Seite 156 von 238
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 17:57
von Chica
Bristlecone hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 15:14Die Krefelder Studie zeigt - mit Abstrichen - eine Minderung der Insektenmasse. Artenzahlen wurden da nicht bestimt.
Schauen wir uns beispielhaft über die Jahre einfach die Roten Listen der Wildbienen und Tagfalter an (zu denen kann ich etwas sagen), die werden lang und länger. Lesen wir dann noch die namhaften Wildbienenbiologen Deutschlands. Ein Arten- und Individuenrückgang ist Fakt, ich finde es verblüffend dass das hier immer wieder Diskussionsstoff ist :o . Wir kommen doch nicht aus dem Wald! Vor diesem Hintergrund ist für mich jede Idee zu alternativen Methoden in der Landwirtschaft erst einmal prüfenswert, in jedem Fall. So eben auch die Agroforstwirtschaft.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 18:00
von Bristlecone
Das mag ja alles sein, folgt aber nicht aus der Krefelder Studie.
Ich stimme dir zu, dass die Landwirtschaft großen Anteil daran hat, dass es schlecht um die Artenvielfalt steht, übrigens nicht nur bei Insekten - die sind nur gerad in Mode. Die Nivellierung und Verödung der Kulturlandschaft hat aber auch andere Ursachen.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 18:58
von Chica
Meine "70%" waren wohl die Reizzahl :-\. Die Ursachen des Insektensterbens haben wir ja schon einmal bei der Besprechung
dieses Buches betrachtet: u. a. fällt mir da neben der Landwirtschaft ein: ungünstige Waldbewirtschaftung, Lichtverschmutzung, zunehmender Flächenverbrauch usw. Nur hier geht es ja gerade um die Landwirtschaft. Dass Insektenschutz im Moment in ist finde ich auch verblüffend, ich habe hier vor mehr als 20 Jahren mein Grundstück mit Raupenfuttergehölzen für Tagfalter von einer erstellten Liste eingefasst. Damals war es noch sehr schwierig Wildgehölze zu bekommen, wobei, eigentlich ist das immer noch so. Zum Glück gab es ja Eggert schon ;D.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:06
von lerchenzorn
Liefert Eggert gebietsheimische Gehölze für den Spremberger Raum? ;) (Ein Scherz. In Deinem Garten kannst und darfst Du nahezu alles pflanzen, was Du möchtest.)
Ich befürchte auch, dass man für die biologische Vielfalt nicht zu viel von den neu aufgelegten Agroforstsystemen erwarten darf, würde ihnen aber auf begrenztem Raum die Chance geben, ihr Potenzial zu zeigen. Sicher gäbe es auch Möglichkeiten der "Aufbesserung", wie sie dmks schon angedeutet hat. Die sind aber immer ein zusätzlicher, aus der wirtschaftlichen Rechnung nicht oder selten motivierbarer Aufwand. Also entweder Liebhaberei oder mit zusätzlicher Förderung zu erkaufen.
Es ist bezeichnend, dass die Kritik der Agroforst-Verbände an der Politik sich vor allem gegen aus Naturschutzgründen gesetzte Beschränkungen richtet, wie den Förderausschluss für Robinien. Das zeigt, dass bisher vor allem auf hohe Erträge und Effizienz in der Fläche abgezielt wird (notwendig, na klar) und positive Effekte für landschaftliche Vielfalt pauschal (und leider oft wenig begründet) vorausgesetzt werden. Es ist eben so, dass die Schonung der Böden und die Steigerung ihrer Fruchtbarkeit mit natürlichen Mitteln nicht zwangsläufig auch biologische Vielfalt erzeugen. Dazu gehört wesentlich mehr. Und Robinie baut ganze Standortkomplexe so grundlegend um, dass im Boden kaum noch etwas ist wie vorher. (Hybridpappel-Pflanzungen sind zurecht verpönt, gegen Robinienhaine aber geradezu Sanatorien für die heimische Pflanzenwelt, weil sie offenbar recht mykorrhizafreundlich sind und sich unter der "milden", schnell zersetzenden Laubstreu zum Beispiel Wintergrün- und Orchideenarten ansiedeln können.)
Nicht nur ferne Steppen und Savannen, auch für Mitteleuropa gilt, dass wir die ökologische Bedeutung naturnaher, reich strukturierter Gras- und Krautfluren sträflich unterschätzen. Sie sind es, die in der Fläche am dramatischsten abgenommen haben und in ihrem Zustand am stärksten beeinträchtigt sind. Für sich und im Kontakt mit reich gegliederten Gehölzrändern waren und sind sie die wichtigsten Refugien einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:22
von Bristlecone
lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:06Nicht nur ferne Steppen und Savannen, auch für Mitteleuropa gilt, dass wir die ökologische Bedeutung naturnaher, reich strukturierter Gras- und Krautfluren sträflich unterschätzen. Sie sind es, die in der Fläche am dramatischsten abgenommen haben und in ihrem Zustand am stärksten beeinträchtigt sind. Für sich und im Kontakt mit reich gegliederten Gehölzrändern waren und sind sie die wichtigsten Refugien einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt.
Ich würde den dramatischen Umbau der Fluss- und Bachlandschaften hinzuzählen: der Verlust von Auenwäldern, Feuchtwiesen, Überschwemmungsgebieten, Altarmen, die Begradigung der Flüsse und ihre Nutzbarmachung für die industrielle Nutzung, die Überdüngung. Nicht zu vergessen Kleingwässer wie Tümpel in der Feldflur.
Nur sind das Veränderungen und Verluste, die größtenteils schon so lange her sind, dass sie uns gar nicht mehr so richtig im Bewusstsein sind.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:28
von Chica
lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:06Liefert Eggert gebietsheimische Gehölze für den Spremberger Raum? ;) (Ein Scherz. In Deinem Garten kannst und darfst Du nahezu alles pflanzen, was Du möchtest.)
[/quote]
Ich glaube Gehölze werden auch langsam Thema bei den Regiobereichen 8) aber Du kannst ja mal versuchen bei einer herkömmlichen Baumschule in der Lausitz eine stinknormale Salweide zu bekommen. Schon da hört es auf :-X. Die haben nur die panaschierte, gefülltblühende Zuchtform von aus Mittelamerika stammenden Ziergehölzen :-X. Die verkaufen sich einfach besser, das muss aussehen wie Baumarktware ::).
lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:06Es ist bezeichnend, dass die Kritik der Agroforst-Verbände an der Politik sich vor allem gegen aus Naturschutzgründen gesetzte Beschränkungen richtet, wie den Förderausschluss für Robinien. Das zeigt, dass bisher vor allem auf hohe Erträge und Effizienz in der Fläche abgezielt wird (notwendig, na klar) und positive Effekte für landschaftliche Vielfalt pauschal (und leider oft wenig begründet) vorausgesetzt werden.
Dann kann man im positiven Fall nur hoffen, dass da einfach nur das richtige Wissen fehlt, denn wenn man den Viecherli erst einmal auf's wunderbare Fell geschaut hat, muss man sie eigentlich einbeziehen :D.
[quote author=lerchenzorn link=topic=61430.msg3914632#msg3914632 date=1660583218]
Nicht nur ferne Steppen und Savannen, auch für Mitteleuropa gilt, dass wir die ökologische Bedeutung naturnaher, reich strukturierter Gras- und Krautfluren sträflich unterschätzen. Sie sind es, die in der Fläche am dramatischsten abgenommen haben und in ihrem Zustand am stärksten beeinträchtigt sind. Für sich und im Kontakt mit reich gegliederten Gehölzrändern waren und sind sie die wichtigsten Refugien einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt.
Na dann mache ich ja alles richtig mit meinem "Acker", ähm Gras- und Krautflur ;D.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:32
von lerchenzorn
Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass Dein Garten eine ziemlich idealtypische Halboffenlandschaft (im Modellformat) ist. ;)
@Bristlecone
Zumal die Dynamik der Flusslandschaften eine der Grundlagen für den Bestand der offenen und halboffenen Lebensräume war.
Das sehe ich auch so, dass unser schwaches, mindestens aber lückenhaftes Bewusstsein für das Verlorene ein wichtiger Grund ist, warum es so schwer fällt, konsequenter in eine andere Richtung zu gehen. Einer, neben anderen, zum Teil mächtig gewaltigen Gründen. :-X
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:32
von Bristlecone
Chica hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:28lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:06Liefert Eggert gebietsheimische Gehölze für den Spremberger Raum? ;) (Ein Scherz. In Deinem Garten kannst und darfst Du nahezu alles pflanzen, was Du möchtest.)
Ich glaube Gehölze werden auch langsam Thema bei den Regiobereichen 8) aber Du kannst ja mal versuchen bei einer herkömmlichen Baumschule in der Lausitz eine stinknormale Salweide zu bekommen. Schon da hört es auf :-X. Die haben nur die panaschierte, gefülltblühende Zuchtform von aus Mittelamerika stammenden Ziergehölzen :-X. Die verkaufen sich einfach besser, das muss aussehen wie Baumarktware ::).
Bitte bleib' bei deinen Bienen, und lass es, dich zu Gehölzthemen zu äußern. ;)
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:46
von Blush
lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 19:32unser schwaches, mindestens aber lückenhaftes Bewusstsein für das Verlorene ein wichtiger Grund ist, warum es so schwer fällt, konsequenter in eine andere Richtung zu gehen.
Das ist für mich die Quintessenz. Ein guter, wichtiger, fast poetischer Satz, den du da geschrieben hast. Ich denke, dass es nicht nur mangelndes Bewusstsein, sondern auch Verdrängung ist. Ich bleibe mal bei mir. Ich höre schon lange keine Feldlerchen mehr, es fällt mir auf, ich vermisse es. Dennoch engagiere ich mich noch lange nicht genug, um ein weiteres Artensterben zu verhindern. Das Bewusstsein hätte ich, aber ich schaue lieber auf das, was noch da ist. Dem dramatischen Rückgang an Lebensräumen und Arten ernsthaft ins Auge zu schauen, empfinde ich als unglaublich deprimierend. Lieber also freue ich mich, in diesem Jahr endlich mal wieder Kleine Füchse zu sehen, die ich jahrelang nicht mehr sah. Psychologisch gesund, menschlich nachvollziehbar. Rettet trotzdem nichts.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:47
von Chica
@Bristle
Ich weiß doch was in den Baumschulen hier in der Gegend verkauft wird 8). Schließlich habe ich da händeringend nach Wildgehölzen gesucht um die regionale Wirtschaft zu stärken, wahrscheinlich haben die Gärtner da gedacht ich bin aus dem Ökoladen gefallen mit meiner Liste. Es gibt in den Baumschulen praktisch keine Einkäufer die sich so auskennen wie Du.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 19:51
von Paw paw
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 20:15
von RosaRot
Graslandschaften im Kleinformat sind hier extrem durch Robinie und Liguster bedroht.
Wie kriegt man die wieder los?
Im eigenen Gelände wird der Liguster irgendwann ausgebuddelt, aber außerhalb? Da wuchert er, seit die Beweidung der Feldrandhänge aufgehört hat, also seit 30 Jahren etwa.
Der gegenüberliegend Hang war früher ganz offen, jetzt ist er fast vollkommen zugewachsen, weil die Beweidung , die hier noch bis vor kurzem stattfand, aufgehört hat. Ebenfalls gegenüber kurz vor einem Waldstück war eine schöne Wiese. Die wurde dieses Jahr umgebrochen, weil die Pächter meinten dies tun zu müssen wg. der Neuausschreibung der Pachten. (Sie wollten zeigen, dass sie da tätig sind und das Stück unbedingt brauchen).
Der Förster hat mit Ihnen gesprochen, er wollte, dass die Wiese Wiese bleibt. Wir sprachen unlängst über all diese Themen, er meinte da ist Hopfen und Malz verloren, keinerlei Einsicht bei dieser Bauerngemeinschaft, weder bei den scheidenden Alten, noch bei den nachrückenden Jungen...
Eine andere Wiese hier wird wohl bebaut, nicht weit von uns, weil der Druck nach Einfamilienhäusern hier so stark ist, meinte der Bürgermeister. (Auf ca. 20000m sollen 25 Häuser, laut Investor... :-X)....
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 20:18
von Bristlecone
RosaRot hat geschrieben: ↑15. Aug 2022, 20:15Graslandschaften im Kleinformat sind hier extrem durch Robinie und Liguster bedroht.
Wie kriegt man die wieder los?
Mit Glyphosat. :-X
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 20:23
von RosaRot
Nun ja, ich könnte im Winter hingehen mit Verstärkung, die Stämmchen absägen im Naturschutzgebiet und bepinseln, Stücker hundert Robinie oder mehr..... :-X Wahrscheinlich wäre das strafbar.
Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.
Verfasst: 15. Aug 2022, 20:25
von Bristlecone
Nicht nur wahrscheinlich.
Ein Fall, in dem der Naturschutz sich selbst ein Bein stellt.