Bei dieser Gelegenheit muss ich wieder mal daran erinnern, dass "Natur" zum einen etwas Irreales ist, jedenfalls nichts wissenschaftlich Fassbares, Messbares oder empirisch Nachweisbares. So gebraucht ist sie ein Aberglaube.Zum andern ist der "gechichtliche" Lauf der Flora und Fauna selbst der größte Terminator und lässt Arten sich ansiedeln und en masse wieder verschwinden. Würde das Natur(!)schutzgebiet bei mir um die Ecke nicht einmal im Jahr von Schafen beweidet, würde es verbuschen, sprich: Dann würde die Landschaft der Jahre 900 bis 1100 hier wieder entstehen. Man möchte aber die Landschaft von 1500 bis 1800 erhalten.Natur, wie sie hier - mitunter - gebraucht wird, ist eine Fiktion, eine Kopfgeburt von Menschen, die sich ihr entfremdet fühlen oder einen Kindheitskomplex mit sich herumtragen.Ein "naturnaher" Garten ist nichts anders als die Vorstellung, was wachsen würde, wenn wir nicht da wären oder nichts täten, und die Unterstellung, dass das in irgendeinem Sinne gut oder vorteilhaft wäre. Eine ausgesprochen misanthropische Vorstellung.... wenn man naturnah pflanzen will und bedrohte Floren und Faunen retten, geht es ohne Eingreifen nicht ...
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Ein Stück Natur als Ziergarten (Gelesen 12424 mal)
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
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Mizzitanta spinosissima var. splendens
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Ich glaube, da muss ich dir widersprechen, Wolfgang. Ein naturnaher Garten ist natürlich immer noch ein Garten, also ein vom Menschen gestaltetes Stück Natur, das er nach bestimmten Gesichtspunkten ordnet. Und Gärtnern ist doch immer der Versuch, Sehnsüchte zu verwirklichen, sei es nach Südengland, Japan, der Geborgenheit bei den Großeltern oder den wenigen traumhaften Wiesen voller Blumen, die man als Kind noch sehen konnte. Ich jedenfalls erinnere mich an ein paar, was mich vermutlich schockierend alt macht. Bei der Idee des "naturnahen" Garten kommt der Aspekt des Schutzes einer bestimmten Flora und Fauna dazu, der in jeder Hinsicht sinnvoll ist. Auch wenn diese Flora und Fauna in der Zusammensetzung erst durch das Eingreifen der Menschen entstanden ist. Ich glaube nicht, dass die Sehnsucht nach möglichst (!) ungestörter Natur irgendwie misanthroper ist als die Sehnsucht nach mit dem Rechen gezogenen Kiesspuren oder zu seltsamen Formen geschnittenen Azaleen. Im Gegenteil, allein der Versuch eines Gärtners, ein Paradies herzustellen, einen Ort, an dem sich Sehnsüchte erfüllen, ist doch an sich schon philanthropischer und vor allem optimistischer Natur.Aber das ist schon fast ein Thema für einen neuen Thread a la "Gärtnern aus anthropologisch-philosophischer Sicht."Persönlich denke ich nicht, dass naturnahes Gärtnern inhärent besser ist als anderes Gärtnern (obwohl ein Verzicht auf Pestizide und Herbizide jedem Gärtner gut ansteht), aber die Nostalgie, durch die die Idee befördert wird, die verstehe ich gut und empfinde sie auch als sinnvoll heimatnah.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Was aber wäre dann ein "naturferner" Garten? Was kennzeichnet die Nähe zur Natur? Etwa die Ähnlichkeit mit der Spontanvegetation am Stadt- oder Waldrand? Ist eine Pfingstrosen-Hybride naturferner als eine Päonia officinalis?All das sind doch nur modische Bezeichnungen für eine sich ständig wandelnde Gartentheorie. Der "konservierende" Garten, dazu bestimmt, bedrohte Pflanzen zu erhalten und zu vermehren, ist doch auch nichts anderes als ein Pflanzen-Zoo.Selbst der betonierte Garten wäre "Natur". Das Biotop hätte lediglich eine andere Bewohnerschaft, als die Blumenwiese.
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Mizzitanta spinosissima var. splendens
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Ach Schmarrn, das kann man leicht unterscheiden. So ist der französische Park eindeutig weniger naturnah - oder nenn' es naturalistisch - als der englische, weil in der Natur eher wenig Bäume in geraden Reihen vorkommen. Schön ist ersterer trotzdem. Und so weiter. Und es geht ja eh nicht darum, welches Gärtnern "besser" ist, nur um die unterschiedlichen Motivationen, die dahinterstecken.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Warum "Schmarrn"?Der englische Landschaftspark ist ein Naturbild und zwar ein idealisiertes, da die "Natur" über kurz oder lang alles zuwuchern würde.Ebenso ist der Parterregarten ein anderes Ideal.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Französicher und englischer Gartenstil definieren sich aber nur über die Optik - verschiedene Schönheitsideale eben. Ein "Naturgarten" schafft daneben bewusst Biotope für Tiere, die als bedroht betrachtet werden. Eine Art Zoo- Idee steckt schon dahinter.
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Mizzitanta spinosissima var. splendens
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Es geht doch nicht um Natürlichkeit, sondern um Naturnähe. Zur Verdeutlichung:Kölner Domplatte ------> Französischer Landschaftspark -----> Sissinghurst ------> Englischer Landschaftspark ------> Sticky Wicket --------> Garts Wilde Ecke --------> Yellowstone National ParkHilft das? Einverstanden?
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Gerade habe ich einen intelligenten und lesbaren (was ja nicht immer dasselbe ist
) Artikel mit dem Titel Was ist Natur? gefunden.Besonders interessant darin der Aspekt der Perspektive, der zu unterschiedlichen Bewertungen der Begriffe Natur und Kunst und des Weges von einem zum anderen führt.Bezieht sich nicht unmittelbar auf den Garten, ist aber dienlich zur (Er-)Klärung der unterschiedlichen Ansätze.

Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Hilft absolut nicht weiter. Die Eiswüste des Südpols ist ebenso Natur, wie der Amazonasdschungel. Biotope sind sie alle, nur auf unterschiedliche Weise.Die genannten Gärten sind unterschiedliche Gartentypen. Mit "Naturnähe" haben sie nur insofern etwas zu tun, als du sagen könntest "ähnlich wie...". Die Kölner Domplatte entspricht dem Waschbeton-Sitzplatz (zu)vieler Gärten.Es geht doch nicht um Natürlichkeit, sondern um Naturnähe. Zur Verdeutlichung:Kölner Domplatte ------> Französischer Landschaftspark -----> Sissinghurst ------> Englischer Landschaftspark ------> Sticky Wicket --------> Garts Wilde Ecke --------> Yellowstone National ParkHilft das? Einverstanden?
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Zwei solche Stücke habe ich auch. Eine Wiese die ich nur einmal im Herbst mähe und ab und zu etwas Hahnenfuss entferne. Im Moment blühen da vor allem Wiesenmargeriten. Und eine Böschung mit Bruchsteinmauer. Beim Bau der Stützmauer wurde die dünne Grasnarbe der Böschung nach unten ins flachere gezogen. In der Stützmauer und darauf gibt es also kaum mehr Humus. Da kommt bis jetzt kein Hahnenfuss aber ebenfalls Wiesenmargerite dann Wegwarte, Witwenblume, Sauerampfer, wilde Möhre, Esparsette, Glockenblume, Lerchensporn, Nachtkerze, Königskerze (bleibt aber klein), Muskatellersalbei und noch einiges was ich nicht bestimmen kann. Nachtrag: Sämlinge von Gehölzen entferne ich da aber doch.
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Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Also, jetzt definiere mal selber "Naturnähe", fars. Vielleicht verstehst du darunter etwas anderes als ich.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Man bedenke, dass die Koelner Domplatte in das Biotopgefuege der Wanderfalken gehoert, die auf dem Dom nisten. 

Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
"Naturnah" ist jeder Garten. Selbst der Kiesgarten des Zen-Klosters. Denn die Erscheinungsformen der Natur sind so unterschiedlich, dass sich alles und jedes im Garten wiederfinden lässt.Du beschränkst womöglich "naturnah" auf deine Erinnerung an einen schönen Aue-Spaziergang, oder eine Waldrandsituation. Aber das ist nur ein Aspekt. Natur kann sehr "mathematisch" sein. Denke nur an die Basaltsäulen. Wäre ein Garten mit Basaltsäulen, in die hier und da ein paar Pflänzchen eingesprengselt sind, etwa nicht naturnah?Also, jetzt definiere mal selber "Naturnähe", fars. Vielleicht verstehst du darunter etwas anderes als ich.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Vielen Dank, Callis, für den Link mit dem Hinweis auf den "Natur"wissenschaftler Robert Boyle. Der Herr Sieferle gefällt mir. Schon der erste Satz ist gut: "Der Begriff der Natur scheint unausrottbar zu sein".Wir sagen "naturnaher Garten" und meinen, dass da Pflanzen stehen sollen, die in den letzten 100 Jahren in der Umgebung ebenfalls vorkamen. Die also eine Folge der Kultur der Menschen sind.Deshalb stimme ich fars zu. Natur ist alles. Und nichts. Ein wolkiger Begriff, in den wir Sehnsüchte vom Wahren, Schönen und Guten hineinprojizieren.Ich verfüge auch über "naturnahe" Flächen in Hessen. Früher waren das Äcker. Jetzt sollen meine Ackernachbarn enteignet werden, um Flussufer auf zehn Metern Breite zu "renaturieren". Aber ich, gerade jenseits der zehn Meter, soll verpflichtet werden, die Flächen ein- bis zweimal im Jahr zu mähen, damit das landschaftstypische Aussehen erhalten bleibt.Gerne hätte ich das als Gartenland verpachtet. Dazu müsste ein Schutzzaun gezogen werden, damit sich nicht Rehe und Hirsche den Kohl holen. Aber das ist verboten. Ein Nachbar hat einen Schuppen gebaut für Geräte. Den muss er abreißen, sonst kommt von Amts wegen ein Rollkommando. Der nächste war schlauer und hat einen Bauwagen dahin gefahren, den Boden verdichtet etc. Der Wagen darf bleiben, weil er Räder hat. Und sein Zaun ist auch zulässig. Weil er nur Holzpfosten in den Boden getrieben und keinen Sockel gemauert hat. Dass sich an seinem Draht die Rehe den Hals aufreißen, geht in Ordnung.Das muss sich ein naturnahes Hirn ausgedacht haben.
Re:Ein Stück Natur als Ziergarten
Dass Natur ein abstrakter Begriff ist, hat Gart ja in seinem Eingangsposting schon zugegeben. Doch die Biodiversität beschäftigt hierzulande auch die hohe Politik . Durch die nach wie vor intensive Bautätigkeit und die Flurbereinigungen in der Landwirtschaft sind die Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere viel kleiner geworden. In den Wäldern ist man hier zwar von den Fichtenmonokulturen wieder weggekommen und an den eingezäunten Böschungen von Autobahnen und Schnellstrassen sind neue Reservate entstanden, die wieder eine grössere Vielfalt von Pflanzen und Tieren das Überleben ermöglichen. Trotzdem finde ich es keine schlechte Idee auch in Privatgärten oder um Geschäftsgebäude die angestammte Natur zu berücksichtigen und damit die Biodiversität zu fördern. Dass man da etwas ordnend eingreift um die an und für sich einheimischen und auch ohne Pflege auskommenden Pflanzen etwas arrangiert und z.B. Grossbäume im Keimlingsstadium auszieht, ist doch besser als jede Cotoneasterwüste, oder?