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Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 29. Nov 2018, 20:41
von willi2000
thuja hat geschrieben: ↑29. Nov 2018, 00:04An dieser Stelle sollten wir Nr. 2,3,4 und 5 näher beschreiben.
Dann nehmen ich doch mal die Nr.5, die zu diesem eigentlich falschen §3 geführt hat.
Der Austrieb ist gemäß Friedrich & Fischer mit dem wohl 1983 noch unbekannten Prinzip der apikalen Dominanz zu erklären. Der Austrieb einer Knospe wird vor allem durch die vorhandene Menge an Auxin in der Knospe bestimmt. Die Menge an Auxin in einer Knospe ist vor allem bestimmt durch die Stellung der Knospe im Trieb (Höhe und Position) und der Stellung der Triebe zueinander. Bei aufrecht stehenden Trieben besitzt z.B. die terminale Knospe das meiste Auxin, die 2. Knospe noch recht viel, die 3. mäßig, die 4. Knospe wenig usw.
Wurde nun der Mitteltrieb (z.B. auf die 5. Knospe) und der Seitentrieb (z.B. auf die 3. Knospe) auf die gleiche Höhe geschnitten, wird die Knospe mit dem meisten Auxin (unter der Annahme, dass beide Triebe gleich versorgt werden) stärker durchtreiben.
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Austrieb der Triebe ist natürlich auch noch die zugeteilte Energie. Die ist den Trieben nämlich ziemlich fest zugeteilt und kann nicht so einfach und schnell durch den Baum umverteilt werden. Die Umverteilung geht bei kleinen Bäumchen noch recht schnell, je größer der Baum jedoch wird, desto schlechter wird umverteilt. Deshalb werden auch immer starke Triebe, wenn sie stark zurückgeschnitten werden, wieder stark austreiben (im Gegensatz zu §3).
Die Ausprägung (Stärke) der apikalen Dominanz ist übrigens sortenabhängig.
Ich kann eigentlich nur 555Nase zustimmen: Verbrennt alle Bücher, in denen noch was über Saftwaage drinsteht und kauft euch endlich den Friedrich&Fischer. Auch der Papst hat kürzlich verkündet, dass die Erde wohl doch keine Scheibe ist.
Und was ich gar nicht mehr hören will, ist der typisch Kleingärtnersatz: "Ich schneid so, weil ich schon immer so schneide."
Gruss,
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 29. Nov 2018, 21:10
von dmks
Bäume gibt es ja schon ein bißchen länger (wenn ich meiner Oma glauben darf gab es sogar schon welche vor dem 2. Weltkrieg! ;D)
Und niemand der ernsthaft mit ihnen zu tun hat schneidet noch so wie er es vor 30 Jahren getan hat! ;)
Den Bäumen ist das allerdings Wurscht, sie reagieren noch genauso.
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 30. Nov 2018, 23:19
von Sven92
willi2000 hat geschrieben: ↑29. Nov 2018, 20:41[quote author=thuja thujon link=topic=64165.msg3203163#msg3203163 date=1543446246]
und kauft euch endlich den Friedrich&Fischer.
Wie heisst das Buch genau? Konnte nichts finden
Danke
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 1. Dez 2018, 03:14
von 555Nase
...Sicherlich ist dieses Buch gemeint, kann man im Internett finden. >>>
https://www.ebay.de/sch/i.html?_from=R40&_trksid=m570.l1313&_nkw=Physiologische+Grundlagen+des+Obstbaues+&_sacat=0
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 1. Dez 2018, 15:45
von Gartenplaner
willi2000 hat geschrieben: ↑18. Nov 2018, 14:55Teil II, Kapitel 4 "Physiologische Grundlagen des Obstbaumschnittes", in "Physiologische Grundlagen des Obstbaues", Friedrich & Fischer, 2000, Ulmer Verlag
Gruss
;)
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 1. Dez 2018, 17:00
von Sven92
Dankeschön
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 1. Dez 2018, 23:18
von Hyla
Also Paragraph 3 doch Murks?!?
Und jetzt mal für die Dummen: Warum 'muß' ich bei frisch gepflanzten Bäumen die Triebe unbedingt anschneiden?
Wenn's wurzelnackte Ware ist, sehe ich's noch ein, um einen Ausgleich zwischen Wurzeln und Krone zu erreichen. Aber bei Containerware?
(Beschädigte Triebspitzen mal rausgenommen.)
Ich mache das nicht und habe bisher keine Probleme gehabt. Verzweigung anregen will ich nicht.
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 07:56
von 555Nase
Hyla hat geschrieben: ↑1. Dez 2018, 23:18Also Paragraph 3 doch Murks?!?
Und jetzt mal
für die Dummen: Warum 'muß' ich bei frisch gepflanzten Bäumen die Triebe unbedingt anschneiden?
An der Flora rumzuschnippeln, ist von der Evolution nicht vorgesehen, tut es die Fauna trotzdem, so liegt es an selbiger. 8)
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 09:04
von dmks
Wildformen wachsen oftmals auch ohne Schnitt.
Ein Obstbaum ist aber kein Produkt der Evolution, sondern der Züchtung. Und diese legt den Wert auf die Früchte und nur zweitrangig auf den Wuchs. Ohne Schnitt funktioniert ein Obstbaum nicht auf Dauer. ;)
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 10:54
von Rib-2BW
Hyla hat geschrieben: ↑1. Dez 2018, 23:18Und jetzt mal für die Dummen: Warum 'muß' ich bei frisch gepflanzten Bäumen die Triebe unbedingt anschneiden?
Der Pflanzschnitt ist kein Selbstzweck. Neben dem Ausgleich zwischen Wurzel und Krone bei wurzelnackter Ware, kann man mit ihm auch drohende Fehlentwicklungen vorbeugen, welche selbst zu weit größeren Problemen führen können, wie zB der Bildung einer Doppelkrone.
Bei Pflanzen die auf schwachen Füßen stehen, kann man damit auch eine recht frühe Verzweigung der niedrigen Krone provozieren, mit der man rel. schnell zu einem gewissen Ertrag kommen kann. Daneben kann man bei diesem Pflanzschnitt auch Triebe herunter binden, was einen ähnlichen Effekt bewirkt.
Kurzum, die Pseudoregel, man solle immer einen Pflanzschnitt machen, zielt nur darauf, dass man sich mit der neuen Pflanze beschäftigt. Ob man am Ende wirklich zur Schere greift, sei dahin gestellt, aber man kann dann schon grob eine Vorstellung erlangen, in wie weit sich die Pflanze in den nächsten Jahren, mehr o. weniger, verhalten wird. Diese Regel hat nach meiner Meinung, mit der Entwicklung der schwachen Unterlage, mehr an Bedeutung gewonnen. Wobei die Bedeutung innerhalb von Obstsorten und Arten auch schwankt.
Somit kann man auch ihn ruhig weg lassen, wenn die Pflanze sich sonst recht gut entwickelt hat.
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 11:02
von willi2000
Hyla hat geschrieben: ↑1. Dez 2018, 23:18Und jetzt mal für die Dummen: Warum 'muß' ich bei frisch gepflanzten Bäumen die Triebe unbedingt anschneiden?
Der Anschnitt hat vor allem 2 Funktionen. Erstens fördert er das Dickenwachstum und ist deshalb wichtig für die Stabilität der Krone und wird zur Förderung der Leitäste und wichtiger Fruchtäste (1. Ordnung) eingesetzt. Wenn man keine Verzweigung möchte, bricht man die entsprechenden Knospen aus und nutzt das 'Schlank schneiden'.
Der zweite Punkt ist der starke Rückschnitt nach der Pflanzung (Pflanzschnitt), der in der alten Literatur als MUSS beschrieben ist und am besten im Frühjahr stattfinden sollte. Die Intention dahinter ist wohl, dass man die Wegnahme der Wurzelmasse durch den Rückschnitt der Krone ausgleichen muss. Fakt ist, dass der Baum ein vorgegebenes Verhältnis von Wurzel- zu Kronenmasse hat und daher das Gleichgewicht von alleine wieder einzustellen sucht.
Ich bin hier der Meinung, dass man den Pflanzschnitt nicht unbedingt durchführen muss. Die Konsequenz ist dann allerdings, dass der Baum im ersten Jahr eventuell nur neue Wurzelmasse bildet und die Krone wenig bis gar nicht wächst. Der Vorteil ist hier, dass dem neugepflanzten Baum die komplette Assimilationsfläche zur Verfügung steht. Beachten sollte man auch noch den Aspekt der Standfestigkeit, eine kleinere Krone verringert den Windwiederstand.
Gruss
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 11:44
von dmks
Hängt auch davon ab, ob ich einen schwachwachsenden Baum (im Ernstfall auch noch als Spalier) habe; hier ist ein Rückschnitt der Seitentriebe nicht erforderlich, sondern werden lediglich nicht benötigte Triebe entfernt.
Anders ein freistehender starkwüchsiger Hochstamm; hier ist ein Schnitt und Aufbau ausreichend tragfähiger Gerüstäste notwendig.
Und Fehlstellungen sowas hier will auch niemand ;)
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 11:55
von lord waldemoor
das kommt auch darauf an, grade bei kirschbäumen, welche diese schöne rinde haben, gefallen mir 2 oder mehrstämmige sehr gut, bei birken auch, auch wenns vlt nicht ideal ist
jedoch grade kinder kraxeln bei solchen kirschbäumen gerne rauf, und ich als fast erwachsener ;D auch, wie heissts, die besten und schönsten früchte sind ganz oben
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 12:23
von dmks
willi2000 hat geschrieben: ↑29. Nov 2018, 20:41Ein weiterer wichtiger Faktor für den Austrieb der Triebe ist natürlich auch noch die zugeteilte Energie. Die ist den Trieben nämlich ziemlich fest zugeteilt und kann nicht so einfach und schnell durch den Baum umverteilt werden. Die Umverteilung geht bei kleinen Bäumchen noch recht schnell, je größer der Baum jedoch wird, desto schlechter wird umverteilt. Deshalb werden auch immer starke Triebe, wenn sie stark zurückgeschnitten werden, wieder stark austreiben (im Gegensatz zu §3).
Zustimmung, und das widerspricht nicht der Regel/Gesetz/§ 3 ;)
Dieser geht immer von einem insgesamt "bearbeiteten" Gehölz aus und es wirken auch immer weitere Faktoren: Nährstoffversorgung, Aststellung, Alter des Baumes, weitere Triebförderungen wie Oberseiten- Scheitelpunkt- und Basisförderung.
Den starken Austrieb eines abgebrochenen/abgesägten (Was genau passiet ist weiß ich nicht, hab ihn so das erste mal gesehen) dominanten Astes bei ansonsten unveränderten greisen Baumes sieht man hier links ganz gut:
Re: Wuchsgesetze und Schnitt
Verfasst: 2. Dez 2018, 13:18
von Hyla
dmks hat geschrieben: ↑2. Dez 2018, 11:44 Und Fehlstellungen sowas hier will auch niemand ;)
[/quote]
Warum ist das eine Fehlstellung?
Es entspricht nicht dem Ideal vom einstämmigen Baum, aber auch solche Bäume werden sehr alt.
Ich sehe es ja wie ihr, daß dem Baum nur eine bestimmte durch die Wurzeln begrenzte Energie zur Verfügung steht. Wenn ich ihn mehrstämmig ziehe, teilt sich die Energie und er geht eher in die Breite als nach oben aufzuschießen.
Gerade auf starkwachsender Unterlage macht das doch Sinn, denn einen sehr hohen Baum kann ich mit normaler Leiter kaum abernten.
Wir hatten mal einen Garten mit so einem Boskoop. Die Verzweigung war schon auf Kniehöhe. Optimal um mal reinzuklettern, aber auch relativ gut zu beernten.
Im Grunde meine ich nur, daß der Baum für den Hausgarten noch andere Ansprüche zu erfüllen hat als ein Baum, der rein dem Ertrag dient.
Er muß Ertrag bringen, aber auch Hängematten und Kinder ertragen, Schatten spenden, Wind- und Sichtschutz bieten und natürlich gut aussehen. ;)
dmks hat geschrieben: ↑2. Dez 2018, 09:04Wildformen wachsen oftmals auch ohne Schnitt.
Ein Obstbaum ist aber kein Produkt der Evolution, sondern der Züchtung. Und diese legt den Wert auf die Früchte und nur zweitrangig auf den Wuchs. Ohne Schnitt funktioniert ein Obstbaum nicht auf Dauer. ;)
Du siehst ja schon oben, daß meine Ansprüche und Ideen in eine ganz andere Richtung gehen. ;)
Ich schneide auch, aber eher vergreistes krankes Holz und Bruch. Wenn's aneinander schabt natürlich und tote Zweige. Bei Pflaumen aller Art kürze ich einige Kurztriebe, bevor sie Dornen werden. Zu schwache Zweige kommen auch raus.
Ich bemühe mich, den Baum zu unterstützen. Starke Erziehung betreibe ich nicht. (Auch wenn's so rüberkommt, bin ich gegen antiautoritäre Erziehung. ;D)
[quote author=555Nase link=topic=64165.msg3204300#msg3204300 date=1543733772]
An der Flora rumzuschnippeln, ist von der Evolution nicht vorgesehen, tut es die Fauna trotzdem, so liegt es an selbiger. 8)
;D ;D ;D