Re:Weinbau im Norden!
Verfasst: 18. Jun 2011, 19:39
Es gibt einige Sorten, die sehr verrieselungsempfindlich sind. Dazu gehören Muskat Bleu und Lakemont. Insbesondere in kühleren Gebieten kann man dagegen kaum etwas tun, höchstens im Gewächshaus anbauen, es hinnehmen und sich am Laub erfreuen oder die Rebe entsorgen. In Weinbaugebieten ist die Neigung zum Verrieseln nicht so groß.Wer auf den Geschmack steht, dem kann u.U. mit einem speziellen Klon von Muskat Bleu geholfen werden, der nach dem Züchter von Muskat Bleu benannt wurde, aber die Rebschule, wo es diesen gab, existiert nicht mehr. Vielleicht kann jemand da helfen. Da ich diesen Klon nicht habe, weiß ich nicht, ob dieser wirklich verrieselungsfester ist oder es nur ein Werbeversprechen war.Dann gibt es noch Patrizia, ebenfalls ein Abkömmling von Muskat Bleu. Diese Rebe gibt es in einer schweizer Rebschule, aber ich habe zu dieser Sorte keine eigenen Erfahrungen. Die Erfahrungen in der Schweiz sind recht positiv, aber dort sind die Sommer deutlich wärmer als in Norddeutschland und die Winter deutlich wärmer als in Ostdeutschland oder in niederen Mittelgebirgslagen, so dass man diese Erfahrungen nicht 1:1 auf hiesige Verhältnisse übertragen kann.Ich persönlich habe die Erfahrungen gemacht, dass Reben, die an einem bestimmten Standort hintereinander mehrmals verrieseln immer verrieseln. So habe ich z.B. in 5 "Ertragsjahren" bei Lakemont nie eine einzige Traube geerntet. Auch an meiner südwestlichen Hauswand verrieselt Muskat Bleu praktisch jedes Jahr, aber ein paar kümmerliche Trauben sind manchmal drin. Deshalb steht Muskat Blue schon seit Jahren auf meiner Rodeliste, aber andere Sorten erfrieren schneller, als ich diese sinnvoll ersetzen kann. So bleibt Muskat Blue auch dieses Jahr stehen, obwohl nur wenige Beeren pro Traube befruchtet sind. Eines muss man Muskat Bleu lassen - er ist relativ frostfest, frostfester als alle osteuropäischen Sorten, die ich habe. Nur Original ist ähnlich frostfest, aber die reift erst sehr spät und die meisten Jahre bei mir gar nicht aus. Auch Original will ich schon lange ersetzen, aber aus gleichem Grund hat diese Rebe wie Muskat Bleu überlebt.Bei der Sortenwahl für ungünstige Lagen muss man einiges beachten, sonst geht es mit großer Wahrscheinlichkeit schief:- nie dem Werbeversprechen des Verkäufers glauben, meist falsch- nur Sorten mit zeitiger oder sehr zeitiger Reife- keine Sorten, die zur Verrieselung neigen- nur Sorten mit hoher Frostfestigkeit (Daten aus "unverdächtigen" Datenbanken, polnische, russische und ukrainische Foren lesen, Erfahrungen der "Polarwinzer" und der ostdeutschen Winzer hier im Forum lesen oder nach diesen fragen. An der Nordseeküste ist das nicht so wichtig, da dort die Minimaltemperaturen im Winter nicht so krass sind.- ganz wichtig: Jede Sorte benötigt in der Vegetationszeit eine bestimmte Wärmesumme, die im SAT-Wert ausgedrückt werden kann. Zu SAT-Werten gibt es ungenaue Karten von Deutschland. Besser, man rechnet sich diesen aus den eigenen Klimadaten selbst aus. Die anzubauenden Sorten sollen einen SAT-Wert besitzen, der kleiner als der des eigenen Standortes ist. Es gibt auch sehr zeitige Sorten, die aber einen hohen SAT-Wert benötigen und deshalb in kühleren Lagen nicht reifen.- Erfahrungen zum Weinbau in kühleren Lagen nutzen, Stichwort Cool Climate. Einige Infos dazu gibt es bei der Rebschule Antes und einigen polnischen Rebschulen (Internetseiten lesen).- Es gibt Rebschulen in Lettland und in den skandinavischen Ländern. Die dortigen Sorten, die für das Freiland!!! angeboten werden, reifen auch in Norddeutschland, nur haben diese Sorten kleine Trauben und Beeren und oft einen spezifischen amerikanischen Geschmack, der nicht jedem gefällt (Foxton).