmeckt haben? :-X
Ja, das war der Witz, es wurde als selektives Herbizid angepriesen. Vermutlich weil die Wachsschicht auf den Blättern der Doldenblütler eine spezielle ist, ähnlich wie bei Kohlgewächsen. Ich habs nie ausprobiert, weiß nicht wie das danach schmeckt. Damals hatte man Hunger, die schlauen Bücher zur Unkrautbekämpfung erwähnen das halt noch, über die Brandopfer bei der Anwendung wird eher geschwiegen. Sowas ist halt wie AdBlue ein absolutes NoGo heutzutage.
Eigentlich genauso wie die Gasflamme.
Ein Gartenwiesel oder notfalls Pendelhacke löst auf Kiesflächen in kürzester Zeit die Unkrautprobleme und lässt Nützlinge wie Spinnen leben.
Ich habs dieses Jahr erst 3 mal wieder zurückgehört, ein absoluter Gamechanger, der Tip sagen die, die zugehört haben.
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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

Hyla » Antwort #7 am:

Mag sein, daß das funktioniert, aber irgendwann mag man nicht mehr.
Bei den heutigen Preisen für Fachkräfte überlegt man sich's zweimal, ob man sich das leisten kann und will. :-X
Da ist das vermeintlich gut wirksame AdBlue ein willkommene Alternative.
Liebe Grüße!


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Re: Adblue als Unkrautvernichtungsmittel?

hobab » Antwort #8 am:

Indem du die Fläche düngst? Da gibts schlauere Methoden.
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