RosaRot hat geschrieben: ↑9. Feb 2021, 10:46.... Inkompetenz von Behörden (bzw. zu vielen Behörden, die strukturbedingt(?) gegeneinander agieren) oder widersinnigen, völlig praxisfernen Bestimmungen/Gesetzen, begründet sind, ...
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Da machst du es dir zu einfach. Ich denke auch, dass es grundsätzlich mal langsam reicht mit den Regelungen und einiges verschlankt werden kann. Allerdings ist der geschilderte Vorfall kein gutes Beispiel. Ob die Behörde, deren Mitarbeiter dir vermutlich gar nicht bekannt sind, inkompetent ist oder nur nach Gesetz entscheidet (und das muss sie), können wir gar nicht beurteilen. Dazu gibt es viel zu wenig Infos. und da halte ich es mit dem alten Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Immer beide Seiten hören.
Es gibt aber tatsächlich inkompetente Behördenmitarbeiter, wie in allen Bereichen.
Und möglicherweise sollte man einige Regeln mal modernisieren, sehe ich auch so. Passiert auch ständig, das hier einschlägige Baugesetzbuch wird auch dieses Jahr mal wieder novelliert, wie schon letztes Jahr, und ich finde, es wird verschlimmbessert, anderes aber ist ein anderes Thema.
Nächter Vorwurf: "völlig praxisfern"...
Kein Gesetz passt für alle Einzelfälle, die Regeln werden für vergleichbare Fälle möglichst gleich gemacht. Ziel des § 35 ist es tatsächlich, das Bauen im Außenbereich = Bereich außerhalb der Siedlungen einzuschränken. Dort soll das stattfinden, was dort besser hinpasst als in die Stadt oder ein Gewerbegebiet, nämlich Landwirtschaft, Forstwirtschaft usw. Da die Kulturlandschaft nicht schwarz-weiß aus Stadt und Land besteht, ist der zuständige § 35 BauGB sehr lang geworden...
Und: Bauen ist im Sinne des Gesetzes ist im Grundsatz einer Umnutzung gleich. Länder, wo die Leute bauen können, wo sie wollen, in denen solche Regeln nicht oder nur halbherzig Anwendung finden, kannst du viele sehen: Die zubetonierte spanische Küste, das wuchernde Umland der amerikanischen Städte, es reichen auch Frankreich oder Belgien oder Londons Umfeld...
Als die Wende kam, durfte übrigens jedes Dorf nun auch in Ostdeutschland bauen, was jeder dahergelaufene Investor vorschlug ("kommunale Planungshoheit" heißt das), ohne dass eine höhere Ebene das noch absegnen musste. Mit dem Ergebnis, dass in Ostdeutschland inzwischen mehr Center auf der grünen Wiese stehen als in Westdeutschland. Inzwischen wird in der ehem. DDR mehr Umsatz außerhalb der Stadtzentren gemacht als in denselben, natürlich mit dem Auto zu erreichen. Saalepark usw. Nicht sehr umweltfreundlich. Da ist Ostdeutschland dem Markt-Liberalismus näher als der westliche Landesteil...
Langer Rede kurzer Sinn: Trotz aller Unzulänglichkeiten ist die Konzentration der Bautätigkeit oder der gewerblichen Tätigkeit auf Siedlungen sinnvoll und einigermaßen gelungen und nicht "völlig praxisfern", auch wenn´s in etlichen Einzelfällen mal wehtut.
Und im Übrigen: ohne diese Regeln hätte Marco den Bauernhof vielleicht gar nicht so günstig kaufen können, denn ohne die einschränkenden Regeln des § 35 vergrößert sich der Käuferkreis für solche entlegenen Immobilien natürlich ganz ungemein. Denn dann könnten ja viel mehr Investoren dort ein Unternehmen starten, entsprechend mehr Nachfrage gäbe es.
In der Darstellung ab ca. 21:50 des Videos (Wolleverarbeiter) heißt es zunächst: Er brauche eine Umnutzung, die "auf dem Papier stattfindet".
Unsinn. Er braucht eine Baugenehmigung wie jedes Vorhaben, und da es vorher Agrar und dann Leerstand war und er eine Manufaktur/verarbeitendes Gewerbe starten möchte, ist es eine "Baugenehmigung für eine Umnutzung".
Natürlich muss
er es bezahlen, wer denn sonst? ich oder andere hier? Zahlen soll natürlich derjenige, der einen Nutzen davon hat, das wäre bei einer Zulassung für ein PSM der Hersteller, zB Neudorff, und bei einer Baugenehmigung ist es der Bauherr. Völlig in Ordnung.
Das hat auch nichts mit Außenbereich zu tun, da hat er etwas nicht verstanden (was nicht schlimm ist), und der NDR hat es nicht erläutert, weil es wohl zu unterhaltsam war. Eine Baugenehmigung bräuchte er auch in der Stadt...
Um eine Baugenehmigung im Außenbereich zu erhalten, muss auch nicht der Flächennutzungsplan geändert werden, wie im weiteren Verlauf dargestellt wird. Unsinn. Da hätte ich auch die eine oder andere Frage an die Landrätin, aber da war der NDR ja erneut zu faul nachzufragen.
Der F-Plan ist eine Gesamtplanung für die ganze Gemeinde, eine Übersicht und Vorstufe für Bebauungspläne. Dort ist z.B. dargestellt, ob Marcos Gegend Dorf oder Landwirtschaft ist. für ein kleines Vorhaben würde man aber nichts ändern, könnte man gar nicht städtebaulich begründen. Eine Änderung des F-Plans wird üblicherweise nur bei größeren (ab ca 1 Hektar) Vorhaben nötig, und zwar nur wenn ein Bebauungsplan gemacht werden soll, der dem bisherigen F-Plan widerspricht. Wenn also dort, wo jetzt Gewerbegebiet ist, nun Wohngebiet entstehen soll.
Das ist hier nicht geplant, er braucht also nur eine Baugenehmigung für sein Vorhaben einer Umnutzung.
Wie bekommt man diese im Außenbereich? ein Blick ins Gesetz hilft.
www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__35.htmlGanz leicht sind die sog. privilegierten Fälle:
- Älterer Bauer gibt seine Landwirtschaft auf, möchte dort aber wohnen bleiben.
- Sohn des Bauern will in der Scheune eine kleine Tischlerei starten.
- Denkmalgeschützte Mühle soll Feriengästen dienen, die den baulichen Unterhalt so finanzieren
usw...
Zu Marco: Da er kein landwirtschaftliches Vorhaben starten möchte, auch kein Wohnhaus plant und da die Ställe möglicherweise schon länger leerstehen, könnte § 35 Abs. 4 Nr. 4 BauGB helfen:
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, ... (
vereinfacht: können wegen Verträglichkeit genehmigt werden):
4. die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,Warum hierüber keine Genehmigung möglich sein soll, würde ich gern mal wissen. Wenn ich nächste Woche Zeit habe, schreibe ich den NDR an.
Mit wenig Hoffnung, solche Anfragen werden meist nicht beantwortet.Möglicherweise gibt es noch mehr Fakten, die meine Einschätzung beeinflussen oder abändern könnten. Dass das Amt einfach nur stur ist, kann ich mir nicht vorstellen. Der Bürgermeister setzt sich ja dafür ein und dürfte einen Draht zum LK haben.
Das ist aber alles nicht in der NDR-"Doku" dargestellt.
Nachtrag zuguterletzt:
[quote author=RosaRot link=topic=61430.msg3627602#msg3627602 date=1612863969]
.... Behörden...widersinnigen, völlig praxisfernen Bestimmungen/Gesetzen, begründet sind, die den Bauern das Leben schwer machen...