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Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 16. Feb 2010, 23:50
von Blauaugenwels
Es stimmt, dass für die Abgrenzung einer Gattung, Familie, Ordnung... keine festgelegten Kriterien existieren. - Allerdings ließen sich solche auch nicht finden, denn das gesamte Systematik-Denken der Menschen basiert auf eigenen evolutiv bewährten Strukturen (das berühmte "Denken in Schubladen"), ohne das es wohl kein denkendes Lebewesen dorthin geschafft hätte, wo es jetzt ist. Willkür ist es dennoch nicht. Jede Verzweigung eines Stammbaums muss als solche begründbar sein, also eine einmalig vorkommenden Merkmalskombination aufweisen morphologischer und/oder molekularer Daten). Es treffen halt bei der ganzen Geschichte (wenn ich jetzt mal den Anfang des Themas aufgreifen darf) zwei völlig verschiedene Welten aufeinander: 1) Systematiker - die versuchen, den bestmöglichen Stammbaum aufzustellen (eine Aufgabe auch für die gesamte zukünftige Menschheit) und durch Wissenszuwachs konservative konservierte Vorstellungen über Bord werfen müssen.2) Pflanzenkultivierer - die versuchen, Pflanzen (wozu auch immer) zu kultivieren und sich - um Trivialnamen zu meiden - auf die wissenschaftlichen Namen einlassen, damit alle vom Gleichen reden können.Das allein wäre noch nicht das Problem, aber:Wissenschaftliche Benennungen (u.a. Artnamen) besitzen nur solange Gültigkeit, wie es die aktuelle Forschung zulässt. Dass das Alte auch da nicht bis morgen ausgestorben ist, ist sowieso klarDas ist von Systematikern anerkannt, es ist ja quasi deren täglich Brot, aber ärgerlich für den Kultivierer, der nicht an Evolution und Systematik groß interessiert ist.Hm, stellt sich bloß die Frage, wer sich von wem abhängig gemacht hat und jetzt darüber schimpft ;D ;D ;DWohlwissend, dass nicht alle Kultivierer Evolutionsbanausen sind

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 16. Feb 2010, 23:54
von Blauaugenwels
Oh, ich sehe gerade, mein Signatur passt da ganz hervorragend :DErfahrung ist fast immer eine Parodie auf die Idee. (Johann Wolfgang von Goethe)

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 00:00
von Günther
1) Systematiker - die versuchen, den bestmöglichen Stammbaum aufzustellen (eine Aufgabe auch für die gesamte zukünftige Menschheit) und durch Wissenszuwachs konservative konservierte Vorstellungen über Bord werfen müssen.
Und was ist der Stammbaum der "gesamten zukünftigen Menschheit" nütze?Ein Gärtner, der einen guten Apfel zieht, ist bedeutungsvoller.Wobei die Taxonomen sowieso mit gespaltener Zunge reden - die "Großen Vereinheitlicher" fassen immer mehr zusammen, die "Großen Aufspalter" teilen immer feiner. Und damit das Ganze ein möglichst großer Murks wird, gibts Kommissionen...

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 01:13
von pearl
1) Systematiker - die versuchen, den bestmöglichen Stammbaum aufzustellen (eine Aufgabe auch für die gesamte zukünftige Menschheit) und durch Wissenszuwachs konservative konservierte Vorstellungen über Bord werfen müssen.2) Pflanzenkultivierer - die versuchen, Pflanzen (wozu auch immer) zu kultivieren und sich - um Trivialnamen zu meiden - auf die wissenschaftlichen Namen einlassen, damit alle vom Gleichen reden können....Das ist von Systematikern anerkannt, es ist ja quasi deren täglich Brot, aber ärgerlich für den Kultivierer, der nicht an Evolution und Systematik groß interessiert ist.
Das Binomische System ist zum Zeitpunkt seiner Erfindung ein künstliches gewesen. Dass man heute versucht die wirklichen verwandtschaftlichen Beziehungen herzustellen und dort einzufügen, das wird die Botaniker und Zoologen noch eine Weile beschäftigen. Das muss aber nicht unser Problem sein.Wenn wir ganz klar davon die Kultivierten Pflanzen und Domestizierten Lebewesen abtrennen und in einer gesonderten Nomenklatur behandeln, dann müsste das alles in allem sehr viel weniger Probleme machen.Wenn wir aber wie der Bund der Staudengärtner, einerseits auf einer ganz genauen Artenzuordnung der Kultivare bestehen und aber andererseits eine aktuelle wissenschaftliche Benennung ablehnen, dann ist da etwas grundsätzliches verkehrt.Wir müssten nur die Gruppen von Kultivaren akzeptieren. Dann könnte das von sarastro erwähnte Geranium 'Tiny Monster' Geranium Sanguineum (Grp) 'Tiny Monster' heißen. Der wissenschaftliche Teil des Namens, hier die Gattung, kursiv und der praktische Teil des Namens in aufrechten Lettern, mit Großbuchstaben beginnend.Bei den Knöterichen können wir die 10 Jährige Übergangsfrist nutzen. Aconogonum 'Johanniswolke' könnte dann aber auch mal einen treffenden Gruppennamen bekommen. Das spezifische Epitheton ist ja nicht herauszufinden. Die vorgefertigten fix und fertig beschrifteten und bebilderten Stecketiketten könnten der Vergangenheit angehören, weil jeder Betrieb eine computergesteuerte Etikettiermaschine besitzt, die die Stecker mengengenau produziert. Sowas können sich offensichtich sogar kleinere Betriebe leisten.Mit so engagierten Gesellen wie dunkleborus - ich glaube von der Sorte könnten wir noch mehr bekommen, wenn die Meister dafür offen wären - wäre die Welt dann perfekt. ;D

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 07:20
von Staudo
Die vorgefertigten fix und fertig beschrifteten und bebilderten Stecketiketten könnten der Vergangenheit angehören, weil jeder Betrieb eine computergesteuerte Etikettiermaschine besitzt, die die Stecker mengengenau produziert. Sowas können sich offensichtich sogar kleinere Betriebe leisten.
Nein, es gibt immer noch keine brauchbare Lösung.
pearl hat geschrieben:Bei den Knöterichen können wir die 10 Jährige Übergangsfrist nutzen. Aconogonum 'Johanniswolke' könnte dann aber auch mal einen treffenden Gruppennamen bekommen. Das spezifische Epitheton ist ja nicht herauszufinden.
Das verstehe ich nicht. Statt den Gärtnern ihre halbwegs praktikable Namensliste zu zerpflücken, könnten sich die Botaniker mal darum kümmern. Ich habe Sämlinge.

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 09:27
von sarastro
Wenn du Sämlinge hast, darfst du sie bekanntlich nicht als 'Johanniswolke' verkaufen. Da der Artname dieses Knöteriches aber noch ungeklärt ist, kannst du die Sämlinge entweder als Aconogonum spec. verkaufen oder ihnen einen eigenen Namen verpassen und sie vegetativ weiter vermehren. Falls sie denn was taugen!Übrigens hat den Namen Aconogonum jeder brav geschluckt. Eigenartig. ::)Schwierig wird es allerdings mit durchzüchteten Samensorten, die einen Sortennamen wie eine vegetativ zu vermehrende Sorte besitzen. Nach nomenklatorischen Richtlinien darf dies eigentlich gar nicht stattfinden.

Re:Hirntraining für Gärtner

Verfasst: 17. Feb 2010, 11:28
von uliginosa
Wenn man beruflich mit Pflanzen zu tun hat, sollte man wissen, bei welchen Pflanzen mit welchen Synonymen zu rechnen ist.Und es macht ja auch Spass.Andere lernen auch ständig dazu: Anwachsendes Personal diverser Ewigsoaps, Windo*s-Gedöns, Killerspiele, Modetrends - sowas können wir auch.
Genau! :D Und interessante neue Erkenntnisse über Verwandschaftsverhältnisse nehme ich erfreut zur Kenntnis. Und ansonsten sind für mich als Vegetationskundlerin und Gärtnerin die Standortansprüche/Ökologie allemal wichtiger als der gerade aktuelle Name!

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 13:41
von sarastro
Na, bin ich froh, dass die meisten von euch hierüber eine nüchterne und vernünftige, d.h. sehr realistische Betrachtungsweise haben. Engstirnig sind lediglich manche Lehrer, die meinen, sie hätten schon ausgelernt oder einige Gärtner, die den bequemen Weg gehen wollen.

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 14:08
von tiarello
Ja, so dehe ich das auch, Sarastro und uliginosa. Probleme machen doch nicht die Namensänderungen, sondern eher die Ignoranten auf der einen Seite und die Oberformalisten auf der anderen Seite. Im übrigen kommen die meisten Menschen auch damit klar, wenn ein und diesselbe Sache zwei Namen hat... ;D und außerdem finde ich, ist's auch gerade noch verzeihbar, wenn jemand von Plagiorhegma dubia statt von Jeffersonia dubia spricht ;) oder.... ähm.... wie war noch der aktuelle Name? ;D

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 14:20
von tomir
Solange die Pflanze dem Namen/Synonym auf dem Etikett entspricht bin ich zufrieden. Die Aufregung die es bezüglich neuer bzw aktueller Namen zu geben scheint kann ich jetzt auch nicht immer nachvollziehen, obwohl es immer so Fälle gibt die man selbst als Laie in Frage stellen kann wie zB Merendera zu Colchicum zu machen. ::)

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 14:28
von pearl
und Lychnis zu Silene. Ich hasse das. Lychnis ist Lichtnelke und Silene ist Leimkraut. Wenn man weiß wie die Taxonomie funktioniert, dann kann man sich auch individuelle Freiheiten rausnehmen. Ich bleibe also bei Lychnis flos-cuculi. Wie ich meine Pflanzen in meinem Garten nenne ist sowieso meine Sache. Meine Mutter nannte blaue Aster dumosus Blauer Heinrich. Hauptsache ich wusste was sie meinte.

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 15:13
von Günther
Wenn man weiß wie die Taxonomie funktioniert, dann kann man sich auch individuelle Freiheiten rausnehmen.
Eine lobenswerte Einstellung. ::)

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 15:19
von sarastro
Gab's da nicht einmal eine Amellus-Sorte mit Namen 'Blauer Heinrich'?Kann mich aber auch täuschen.Übrigens scheint es so, das von den Astern einzig A.amellus, A.pyrenaeus, A.himalaicus und A.alpinus als "richtige" Astern übrig bleiben. Ist mir jetzt soweit klar, da sich diese abgesehen von ihren genetischen Ähnlichkeiten immer untereinander kreuzen ließen. An die ganzen anderen Namensabstrusitäten der "neuen" alten Astern werden wir uns wohl langsam daran gewöhnen müssen. Derweil werde ich zum Beispiel weiterhin Aster mit Klammern (Oligoneuron) in meinem Katalog laufen lassen. In 5 Jahren sehen wir dann weiter.

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 15:38
von Susanne
Es gibt eine Kartoffel "Blauer Heinrich", innen lila, außen braun, und einen Bux "Blauer Heinz", eine kleinblättrige, schwachwüchsige Art, die gerne zur Gestaltung von Parterren und Knotengärten verwendet wird/wurde.

Re:Diese angeblich lästigen Umbenennungen!

Verfasst: 17. Feb 2010, 15:55
von riesenweib
...Aster mit Klammern (Oligoneuron) ...
der widerwille umzulernen wäre wohl nicht so stark ausgeprägt, wenn die neuen namen nicht so oft eine fatale tendenz zum schwerfällig/komplizierten klang hätten. Namenslängen unter vier silben sind offenbar nicht 'feschnebl'.