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Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen? (Gelesen 22317 mal)

A rose is a rose is - Erfahrungen, Pflege und Schnitt von Rosen
Historische Rosen, Strauchrosen, Kletterrosen, Wildrosen ...

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Querkopf
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Querkopf » Antwort #120 am:

Alle, wirklich alle Rosensorten zu erhalten, kann sicher privates Ziel für spezialisierte Liebhaber sein. Aber als öffentliche Aufgabe erscheint es mir schier unmöglich: wo, wie, durch wen? Als öffentliche Aufgabe finde ich es auch nicht erstrebenswert, weil solches "Alles-Bewahren" schlicht Historismus wäre (beides ist hier ja schon geschrieben worden). Um zu ermessen, was der historistische Ansatz bedeutet, stelle man sich Städte vor, in denen kein Gebäude aus dem 19. Jh. – das ist die Zeit, aus der die meisten "alten" Rosen stammen – abgerissen werden darf...Klar, der Vergleich hinkt, weil Bauten vitale Alltags-Funktionen erfüllen müssen, Zierpflanzen hingegen nicht. In anderer Hinsicht passt der Vergleich aber doch: Kulturpflanzen sind Kultur-Produkte, genau wie Architektur auch. Kulturpflanzen sind verknüpft mit historischen Prozessen. Sie zeigen, was gewesenen Menschen lieb und wichtig war, sie sind geschichtliche Dokumente, Zeitzeugen. Damit kommt, was das Bewahren betrifft, eine andere Überlegung ins Spiel: Gebaute Dokumente der Vergangenheit sind (oft) ein Fall für den Denkmalschutz. Warum gibt’s sowas eigentlich nicht für Pflanzen-Arten und –Sorten?Wobei man diese Analogie weiter treiben muss, um nicht gleich wieder beim Alles-Bewahren zu landen. Denkmalpfleger prüfen streng, ehe sie einen Bau unter Schutz stellen: Wie ausgeprägt ist die Zeitzeugen-Eigenschaft, wie typisch sind architektonische Details, wie weit ist das Original unverändert erhalten? Und: Wie aussagekräftig ist das individuelle steinerne Dokument im Vergleich zu anderen seinesgleichen? Heißt, dass Denkmalpfleger auswählen. Und dass sie in einer Stadt, in der schon x originale Bau-Dokumente einer Epoche unter Schutz stehen (bleiben wir beim 19. Jahrhundert, Gründerzeit: Kachelöfen, Majolika-Fliesen, Stuck- oder Kassettendecken, Holzdielen- oder Stabparkett-Fußböden, Karyatiden an den Fensterstürzen, etc.), kaum noch um das xpluserste ähnliche Dokument kämpfen werden. Erst recht nicht, wenn Haus Nr. xplus1 längst entkernt ist und bloß noch Fassade und Treppenhaus von dunnemals vorzeigen kann. (Fortsetzung folgt)
"Eine Gruppe von ökologischen Hühnern beschloss, jenes Huhn zu verbannen, das goldene Eier legte, weil Gold nicht biologisch abbaubar sei." Aus: Luigi Malerba, "Die nachdenklichen Hühner", Nr. 137

"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein." (NICHT von Kurt Tucholsky)
Querkopf
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Querkopf » Antwort #121 am:

(Fortsetzung des vorigen Postings) Übertragen auf Kulturpflanzen könnte das heißen (ich umgehe jetzt gezielt die Rosen!): Die Tulpensorte, mit der das holländische Tulpenfieber des 17. Jh.s mal angefangen hat, ist sicher Zeugin ihrer Zeit. Die Sorten, von denen auf dem Höhepunkt der Tulpomanie eine einzige Zwiebel so viel kostete wie eine Villa, sind es fraglos ebenfalls. Aber ob man die unzähligen Sorten, die es dazwischen und zusätzlich noch gab, auch unbedingt bis heute bewahren muss – da zweifle ich. Problem bei dieser Analogie: Architekturgeschichte ist recht gut dokumentiert und erforscht, da haben es Denkmalpfleger nicht ungebührlich schwer, ihre Auswahl-Entscheidungen mit Argumenten zu stützen. Pflanzen-Auswahl hingegen lässt sich bisher nicht mal ansatzweise nachvollziehbar begründen, weil kulturhistorische Forschung zu Pflanzen fast völlig fehlt; da gibt’s immensen wissenschaftlichen Nachholbedarf. (Schwierig: Dieses – unbedingt nötige! – Nachholen geht nur interdisziplinär, und wann kriegt man schon mal Historiker, Ästhetik-Kundige und Botaniker zu gemeinsamen Projekten zusammen? Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit, bis Wissenschaftler begreifen, welch großes und potenziell fruchtbares Forschungs-Feld hier brachliegt.)(Fortsetzung folgt)
"Eine Gruppe von ökologischen Hühnern beschloss, jenes Huhn zu verbannen, das goldene Eier legte, weil Gold nicht biologisch abbaubar sei." Aus: Luigi Malerba, "Die nachdenklichen Hühner", Nr. 137

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Querkopf
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Querkopf » Antwort #122 am:

(Fortsetzung des vorigen Postings)Daneben stehen andere, nicht kulturhistorische Argumente fürs Bewahren von Sorten. Biodiversität etwa. Bei Nutzpflanzen ziehen Fachleute längst Sorgenmienen, weil zu wenig fürs Erhalten geschieht. Die international gängigen Apfelsorten zum Beispiel repräsentieren nur einen winzigen Genpool; käme ein neuer Schädling auf, dem diese Sorten nicht widerstehen können, wären fatale Folgen denkbar, so wie weiland die großen Attacken der Reblaus. Schmal bekanntlich auch das Handelssortiment an Kartoffeln, Tomaten, Kopfsalaten undundund; ähnlich problematische Auswahl-Prozesse sollen bei Getreide ablaufen, obwohl verschiedene Sorten nun mal unterschiedlich gut für verschiedene Böden, verschiedene Klimabedingungen undsofort geeignet sind. Bei derlei nützlichen Kulturpflanzen gibt’s neben kulturhistorischen also auch handfeste praktische Gründe, auf Sortenvielfalt zu achten. Schließlich braucht mensch was zu essen, und das soll tunlichst schmecken (was man von den wässrigen Discount-Untomaten aus holländischem Treibhaus-Massen-Anbau ja nicht unbedingt sagen kann). Es lassen sich aber auch gute Gründe fürs Auswählen ins Feld führen. Wer wollte, beispielsweise, besonders reblausanfällige Traubensorten um jeden Preis bewahren? Oder: Welcher vernünftige Tulpenzüchter/ -Liebhaber wird sich die Virosen in den eigenen Bestand holen, die fürs Aussehen mancher "Tulpenfieber"-Kostbarkeit verantwortlich waren? Oder: Bei den Weihenstephaner Staudensichtungen hagelt’s regelmäßig harsche "Überflüssig"-Wertungen, weil Sorten vorab definierten Standards nicht genügen – empörte Aufschreie darüber habe ich noch nicht vernommen (aber bisher auch nicht beobachtet, dass ungünstig beurteilte Traditionssorten aus dem Angebot gekegelt worden wären). Lauter Kultur-Kriterien, Gesundheit, Resistenz, Blühfreude, Standfestigkeit, etc.pp. So weit diese Kriterien durchsichtig und überprüfbar sind, ist ihre Anwendung für die Auswahl von Kulturpflanzen legitim und sinnvoll. Warum sollte man Rosen dabei ausnehmen? Der Knackpunkt ist allerdings die Transparenz der Auswahlkriterien. Wenn die womöglich fehlt und sich die Frage nach dem "cui bono" aufdrängt, wird’s kritisch. Dennoch: Das (historistische) Plädoyer fürs Alles-Bewahren kann ich nur respektieren – anschließen kann ich ihm nicht. Selbst Denkmalschützer, siehe oben, wählen aus... Schöne GrüßeQuerkopf
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Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #123 am:

Solche Verfahrensweisen mit Resourcen kann ich auch nicht mit Begriffen wie "Wirtschaftlichkeit"entschuldigen.Da geht es doch ganz platt um Dummheit!
Vielen Dank, Nova Liz, dass du meine Argumentation, die einen Erklärungsversuch liefert (und auch Verständnis für wirtschaftlich begründete Handlungsweisen zeigen will), als "platte Dummheit" bezeichnest.Das Problem der "Idealisten" ist eben ihre nicht selten anzutreffende Maßlosigkeit, das Negieren von Realitäten und Sachzwängen und der Tunnelblick, der möglicherweise vernünftige Handlungsweisen erst gar nicht zur Kenntnis nehmen will.So wird auch gar nicht zur Kenntnis genommen, dass die Kritiker des "Alles-Bewahren-Wollens" gar keine Gegner sind, sondern allenfalls die Träume der Idealisten etwas mehr in die Nähe der Realität rücken. Querkopf hat seine Ansichten an der Architektur festgemacht. Ein gelungenes Beispiel, dem vermutlich aber noch weniger folgen werden. Ich erdreiste mich, selbst auf die Gefahr, erneut indirekt der Dummheit bezichtigt zu werden, es wie auch vorher allein an Beispielen des Züchterwahns aufzuzeigen. Dein Postulat konsequent fortgeführt würde heißen:Alle Züchtungen, egal ob marktfähig oder nicht, zu erhalten bei (beispielsweise):- Taglilien- Pfingstrosen- Rhododendren- Stiefmütterchen- Primeln- Hunden- Kühen- SchweinenDie Betonung liegt nicht auf selektivem Erhalt, sondern auf allen, denn du forderst ja den Erhalt aller historischen Rosen. Und historisch wird irgendwann alles einmal. Da du in deiner Liebhaberei ja wohl sehr gut bewandert bist, wirst du mit Sicherheit sagen können, wieviel Rosen-Neuzüchtungen jedes Jahr bei den Züchtern anfallen. Damit meine ich nicht allein diejenigen, die benamst auf den Markt kommen, sondern auch die, die der Züchter schamvoll zurückhält, weil sie gewisse Mode-Ideale nicht erfüllen. Das alles willst du erhalten? Mit welchem Platz, mit welchen geldlichen Mitteln?Idealisten sollten ein wenig einhalten, bevor sie Andersdenkende in eine Ecke stellen, wohin sie nicht gehören. Rosen eignen sich hervorragend für emotionale Diskussionen. Die hier anstehende reine Sachfrage hingegen nicht.
sarastro

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

sarastro » Antwort #124 am:

Hach, du bist so erfrischend realistisch, hast du denn kein Fünkchen Idealismus am Leibe? ::) Wir sollten eigentlich realistisch genug sein, Kulturgut erhalten zu wollen, ob es sich um einen Botanischen Garten, eine Pflanzen- Bilder-Porzellan oder Wasweißichnochsammlung handelt. Und hier nicht immer gleich nach den Kosten zu fragen. Sicher ist dies wohl ein nicht zu unterschätzender Faktor, aber es wird zu viel Geld für irgendanderen Blödsinn hinausgeworfen. Und jetzt kommst du wieder, ob ich wohl entscheiden könne, was ökonomisch sinnvoll etc. ist. Hier wird offenbar einfach zu merkantil gedacht oder täusche ich mich da?Ja, ich bin auch Idealist, bin auch maßlos und gierig, will alles erhalten, gehe aber weder mit Ellenbogen durch die Welt, noch zähle ich mich zu den realitätsfremden Geschöpfen. Denn an die Grenzen gelangt doch automatisch jeder Idealist, sei er Rosensammler oder Bewahrer historischer Gebäude. Eine Hemerocallis 'Europa' ist heutzutage langweilig, es muss mindestens 'El Desperado' sein! Gestern war 'Johann Strauß' gesellschaftlich salonfähig, morgen wird es eine andere Rose sein. Der Markt reinigt die Sortimente von selbst, aber dies bedeutet nicht, dass wir nicht auf die Erhaltung historischer Sortimente schauen sollen. Perfektion ist hier nach Hortu gefragt, also alle 70.000 Irissorten, alle 55.000 Hemerocallis, alle 60.000 Rosensorten und so weiter und so fort. Dies stößt doch von selbst an Grenzen!Fanatische Sammler wird es aber hoffentlich immer geben!!! Sonst geht uns ein gehöriges Stückchen Lebensqualität abhanden und nichts finde ich entsetzlicher, als dieses I-Tüpfchen-Reiten um Quoten, Arbeitsplätze etc., wo immer mehr Kultur den Bach hinunter gespült wird. Mir fiele noch eine Menge ein, aber gleich bekomme ich wieder einen Deckel aufgesetzt, vonwegen Realitätsferne und schließlich sei ein Sarastro dafür verantwortlich, dass Atombomben gebaut und durch seine Steuergelder historische Bauten abgerissen werden.
sonnenschein
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

sonnenschein » Antwort #125 am:

Ich bin Idealistin.Zudem teile ich meine Zeit auf zwischen Erhalten alter Häuser und der Suche nach (alten) Rosen.Querkopfs Beispiel macht mir wieder ganz deutlich, daß man nur erhalten kann, was man kennt. Wenn wir bei den Häusern sind: wir haben hier in unserer Region sehr alte und dabei noch sehr altertümelnde Häuser entdeckt, bei denen wir Jahre kämpfen mußten, um sie unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Nun aber gelten sie als Sensation und werden demnächst in den öffentlichen Denkmalblättern als solche präsentiert.Und nun habe ich auch angefangen, die Rosen in dieser Region zu suchen und zu "erforschen". Das sind Rosen, die sich über mindestens hundert Jahre hier gehalten haben und nun meist durch Unkenntnis gegen Aldi-Edel ausgetauscht werden. Weil die Leute inzwischen gelernt haben, daß Rosen im Frühjahr einen Radikalschnitt brauchen um gut auszusehen und zu blühen. Das führt bei einmalblühenden Rosen dazu, daß sie natürlich nicht mehr blühen und demzufolge spätestens nach zwei Jahren rausgeworfen werden. Obwohl sie wunderbar angepaßt sind in der Region, obwohl sie Geschichte haben, da sie von Generation zu Generation und von Dorf zu Dorf, völlig abseits merkantilen Interesses, weitergegeben wurden.Diese Rosen stehen vielleicht in Sammlungen wie Sangerhausen - vielleicht auch nicht. Das herauszufinden, erfordert ein Abenteuer Rosenbestimmung.Alles am Markt festzumachen, schon gar die Würdigkeit, ob eine Rose erhaltenswert ist, ist in meinen Augen Unfug. Es gibt eine Welt abseits des Kommerzes ;) 8).Dort ist die Rose, die in Ururgroßmutters Garten entstanden ist durch Aussaat oder Mutation und in der Region weitergegeben wurde bis zum heutigen Tag genauso erhaltenswert wie eine Rose, die ein Mann ( ;)) der sich die Rosenzucht auf die berufliche Fahne geschrieben hat, gezüchtet und in Umlauf gebracht hat.Um zum Thema und zur Parallelwelt Baudenkmal zurückzukommen: ich erhoffe mir mit der Liste eine Parallele zur Liste des Weltkulturerbes. Ihr wißt schon, die Bauten, die im Kriegsfall mit Neutronenbomben von unerwünschten Menschenfeinden gesäubert werden sollten, damit sie erhalten bleiben ( :().Die gilt weltweit. Dann gibt es in den einzelnen Ländern Bauwerke, die per Gesetz geschützt sind, darunter dann noch in Deutschland zum Beispiel nicht denkmalgeschützte Bauten, aber als geschütztes Ensemble mit erfaßt und zuletzt noch solche, die in Sanierungsgebieten festgeschrieben sind.Auch hier gehen wegen Unwirtschaftlichkeit immer wieder Werte verloren. Das wird auch bei den Rosen so sein.Bleibt eben meiner Ansicht nach, die "Freilichtmuseen" und Rosarien zu unterstützen, daß sie ihren Bestand mindestens halten können, wenn nicht ausbauen und private Sammler und Liebhaber zu motivieren, sich auch um den Rest zu kümmern.Ich jedenfalls tue es und tue es gern.Jedem seine Abenteuerlust - dem einen eine Kraxelei auf den höchsten Vulkan der Welt, mir mein Nervenkitzel beim Suchen nach neuen alten Wundern rund um mich herum.
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Silvia
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Silvia » Antwort #126 am:

Das Problem ist, es kostet halt Geld. Und dieses Geld muss man erst mal haben. An dieser Stelle hilft einem der Idealismus leider auch nicht immer weiter. LG Silvia
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
sarastro

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

sarastro » Antwort #127 am:

Das ist doch toll, Sonnenschein!Rosarien, Botanische Gärten etc. sind eine Art von Museen, wie übrigens ein Staudensichtungsgarten ebenfalls ein lebendes Museum sein kann. Und das man mich nicht falsch versteht: dies entbindet deren Betreiber nicht, auf ein Minimum an Wirtschaftlichkeit zu achten, sei es durch Eintrittsgelder, Vorträgen oder Führungen, um die Rentabilität nicht von vorneherein infrage zu stellen. Unterstützenswert sind daher in jedem Falle sämtliche private Sammler, die sich aufgrund der Sortenfülle ja ergänzen können. Doch dies erfordert ein Gros an Idealismus, der über das einzelne Engagement hinausgeht.Schlussendlich frei nach Helmut Qualtinger: "Za wos brauch ma des?"
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #128 am:

Es geht doch gar nicht um ein Utilitätsprinzip. Aber es geht wie stets in der Welt um die Frage, was mit vernünftigen Mitteln bewahrt werden kann und was bewahrenswert ist.Das erstere richtet sich meist nach Sachzwängen. Auch Sarastro tut das, sonst könnte er ja seine Firma als grenzenloses Auffanglager für was auch immer anbieten. Niemand in dem ganzen Diskurs hat Kritik an Rosarien oder extensiven Rosensammlungen geübt. Ich lediglich an der Forderung "Alles", an diesem Absolutheitsanspruch. Es lassen sich weder alle alten Gebäude, noch alle Pflanzenzüchtungen, noch alle Tierkreuzungen erhalten. Es wäre auch schlicht unvernünftig. Kommen wir also zu dem "Was".Die Auswahl des "Was erhalten werden soll" ist doch der eigentliche Kern dieses Threads. Wer soll Richter darüber sein, was auf die Arche Noah kommt? Und hier kommen jetzt Eitelkeiten ins Spiel. Klar, dass ich schäume, wenn meine Lieblingsrose XY durch Altherrenspruch verbannt wird. Sarastro hat es doch geschrieben. Er sieht sich offenbar als realistischen Idealist. Er entscheidet somit tagtäglich, was auf den Kompost kommt. Damit ist er aber kein Idealist (einer, der die Realität aus den Augen verliert), sondern er hat Ideale. Und das möchte ich niemandem absprechen.Das Problem lässt sich doch recht einfach lösen. Was der internationale Rosenverband eliminiert wissen will, pflanzt der der Idealistenverein in Deutschland an. Ich bin mir sicher, dass dieser Verein sehr schnell Kriterien erlässt, was in den begrenzten Garten hineindarf. Die gerade geschmähte ALDI-Rose auf jeden Fall schon mal nicht.
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #129 am:

Hortulanus, hinter namenlosen (oder mit irgendwelchen Fantasienamen versehenen) Aldi Rosen verbergen sich manchmal ältere Teehybriden u.a. die nach Ablauf ihrer Patente in großen Mengen in Ländern mit Billigarbeitskräften angebaut werden ;) Die Liste der "wertvollen" Rosen soll auf eine "Zahl im unteren Tausenderbereich" beschränkt bleiben und im großen Ganzen Rosen beinhalten, die "im Handel sind", denn diese hätten sich ja "durch die Tatsache, daß sie noch im Handel sind, ausreichend bewährt".Man hat sich entschlossen, auch Herrn Austins Züchtungen mit hineinzunehmen, manche möchten möglichst viele botanische Sorten mit in die Liste aufnehmen, andere auch die Züchtungen weiterer, neuzeitlicher Züchter in toto.Wenn man sich die gewünschte/geforderte Höchstzahl dieser Liste anschaut und dann z.B. die Austin Rosen (abzüglich derer wahrscheinlich, die diese Firma selbst aus ihrem Programm genommen hat und die oft die besten Gartensorten sind) abzieht, die Moore Rosen, alle "rigorosen" Sorten, die botanischen Formen und solche wie The Fairy und Bonica etc, dann kann man sich schon vorstellen, daß nur sehr, sehr wenige historische Rosen überhaupt mit in diese Liste sollen. Das werden dann wiederum nur solche sein, die es eh in jedem Standardsortiment, in jedem Rosarium und in hunderttausend Gärten gibt.Darum hinkt m.E. der Vergleich mit der Architektur ein bißchen:Geschützte Architekturdenkmäler sind meist einzigartig und darum gefährdeter als die paar historischen Sorten, die letztendlich in dieser Liste stehen werden: Die sind so verbreitet, daß ihre Existenz nur durch eine globale Katastrophe in Gefahr geraten könnte.Eine Liste weitverbreiteter Beststeller zu erstellen hat nichts mit Erhaltung der Biodiversität zu tun. Nicht Standardsortimente brauchen besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz, sondern seltene, fehlbeschilderte und unbekannte Rosen, deren jeweilige Vertreter möglicherweise die letzten Exemplare ihrer Sorte darstellen.
Querkopf
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Querkopf » Antwort #130 am:

Hallo, Raphaela,
Darum hinkt m.E. der Vergleich mit der Architektur ein bißchen:Geschützte Architekturdenkmäler sind meist einzigartig und darum gefährdeter als die paar historischen Sorten, die letztendlich in dieser Liste stehen werden...
Da bin ich nicht so sicher: Die Denkmalpfleger sind mittlerweile bei den 50er Jahren angelangt, stellen Bauten aus dieser meist wenig geliebten Epoche unter Schutz. Als Zeit-Dokumente eben. Und ohne Rücksicht auf aktuelle Moden. Muss ich hinzufügen, dass ich das angemessen und richtig finde, ohne Wenn und Aber? ;)Genauso angemessen und richtig finde ich's, historische Rosen-Sorten zu bewahren. Viele. Und letztlich ist da weit mehr möglich als bei Architektur - eine Rose braucht nun mal weniger Platz als eine Kirche, eine Halle, ein Förderturm oder ein Haus. (Meine Zweifel und Einwände gelten nicht dem Bewahren, ganz im Gegenteil - wer Zeugnisse des Vergangenen um des Aktuellen willen auslöscht, kappt diesem Aktuellen die Wurzeln. Bedenken habe ich einzig und allein gegenüber dem Anspruch, "alles" und "alle" zu bewahren. Erstens aus praktischen Gründen: Dieser Anspruch dürfte in der Wirklichkeit kaum einzulösen sein. Zweitens aus grundsätzlichen Überlegungen heraus: Auch gegenüber der Geschichte hat die Gegenwart ihr Recht.)
Raphaela hat geschrieben:...Nicht Standardsortimente brauchen besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz, sondern seltene, fehlbeschilderte und unbekannte Rosen, deren jeweilige Vertreter möglicherweise die letzten Exemplare ihrer Sorte darstellen.
Stimmt. Und natürlich stimmt's ebenso, wenn Sonnenschein sagt, man müsse vor der Entscheidung fürs Erhalten oder Nichterhalten erstmal dasjenige kennen, um das es geht - daran hapert's gewaltig bei Rosen und anderen Pflanzen; Forschungsarbeit zu ihrer kulturellen Bedeutung gibt es bisher allenfalls ansatzweise (das hatte ich ja weiter oben schon angemerkt). Angesichts solch jämmerlichen Kenntnisstandes ist es derzeit viel zu früh für irgendwelche Listen, die in den Rosarien pflanzenvernichtende Taten zur Folge haben könnten. Man sollte erstmal ein, zwei Jahrzehnte mit intensiven (kultur-)wissenschaftlichen Studien zum Thema Kulturpflanzen ins Land gehen lassen: Dann ließe sich eine Auswahl sicher weit fundierter treffen. Wobei man sich den Verzicht genauer überlegen muss als das Stehenlassen. Denn Überflüssiges oder nicht mehr Bezahlbares wegwerfen kann man jederzeit. Aber einmal Verschwundenes bleibt verloren.Knackpunkt Nr. 1 ist und bleibt ohnehin, wer derlei Listen nach welchen Kriterien und aus welchen Motiven erstellt und was letztlich drinsteht. Knackpunkt Nr. 2 ist, wer sich an solche Listen gebunden fühlt oder binden will und stante pede Sorten, die nicht drin stehen, verwirft. Sprich: ersetzt. Letzteres kostet schließlich Geld. Und das fehlt den Rosarien eh schon - so gesehen, könnten die knappen Finanzen durchaus die (weise) pragmatische Entscheidung nach sich ziehen, bestehende Sammlungen erstmal zu lassen, wie sie sind ;)... Schöne GrüßeQuerkopf
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"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein." (NICHT von Kurt Tucholsky)
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #131 am:

Eine Liste weitverbreiteter Beststeller zu erstellen hat nichts mit Erhaltung der Biodiversität zu tun. Nicht Standardsortimente brauchen besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz, sondern seltene, fehlbeschilderte und unbekannte Rosen, deren jeweilige Vertreter möglicherweise die letzten Exemplare ihrer Sorte darstellen.
Ich stimme dir weitgehend zu und wir sind auch gar nicht so weit auseinander. Ich habe lediglich den Eindruck, dass ein kritisiertes Entscheidungsgremium durch ein anderes ersetzt werden soll bzw. unterschiedliche Entscheidungsparameter vertreten werden, von denen aber jedes zweifelhafte Aspekte hat.Deine Anmerkung, dass nicht die Standardsortimente besondere Aufmerksamkeit benötigen lässt mich daran erinnern, dass die alten Aurikel- und Primelsorten, die inzwischen weitgehend ausgestorben sind auch einmal zu den Standardsortimenten gehörten. Da die Marktfähigkeit von Blütenpflanzen sehr stark von Modetrends abhängig ist, kann es ohne weiteres sein, dass eine "Gloria Dei" oder eine "Duftwolke" eines Tages aus den Katalogen verschwunden ist. Ich glaube sogar, dass die "Verfallzeit" von Sorten immer kürzer werden wird, da die Ex-und-Hopp-Mentalität auch bei Gärten zunimmt.Ich glaube kaum, dass noch neue Argumente ausgetauscht werden können. Wir Kritiker (wenn ich mal Querkopf mit einbeziehen darf) wenden uns nicht gegen umfangreiche Rosarien, sondern lediglich gegen die Extremforderungen. Wie auch immer, ihr "Idealisten" werdet das Ganze schon schaukeln.
sonnenschein
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

sonnenschein » Antwort #132 am:

Klar, mit Eurer Hilfe schon.... ;)
Es wird immer wieder Frühling
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #133 am:

Es gibt gar keinen vernünftigen Grund für irgendwelche Entscheidungsgremien und Entscheidungskriterien, das ist ja das Absurde.Die großen Sammlungen haben Kriege und Notzeiten zwar mit Verlusten, aber immerhin zum größten Teil überstanden. Warum sollten ausgerechnet jetzt die Sortimente angetastet werden?Der WFRS ist weitgehend eine Produzentenlobby. Die großen Sammlungen sollten aber in toto als allgemeines Kulturerbe eingestuft werden, das unerschöpfliche und frei zugängliche (die Eintrittspreise sind ja moderat) Studienmöglichkeiten für Interessierte bietet und nicht zum Spielball einer kleinen Gruppe mit sehr großem Einfluß werden.Welche katastrophalen Auswirkungen das ungehinderte Ausleben von Profitinteressen für die Biodiversität haben kann, hat ja u.a. die Maul-und Klauenseuchenpolitik der EU gezeigt, infolge derer u.a. resitente Bergschafrassen in Wales ausgestorben sind und in ganz Großbritannien nicht nur die Existenz sehr vieler spezialisierter kleiner, sondern auch die eines großen Teils der mittelständischen Farmer zerstört wurde. Auch hierzulande hätte man vor seltenen und besonders wertvollen Haustierrassen nicht Halt gemacht.Ich habe mich zu diesem Thema damals sehr engagiert und mein berechtigtes Mißtrauen gegenüber der Macht von Lobbyisten hat da seinen Ursprung.Ein weiteres Beispiel ist die Politik auf dem Gebiet der Nahrungsmittel, wo auch versucht wird, den freien Handel mit "nicht genormtem" Saatgut seltener Gemüsesorten u.a. einzuschränken und möglichst zu unterbinden.Viele traurige Beispiele findet man u.a. auch im Bereich der Architektur.Im Fall der Liste der "wertvollen" Rosen tragen folgende Tatsachen zur Beunruhigung bei: Die Sponsoren werden nicht genannt und es wird sehr viel Wert darauf gelegt, daß die Mitglieder der Mitgliedsvereine (geschweige denn andere Interessierte) nichts über diese Pläne erfahren.Im Übrigen halte ich die Gefahr, daß Gloria Dei aussterben könnte für genau so wahrscheinlich wie die Gefahr, daß der beliebteste Haustyp der größten Bauträgergesellschaft eines Tages nirgends mehr zu finden sein könnte (aber bei Gloria Dei wäre der Verlust natütrlich größer);)
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #134 am:

Ich bin ja schon froh, dass du historische Rosen nicht in den Rang eines „Weltkulturerbes“ erhoben hast. Ob sie wie Baudenkmäler überhaupt ein Kulturerbe sind, wovon ich nicht auf Anhieb überzeugt bin, könnte zusätzlich diskutiert werden. Sie sind zweifellos ein wesentlicher Bestandteil unserer Gartenkultur und werden deshalb überdauern, so lange es Gärten gibt. Das gilt aber für die Rose als Spezies und der daraus resultierenden Züchtungserfolge, m.E. aber nicht für jede einzelne Zuchtsorte, ob historisch oder modern. Das Verschwinden von Rosen- und Tierzüchtungen ist ein evolutionärer Prozess, selbst wenn er willkürlich durch den Menschen ausgelöst wurde. Tier und Pflanze werden allein aus Zweckmäßigkeitsgründen gezüchtet. Mit der gleichen Zweckmäßigkeit kann man sie auch wieder untergehen lassen. Haben sie ihre Zweckmäßigkeit eingebüßt, ist es reine Nostalgie, sie weiter zu erhalten. Bei den Rosen fällt diese sehr hart klingende und bewusst sehr nüchtern bleibende Betrachtung allein aus romantischen Beweggründen sehr schwer. Bei einer Getreidesorte atmet man hingegen schon deutlich leichter. Bauwerke, Gemälde, Skulpturen, Landschaftsgestaltung u.a. sind das Ergebnis menschlicher Kreativität, höchsten handwerklichen Könnens und in ihrer besten Ausprägung das Ergebnis einmaliger Fähigkeiten. Die massenhafte, z.T. industrielle Züchtung von Tieren und Pflanzen, deren Zuchtergebnisse nicht selten auf einem Zufall beruhen, in den gleichen Rang erheben zu wollen, erscheint mir übertrieben.
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