Re:Die deutsche Tageszeitung und der Garten
Verfasst: 12. Mai 2005, 23:16
seufz... 

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Wie gut, dass wir hier die besseren Gartenmenschen sind, gell ;)Gärten sind eine Frage des Geschmacks, des Zeitgeistes und der Sachkenntnisse. Last not least aber auch der aufzuwenden Zeit. Wenn ich hier im Forum lese, wie oft Kugel- und sonstwas für den Garten gesucht wird, nach anderen disziplinierten Pflanzen (quadratisch-praktisch-gut) oder mit Leidenschaft nach Pflanzen gestöbert wird, die sich um kaum noch erkennbare Nuancen unterscheiden, erscheint mir unser Ross mitunter etwas arg hoch.Zu den Zeitungen: Den größten Leseranteil dürfte die meinungsbildende Presse unter den Männern haben. Da bei diesen die Gärtner unterrepräsentiert sind, lohnt es sich für die großen Zeitungen nicht, über diese Themenbereiche zu berichten. Bei den Lokalblättchen sieht es da schon anders aus. England hat eine andere Tradition.Joah, das Elend in den neudeutschen Hypotheken-Siedlungen ist allgegenwärtig...
Was die Gartencenter und Baumärkte halt so hergeben. Darf ja auch nicht so viel Aufwand machen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder nächte- und wochenlang in Büchern und im Internet schlaumachen würde? Da kämen ja die (anderen) Hobbies alle zu kurz! Und über was unterhalte ich mich mit meinem Nachbarn, wenn ich den Garten voller seldener Blömsche habe?@ hortulanus,an den vorgärten stört mich nicht, daß sie anders sind als meiner, sondern daß sie alle gleich sind. die geschmäcker sind eben nicht verschieden. zumindest sehe ich davon nicht viel.gruß
Was den Kürbis angeht, da sind die Engländer absolut führend. Die haben für alles und jedes, was im Garten wächst, irgendeine Ausstellung.Schulgarten ist ein schönes Thema. Zwar ist Garten und Gartenarbeit nicht a priori ein intellektueller Themenbereich (wird er erst, wenn man in die Tiefe geht), aber in den sog. Schulgärten wird, von Ausnahmen einmal abgesehen, die ich gerne mal Kennen lernen möchte, ja allenfalls das Aussäen und Aufziehen von Salatpflanzen vermittelt. Das Vermitteln von Gartenkultur mit den historischen Querverbindungen geschieht doch so gut wie gar nicht. Ich kenne einen Studienrat, der den Schulgarten betreut. Im eigenen Garten null Ahnung. Was soll der, bitte schön, vermitteln?Ist aber auch nicht so wichtig. Das Interesse am Garten entsteht erst mit der eigenen Scholle. Dann aber sucht man die Infos wohl weniger in der FAZ, als in den einschlägigen Fachzeitschriften, von denen man getrost die meisten, ohne sie gelesen zu haben, dem Müll überantorten kann.Ab und zu dann noch was herziges vom Schulgarten oder der größte Kürbis des Bezirks.
Das stimmt schon, außer Goethe und seinem Gingko und seinem Diptam fällt ja kaum einem was zu dem Thema ein. Aber bitter ist es schon. Mich hat, seit ich meinen Garten habe, so richtig die Pflanzensucht gepackt - aber noch nie ist es mir bei einer meiner Leidenschaften so gegangen, dass ich sie publizistisch so wenig verwertet finde. Gärtern ist also nicht hip. Das ist über die Maßen ärgerlich. Da hilft es, wenn man sich beruflicherweis wenigstens eine intellektuelle Zweitheimat leisten kann.ich denke schon, dass gerade in den "besseren" Zeitungen Garten einfach fehlt, weil Gartenkultur in Deutschland nicht wirklich eine intelektuelle Heimat hat.
Es muss noch komplizierter sein. Unter den deutschen Geistes- und Politgrößen befinden sich genug Gärtner. Hermann Hesse und Konrad Adenauer fallen mir auf Anhieb ein; nur hat letzterer keine Rosen gezüchtet, wie es oft heißt.Von vielen kennt man die gärtnerische Ader nicht. Vor einiger Zeit stieß ich zB darauf, dass der Hamburger Komponist Georg Philipp Telemann (damals weit bekannter als sein Zeitgenosse J.S.Bach) in einem Brief an den Kollegen Uffenbach 1742 gestand, er sei der "Bluhmen-Liebe" verfallen, und beichtete "meine Unersättlichkeit in Hyacinthen und Tulpen, meinen Geiz nach Ranunkeln und und besonders Anemonen und meine Begierde nach den mehresten Zwiebelgewächsen". (Anlass war, dass er versehentlich eine Liste seiner Gartenblumen in einen früheren Brief an Uffenbach gesteckt hatte.) Uffenbach antwortete mit dem Geständnis, dass es ihm genau so gehe. Weitere Kollegen erfuhren davon und outeten sich als Gärtner. Sein Freund Pisendel in Dresden schickte ihm eine Kiste mit "Erdgewächsen", deren Inhalt leider nicht näher überliefert ist, und Georg Friedrich Händel wollte aus London ebenfalls eine Kiste mit Blumen schicken, "von denen mir Kenner dieser Pflanzen versichern, sie seyen auserlesen und von bezaubernder Seltenheyt; wann man mir die Wahrheyt sagt, werden Sie die besten Pflanzen von ganz England erhalten". Sie kam nicht an, aber als Händel vier Jahre später davon erfuhr, brachte er die Sendung erneut auf den Weg.Telemann berichtete übrigens schon 1728, dass sonntags "bey schönem Wetter, als es seither gewesen, die hiesigen Kirchen etwas leer von Menschen (deren sich viele auf ihren Gärten befinden) ..." seien.Offenbar war die Gärtnerei weit verbreitet, aber kaum einer der prominenten Gärtner redete offen darüber, möglicherweise weil die Arbeit als unter dem Stand galt.... außer Goethe und seinem Gingko und seinem Diptam fällt ja kaum einem was zu dem Thema ein.