Anmerkung 12.05.2021: Der nachstehende Text ist überholt. Die beschriebene Pflanze ist, nach Bestimmung an eigenen, blühenden Exemplaren,
Corydalis brunneovaginata.
Wir hatten das bereits bei dem gelb blühenden Lerchensporn aus China, den zum Beispiel Irm und Tiarello unter uns Purlern weitergegeben haben. Corydalis ellipticarpa war im westlichen Staudenhandel einige Jahre unter falschen Namen unterwegs. Das ließ sich mit der "Flora of China" recht zügig korrigieren. Tebbitt, Lidén & Zetterlund hatten es in "Bleeding Hearts" auch schon geschrieben: "Corydalis ellipticarpa ... [is] misidentified as, for example, Corydalis nigroapiculata ... "
[color=white].In demselben Buch findet sich an anderer Stelle ein schöner Absatz, der deutlich macht, welche Namensverwirrung die umfangreichen Staudenexporte aus China und die Bildchen auf der (verschollenen?) Webseite von Chen Yi in den 2000er Jahren verursacht haben:
"
Corydalis anthriscifolia ... has ... been introduced via Chen Yi, misidentified as
Corydalis jingyuanensis. Plants sold as
C. anthriscifolia, however, have turned out to be
C. quantmeyeriana ... . For good measure, plants labeled as
C. quantmeyeriana were
C. mucronata ..., while plants offered as
C. mucronata have been
C. sheareri ..., all according to the pictures on Chen Yi´s Web site in 2006." (Tebbitt, Lidén & Zetterlund 2008, "Bleeding Hearts ... ", S. 130) - kurz:
Corydalis anthriscifolia wurde von Chen Yi als
Corydalis jingyuanensis verkauft,
C. quantmeyeriana als
C. anthriscifolia,
C. mucronata als
C. quantmeyeriana und
C. sheareri als
C. mucronata.
Es ist also keine Schande, den einen oder anderen falsch benannten Lerchensporn in der Sammlung und im Verkauf zu haben. Die "Flora of China" steht online erst seit Mitte der 2000er Jahre zur Verfügung. Sorgfältige Nachbestimmungen waren in der Gattung vorher für hiesige Staudengärtner kaum mit realistischem Aufwand machbar und sind ohnehin nicht jedermanns Sache.
.Im namenskundlichen Verschiebebahnhof ist mir jetzt einer dieser "Waggons" unter die Finger gekommen, die, wie oben beschrieben in den falschen Zug einsortiert wurden:
Ich hatte eine Pflanze als "Corydalis anthriscifolia" erhalten. Das hatte ich so hingenommen, bis ich den oben zitierten Absatz gelesen habe. Da ich meine eigene Pflanze bisher nicht gut genug zum Wachsen gebracht habe, muss ich hier in Links zeigen,
was die Webseiten der Staudengärtner und Online-Staudenlexika als "Corydalis anthriscifolia" anzubieten haben und was offenbar alles einer einzigen, aber anderen Art zuzuordnen ist:
.Beispiel 1 (Gärtnerei Blütenreich)
Beispiel 2 (De Hessenhof)
Beispiel 3 (Beth Chatto Nursery)
Beispiel 4 (Koen Van Poucke)
Beispiel 5 (Dave´s Garden)
Beispiel 6 (Grows on You)
.Ein Vergleich mit
Corydalis quantmeyeriana nach den wenigen zuverlässigen Quellen (nicht mit 'Chocolate Star', der zu
Corydalis temulifolia gehört!) überzeugte mich zuerst nicht davon, dass die Korrektur der obigen Autoren auch auf meine und die unter 1 bis 6 gezeigten Pflanzen zutrifft. Ich kann an den Blütenspornen keine deutliche Verjüngung zum Ende hin erkennen, was
C. quantmeyeriana eigentlich ausschließen sollte. Nach einigem Stöbern hielt ich es für möglich, dass es sich um
Corydalis acuminata handelt, der mit
Corydalis quantmeyeriana verwandt ist, aber dessen Sporn zum Ende hin mehr oder weniger gleich stark bleibt. Auch da gab es aber ernsthaft störende Merkmale:
- die mitunter erwähnten, großen Blüten, wie sie nach der Flora of China für
C. quantmeyeriana typisch sind, während
C. acuminata deutlich kleinere Blüten haben soll;
- nach einem
Bild von Hans Kramer (de Hessenhof) aber vor allem die umgekehrt eiförmigen Samenkapseln, die ebenfalls für
C. quantmeyeriana genannt werden, die bei
C. acuminata aber elliptisch sein sollen.
Vor allem die Gestalt der Samenkapseln schließt somit
Corydalis acuminata recht sicher aus.
.Folgendes lässt sich nach weiteren Vergleichen mit online verfügbaren Herbarbelegen sagen:
.1. Die in den Beispielen 1 bis 6 gezeigte Pflanze ("Gartenpflanze") ist nicht, wie angegeben, Corydalis anthriscifolia.- Einige Bilder unter den verlinkten Beispielen zeigen sehr kleine, weißliche Kelchblätter, die bei
C. anthriscifolia deutlich größer wären oder, wenn frühzeitig abgefallen, gar nicht erkennbar sein dürften. (Zum Vergleich in Flora of China:
Abbildung Nr. 5, Blüte von C. anthriscifolia mit Klechblättern)
-
C. anthriscifolia hat einen sich zum Ende lang und gleichmäßig verjüngenden, gestreckten oder aufwärts gekrümmten Sporn. Die Bilder oben zeigen aber immer abwärts gekrümmte Spornenden.
-
C. anthriscifolia hat sehr schmale (linealische) Blüten-Tragblätter. Die Gartenpflanze hat breite, mehr oder weniger stark geteilte bis zerteilte Tragblätter.
- Die Blätter der Gartenpflanze sind deutlich anders gestaltet.
(Korrekt bestimmter
Corydalis anthriscifolia dürfte auf der Asian-Flora-Webseite von Cedric Basset zu sehen sein:
Asian Flora.)
.2. Die in den Beispielen gezeigte Pflanze ist mit einiger Wahrscheinlichkeit Corydalis quantmeyeriana- Ich unterstelle, dass die Pflanze zur Sektion
Ellipticarpae gehört. Das ist nicht sicher, weil ich verschiedene Merkmale, die für die Einordnung in eine der Lerchensporn-Sektionen wichtig wären, mit den verfügbaren Bildern und meinem geringen Material nicht einschätzen kann. Dennoch sprechen einige auffällige Merkmale für diese Sektion.
- Wenn ich das Merkmal der Sporn-Verjüngung vernachlässige oder eine falsche Wahrnehmung der Sporn-Formen anhand der Bilder in Betracht ziehe, bleibt
Corydalis quantmeyeriana als einzige mögliche Bestimmung, weil alle anderen Arten entweder einen ausgeprägten Kamm auf der Oberlippe oder aber gelbe Blüten haben müssten. Der niedrige Kiel, der in den Bildern auf der Oberlippe erkennbar ist, führt auch zu keiner der anderen Arten.
- Die Unterlippe ist charakteristisch gestaltet, am besten erkennbar im
Bild von "Blütenreich": der Mittelteil zum Blütenstiel hin plötzlich in einen kurzen Nagel zusammengezogen, ein breit ausgesackter Mittelteil, der Vorderteil schiffchenförmig und spitz auslaufend.
- Der
Herbarbeleg Nr. SM 705600302 der Akademie der Chinesischen Heilkunde Chongqing (SM) zeigt für die "normale" Form von
C. quantmeyeriana Samenkapseln, die der
Abbildung von Hans Kramer gut entsprechen.
(Verlässliche Herbarbelege von
Corydalis acuminata zeigen, sofern vorhanden, stets elliptische Samenkapseln.)
Corydalis quantmeyeriana ist im Internet kaum einmal als richtig bestimmte Pflanze abgebildet. Mögliche Ausnahmen:
Far Reaches Farm-Nursery (nicht sicher; vielleicht ebenfalls die in westlichen Gärten verbreitete Form nach Bsp. 1 bis 6) und die
Asian Flora-Webseite (die Form mit weniger geteilten Blättern). Anzumerken ist, dass die in den von mir verlinkten Beispielen sichtbaren Pflanzen zwar sehr einheitlich wirken, aber für die Art nicht charakteristisch sein müssen. Sie entsprechen am ehesten dem Herbarbeleg, der im Naturhistorischen Museum Paris hinterlegt ist:
P02335950.
.3. Wie so oft - ich kann andere Arten nicht völlig ausschließen- Der in den Bildern kräftig erscheinende Sporn passt schlecht zu dem häufig als schlank und elegant gebogen beschriebenen Sporn der normalen (im Blatt gröber geschnittenen) Form von
Corydalis quantmeyeriana. Dennoch sind andere, verwandte Arten weitgehend auszuschließen, weil sie von unserer Pflanze in schwerer wiegenden Merkmalen abweichen.
- Zu
Corydalis acuminata verbleiben Ähnlichkeiten mit Abbildungen auf chinesischen Webseiten, z. B.:
fcpn-Seite. Ob aber diese Bilder immer korrekt bestimmt sind, weiß ich nicht.
- Die Sektion
Ellipticarpae umfasst 6 Arten, von denen
Corydalis quantmeyeriana in der Gesamtheit der Merkmale am besten, wenn auch nicht ganz befriedigend zu unserer Pflanze zu passen scheint. Die Flora of China bezeichnet
C. ellipticarpa,
C. qantmeyeriana,
C. brunneovaginata und
C. pycnopus als schwierig aufzulösende Artengruppe, deren "verschachtelte" Merkmalskomplexe auf Hybridisierung und Introgression zurückgehen könnten.
.Auch wenn der digitale Zugang zu Bestimmungswerken und zu den großen Herbarien heute deutlich besser ist, fehlt es mir an Vergleich und Überblick. Ein sicheres und durchgängiges Nachbestimmen anhand der "Flora of China" scheitert nicht selten an fehlenden Merkmalen, wenn die eigenen Pflanzen zum Beispiel keine Früchte und Samen bilden. Es kann dann sein, dass der Weg durch die Bestimmungsschlüssel bereits in frühen Schritten zu viele Abzweige offen lässt. Ich kann auch nicht ausschließen, dass inzwischen weitere Arten beschrieben wurden, die in der "Flora of China" noch nicht berücksichtigt werden konnten. Ebenso wenig lässt sich ausschließen, dass es noch nicht beschriebene Arten oder (Kultur?)Hybriden gibt, die über den Pflanzenversand nach Europa und Nordamerika gelangt oder hier entstanden sind.
Es spricht vieles dafür, dass die oben verlinkten Beispiele (1-6) den "echten" Corydalis quantmeyeriana zeigen, vielleicht in einer nicht ganz typischen Form, vielleicht aus einer einzigen Wildsammlung. Die Flora of China merkt an, dass Pflanzen aus der Gongga Shan-Umgebung (westlich-zentrales Sichuan) stärker geteilte Blätter und Blütentragblätter sowie größere Blüten haben als Pflanzen aus den weiter nördlich gelegenen Teilen Sichuans. Die in Europa angebotene Form und auch das im
Herbarium Paris hinterlegte Exemplar könnte dieser Form enstprechen.[/color]