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Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck? (Gelesen 14680 mal)
Moderator: thomas
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Mensch, kommt, seits ernst, das ist ein interessantes Thema! Wir wollen hier weder blödeln noch anderen vorschreiben, welche Argumente sie wo vorbringen sollten, weil dann ist ein eine kontrollierte Diskussion und sowas ist fad, merkt man ja schon in der Schule.Ich stelle die These auf, dass jedes Bild ein Dokumentation ist, weil es teilweise, zur Gänze oder auch nur sehr entfernt (in gewisser Weise aber immer, weils sonst kein Foto ist) einen Teil dessen abbildet, was es in genau diesem Augenblick (oder länger, je nach Belichtung) - abhängig von Licht, Ausschnitt, Brennweite, usw. - wahrzunehmen gab. Für Feingeister: Natürlich wird nicht alles dargestellt, was es zu sehen gab, genauso, wie wir selbst nie alles sehen, was man später vielleicht auf einem Bild erkennt! Mit einem Bild kann man meines Erachtens nach nie Vollständigkeit erzielen, sehr wohl aber dokumentieren, was man selbst eventuell vergessen würde. Und so dokumentiert man immer, egal, ob man will oder nicht. Wenn Thomas nun flirrendes Wasser zeigt, so ist gleichzeitig festgehalten, dass es dort auch Bäume gab und die Sonne, die sich drin spiegelt. Und wenn fars einen Rhododendron ablichtet, ist irgendwie, und ohne dass er es verhindern könnte, auch die Umgebung drauf, wenn auch nur in Ansätzen. So unterscheidet die Art der Bilder also nur unsere Intention und wenn wir andere Bilder betrachten, die Absicht des jeweiligen Fotografen. Ich kann eine Blüte fotografien und gleichzeitig ein Bild schaffen, dass in Brigittes Augen ein Stimmungsbild ist, in fars Augen eine Zumutung, in totos Sichtweise ein unnötiges Bild, weil er die abgebildete Blume nicht mag und Thomas meint womöglich, es sei ein interessanter Blickwinkel und ich muss bei dem Bild immer an die Schnecke denken, in die ich gestiegen bin, als ich das Bild machte.Und wenn ich dem Bild nicht den Namen der Blume drauf als Titel gebe, sondern irgendetwas anderes oder eben nur eine Nummer, so wird jeder das Bild anders betrachten, ohne dass das Bild selbst sich irgendwie ändert. Und in 10 Jahren werde ich das Bild ansehen und rufen: Schaut mal, ein Dokument, damals stand die Birke da hinten noch!So what?
"Ich glaube, viele von uns haben ihre Heimat längst verloren, denn sie haben sie in der Kindheit gelassen, in den staubigen Straßen und an den sonnigen Tagen, als die Welt noch gut war, weil wir nur die Fassade sahen und zu klein waren, die Türen zu öffnen."
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Für mein Sprach- und Deutungsempfinden ist das Wesen des Dokuments der Beweischarakter. Hängt wohl auch mit meiner beruflichen Herkunft zusammen. Sofern also eine Fotografie die Bezeichnung „Dokument“ trägt, muss sie m.E. einer kritischen Prüfung auf ihren Wahrheitsgehalt hin standhalten. Dabei kommt es nicht auf Schattenspiele oder Perspektiven an, sondern allein darauf, welche Botschaft mit dem Foto verknüpft sein soll. Das verstehe ich auch unter Kontext. Stimmungsbilder sind für mich keine Dokumente. Für mich als Betrachter ist es völlig egal, ob Thomas’ Fotos tatsächlich in Finnland entstanden sind, weil nicht dieses Land bei der Botschaft im Vordergrund steht, sondern die Atmosphäre, die Lichtspielereien, die Vexierbilder, die er eingefangen hat. Ähnliche Aufnahmen wären vermutlich auch an den Ratzeburger Seen möglich. Rein theoretisch selbstverständlich, da Thomas’ Sichtweise ja nicht von jedem x-beliebig kopiert werden kann. Für mich als laienhafter Betrachter (toto spricht mir ja tiefer gehende Kenntnisse ab, führt aber anderseits sinngemäß aus, dass Sehen mit der eigenen Erfahrung zusammenhängt; #57) kommt es auf den Sinnzusammenhang des Bildes an, um den Wahrheitsgehalt, das Dokumentarische auszuloten. Nicht von ungefähr habe ich die Wehrmachtsausstellung erwähnt. Es macht eben einen eklatanten Unterschied, ob ich ein Foto in den Kontext zu Kriegsgräuel stelle oder zu Gräueltaten der ehemaligen deutsche Wehrmacht. Dasselbe Foto bekommt einen völlig anderen dokumentarischen Charakter. Deshalb halte ich auch an meinem Beispiel von der Madonna fest. Wem dieses Bild nicht passt, der möge einen Buddha nehmen, der einmal Briefbeschwerer oder innenarchitektonisches Schmankerl sein kann, oder eine tief religiöse Figur.Mit anderen Worten: Der dokumentarische Charakter eines Bildes hängt allein von seinem Kontext ab, in dem es präsentiert wird. Erst dann lässt sich der Wahrheitsgehalt ausloten.
Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Alles sehr interessant, und ich folge nur zur Hälfte. Mir scheint aber, dass hier von "Photos" und "Dokumenten" die Rede ist, obwohl genau genommen so etwas wie "Aussage" (jedweder Art) und "Wahrheit" gemeint sind.Stellt man irgendeine Aussage in einen falschen bzw. tendenziösen Zusammenhang, wird der Sinn verändert oder verfälscht. Das trifft auf das Wort genauso zu wie auf das Bild.Ebenso ist "Objektivität" kein Vorrecht der Photographie. Auch eine Zeichnung kann objektiv - oder subjektiv - sein. Das hängt vom Macher ab - von seiner Absicht. Soll sein Bild eine "objektive" Schilderung sein, so wird ihm das in dem Maße gelingen, in dem er fähig ist, einen Gegenstand, ein Ereignis unvoreingenommen zu betrachten. (Die erforderlichen technischen Fähigkeiten vorausgesetzt...) Das restlos objektive Bild (ob Photo oder Zeichnung), kann es wohl doch nie geben, denn restlos unvoreingenommen kann keiner sehen, auch wenn viele "Vorurteile" gar nicht individuell oder subjektiv sind, sondern bloß in der Luft liegen, vom Zeitgeist getragen. (Eine Ausnahme wären vielleicht solche Schnappschüsse, die ohne Überlegung und ohne hinzuschauen geknipst werden...)Das ganze gilt ja nicht nur für Bilder. Auch ein verbales Dokument kann ein "Beweis" sein im Sinne der akkuraten Schilderung dessen, was ist. Auch in dem Fall hängt alles von Absicht, Redlichkeit und Fähigkeit des Verfassers ab.Zu Thomas' Kant-Zitaten: Ich denke nicht, dass es ihm dabei um irgendwelche individuellen, persönlichen, also "subjektiven" Unterschiede in der Wahrnehmung ging. Ich denke, er meint, dass kein Mensch die Sachen so sehen kann, wie sie sind. Wir begegnen den Sachen immer sozusagen indirekt, durch den (Zerr)Filter unserer (menschlichen) Sinne. Oder

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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Hallo und guten Morgen,mir sind beim Lesen, leider bin ich erst jetzt dazu gekommen, Gartenpflichten,
einige Dinge durch den Kopf gegangen, die ich hier einmal ohne die zitierten Personen explizit zu kritisieren, erläutern mag:
), in Ausschnitt, Genauigkeit und vielem weiteren. Schon die Wahl des Filmmaterials kann eine Manipulation sein. Das Foto hat letztlich mit dem Dargestellten kaum mehr was zu tun. und:

Es gibt keine wirklich sachliche Fotografie im Sinne von objektiv. Ein Foto ist immer eine Reduktion, in der Dimension (2-dimensional), in der Bewegung der Objekte und der Betrachter, in den Farben, (selbst bei besten Materialien werden Farben nur näherungsweise und reduziert widergegeben,) in den Konhtrastumfängen, (es sei denn man heißt Ansel Adams....... gibt auch sachliche Fotografie. Ist übrigens mehr meine Sache als allzu starke Bildbearbeitung / - veränderung.

wer mal in die Lage kommt, ein Foto einem abgebildeten Gegenstand anzugleichen, wird schnell erkennen, wie viele Kunstgriffe der Bildbearbeitung im Sinne einer annähernden Objektivierung notwendig sind. Bildbearbeitung/-manipulation kann somit helfen, die Abbildungsfehler des Mediums auszugleichen, ja meist ist sie sogar notwendig, wenn man beispielsweise sieht, welchen Aufwand Adams in diesem Sinne betrieb. Dennoch bleibt das Foto nur ein Schattenbild der "Realität"...Methoden der Nachbearbeitung wie das Korrigieren von Ausschnitt, in gewissem Rahmen auch von Tonwertumfang, Helligkeit / Kontrast, Farb(temperatur) und auch Scharfzeichnen verändern das Foto nicht, sondern optimieren nur und sind damit unbedenklich. - Ich gehe dabei von 'richtig' belichteten Fotos aus.
ja, aber halt nur einen Blick unter Millionen möglichen. Und welchen der Fotograf wählt, unterliegt natürlich seiner Subjektivität. Fotografie ist genauso gefärbt, wie eine Zeichnung oder ein Gedicht. Nur macht sich die Fotografie, da sie ja die Realität abbildet, erst einmal unverdächtiger, einem Wort tritt man von Vornherein eher mit Mißtrauen entgegen. Ein Foto ist jedoch genauso objektiv/subjektiv, wie ein Gedicht, es liegt alleine in der Absicht und dem Können des Autors. Das Foto nimmt jedoch mit seinem Realitätsanspruch eine Sonderstellung ein, es beeinflußt unsere Sehgewohnheiten, ja manchmal sogar unseren Blick auf die Realität. Was ist realer, die eigene Erinnerung an etwas (mit ihr können sich beispielsweise sinnliche Eindrücke verbinden, wie Geschmack und Geruch, von denen ein Foto vollkommen abstrahiert), oder das gemachte Foto. Man kann mittlerweile auch beobachten, daß die vielen Bildbearbeitungen in der Werbung Rückwirkungen auf den Betrachter haben, wir nehmen in Eiswürfel eingefrorene Autos kaum mehr als Fake war.Natürlich ist Fotografie Dokumentation, denn sie zeigt einen Teil unserer Umwelt, wie sie zu genau dieser Zeit wahrgenommen werden konnte (!).
Jedes Foto ist ein Dokument, (mit den o.a. technischen Schwächen natürlich,) von was auch immer, das eine vielleicht mehr von der abgebildeten Situation, das andere mehr von der Sichtweise des Fotografen. Nur müssen wir das immer im Kopf behalten, daß ein Foto der Sichtweise des Autors und dessen mehr oder minder lauteren Absichten entspricht.riesenweib hat geschrieben:...wenn wir Heisenbergs unschärferelation als gültig ansehen, kann es kein dokumentationsfoto geben. da auch fotografieren immer eine interaktion ist.
Thomas, die Zeit der künstlerischen Fotografie der Anfänge, in der diese zu gestalterischen Methoden griff, um sich eben als Kunst zu legitimieren, haben wir zum Glück überwunden. Natürlich kann Fotografie Kunst sein. Ob etwas Kunst ist, entscheidet sich doch, zumindest seit dem 20. Jahrhundert, nicht durch die Wahl der Mittel, sondern durch den sozialen Kontext/Aussage. Ein schwarzes Quadrat wurde doch erst zur Kunst, weil es von Kasimir Malewitsch dort plaziert wurde, wo in einem "normalen" russischen Haushalt die Ikone hingehörte und Marcel Duchamp´s Urinal ist nicht Kunst, weil es von einem bestimmten Designer entworfen wurde, sondern weil es in vielen Menschen das Nachdenken ausgelöst hat, was Kunst zur Kunst macht, oder anders formuliert, ist etwas Kunst, weil es einem Museum hängt/steht/liegt.Thomas hat geschrieben:Ich finde, Fotografie ist keine 'Kunst' - zumindest nicht in demselben Sinne wie Malerei oder Bildhauerei. Und 'künstlerische' Fotografie ist mir persönlich etwas suspekt.
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
@ fars: Was du schreibst, gilt streng genommen für jede Art von Dokumentation. Es ist immer Zusammenhang erforderlich, um Aussagen / Artefakten eine Bedeutung zu geben, und sei es eine dokumentarische.@ mara: Exakt so wie du es sagst:
@ pocoloco,danke für die Zusammenstellung, so sieht man nochmal 'auf einen Blick', was u.A. so gesagt wurde. Ein paar kurze Anmerkungen:Zitat 1: Foto sei immer eine Reduktion: Das gilt auch für die Projektion im Auge auf die Netzhaut => kein Argument. - Weiterführend: Es gilt für jedes Tätigkeit, die etwas 'in der Welt' abbildet, auch für Sprache z.b. ... in ihrer Zuspitzung ist diese Frage eine erkenntnistheoretische.Zitat 2: Bildbearbeitung kann helfen Abbildungsfehler zu beheben => nichts anderes habe ich gesagt ;)Zitat 3: Fotografie als Kunst => s. mein Beispiel von den Bechers. - Ich habe gesagt, dass Fotografie als solche (noch) keine Kunst ist. Präziser: Ein gutes Foto ist zwar möglicherweise nicht so einfach herzustellen, aber es ist, auch wenn es 'perfekt' ist, deshalb noch keine Kunst. - Jedoch gibt es Kunst, in der Fotografie als eingesetzte Technik eine wichtige Rolle spielt.Liebe GrüßeThomasWir begegnen den Sachen immer sozusagen indirekt, durch den (Zerr)Filter unserer (menschlichen) Sinne. Oder
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
1.zu erläuterung: beim schatten redenwir immer vom Platos gedanken,dass wir menschen nie die wirklichkeit sähen, sondern immer nur ihr abbild als schatten an der höhlenwand.2.zu Heisenberg....wenn wir Heisenbergs unschärferelation als gültig ansehen, kann es kein dokumentationsfoto geben. da auch fotografieren immer eine interaktion ist.vom schatten an der wandbrauch ma gar net reden ....
Quelleinteressant auch der gedankengang: sobald ich mich in ein system involviere (beobachtend, messend) verändere ich es, also auch die subjektiv als objektiv wahrnehmbare erscheinungsform des systems. Chaostheoretiker leben ja auch von diesem zugang zur welt. lg, brigitte...Heisenberg entwickelte in der Folge in Zusammenarbeit mit Bohr die sogenannte Kopenhagener Schule der Quantenphysik, die in Wahrheit keine wissenschaftliche Schule ist, vielmehr versucht sie uns zu erklären, dass Physik nicht herausfinden soll, wie die Natur ist, sondern nur was wir über die Natur sagen können. John Wheeler, einer ihrer wichtigsten Vertreter erklärt uns, dass Vorgänge in der Natur keine Vorgänge sind, solange sie nicht beobachtet werden. Dies hat aber nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, das ist bloß eine gewisse Weltanschauung - die des subjektiven Idealismus. Heisenberg hat diesen Gedanken schon 1919, als er in den Reihen des reaktionären Freikorps gegen die deutschen Arbeiterbewegung kämpfte, entwickelt. Er sei vielmehr an den philosophischen Grundlagen seiner Arbeit als an den konkreten wissenschaftlichen Ergebnissen interessiert. Überdies sei es notwendig, sich vom Gedanken zu trennen, dass es objektive Prozesse in Raum und Zeit gäbe. Seine philosophische Interpretation der Quantenphysik war also weit davon entfernt, Ergebnis wissenschaftlicher Experimente zu sein, es ging ihm vielmehr darum, seinen philosophischen Idealismus auf die Physik zu übertragen. Diese idealistische Weltanschauung gebraucht er dann auch zur Rechtfertigung seiner Zusammenarbeit mit dem NS-Regime als Chefentwickler der Atombombe: Da es keine objektiven Gesetze in der Natur gebe, könne man auch im vorhinein nicht sagen, was richtig oder falsch wäre, jeder müsse für sich selbst entscheiden...
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
beim durchlesen dieser googlesuche kam ich zu der seite, übrigens interessant, und hab dann den wirklich net schlecht zu unserem thema passenden artikel gefunden.wie ihr merkt, bin ich der meinung jede diskussion über objektivitätalsvoraussetzung für ein dokument ist unvollständig, solange nicht die sozialen und physiologischen aspekte des menschen mitdiskutiert werden. objektivitätstandards können meineserachtens nur für personengruppen erreicht werden, niemals für alle, weltweit. und zu Thomas initialer frage: fotografie ist auch für aktiv künstlerischen ausdruck geeignet. und wie einige ja schon angesprochen haben: zeigt sich dann der hintergründige zustand eines dinges/einer situation oft nicht klarer wie bei nichtkünstlerischer wiedergabe? und ist dann mehr eine dokumentation einer weiteren ebene/facette ? lg, brigitte
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Genau! In der Kunst geht es ja (u.a. - sage ich vorsichtig) um Deutung; um die Suche nach Wahrheit (großes Wort gelassen gesprochen...)Ich glaube, mit dem Wort Dokumentation kommen wir nicht weiter, weil man darunter so ziemlich alles verstehen kann. Selbst das gekünstelte Photo ist Dokument: einer Sehweise, einer zeitgebunden modischen Ästhetik usw.Der Mensch ist nicht objektiv, kann es nicht sein. Seine Werke somit auch nicht. Das Sehen ist keine Objektivierung der Wirklichkeit, sondern Interpretation. Die Photos, die eine Überwachungskamera produziert, sind "objektiv"; sobald ein denkender Mensch hinter der Kamera steht und mit Bewusstsein auf den Auslöser drückt, wird eine mehr oder minder gefärbte Ansicht festgehalten. Mehr oder minder, eben. Der Grad der Objektivität oder Interpretation wird in erster Linie durch die Absicht des Photographen bestimmt.und zu Thomas initialer frage: fotografie ist auch für aktiv künstlerischen ausdruck geeignet. und wie einige ja schon angesprochen haben: zeigt sich dann der hintergründige zustand eines dinges/einer situation oft nicht klarer wie bei nichtkünstlerischer wiedergabe? und ist dann mehr eine dokumentation einer weiteren ebene/facette ?
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Zeigt Fotografie das, was ist?'Entzündet' hat sich der Thread doch an dem, was ich als Eröffnungspost hier hinkopiert habe.Ursprünglich äußerte Fars ein 'grundlegendes Bedenken' (möchte ich es mal nennen) gegenüber Fotografie generell;
Seine Bezugnahme zur Wehrmachtsausstellung macht deutlich, worum es ihm geht: Er ist offenbar der Meinung, dass Fotos als solche nicht zur Dokumentation von Sachverhalten taugen, denn sie sind immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit. Die Wahl des Ausschnitts alleine, das Beeinflussen der Bildbotschaft durch Brennweite, Belichtung etc. pp., schließlich noch die Wahl bestimmter Fotos aus einer größeren Menge, der Zusammenhang, in dem sie gezeigt werden ... all das trägt natürlich zur transportierten Bedeutung bei.Wie schon mehrfach gesagt, trifft dies für alle Verfahren zu, mit denen wir auf Sachverhalte Bezug nehmen. Auch für Sprache. Im Extrem sogar auf unsere 'Wahr-Nehmung' überhaupt (deshalb Kant). Wie von einigen angemerkt, kommen Faktoren wie soziokulturelle Hintergründe konstituierend hinzu ... Das ist sind wichtige Umstände, aber er ist eben nichts, was spezifisch für Fotografie wäre.Trivialerweise gibt es auf dem Hintergrund dieser Überlegungen keine Fotografien, die nur als solche dokumentarischen Zwecken genügen. Dokumentation ist auf jeden Fall eine Tätigkeit, zu der mehr gehört als das Erstellen und Vorzeigen von Bildern.So weit, so klar.Eigentlich hatte mich an dem Thema weniger dieser grundlegende, eher erkenntnistheoretische Aspekt interessiert ... Mich würde mehr interessieren, wie wir beispielsweise Naturfotografien auffassen, die wir hier zeigen und sehen. Deshalb auch mein Beispielfoto der Birkenzweige vor dem Wasser: Das ist eben keine Dokumentation. Es ist aber auch keine subjektive Verfälschung. Schließlich ist es auch keine Kunst.Es ist aber vielleicht ein gültiges Foto zu einem typischen Aspekt Finnlands. Damit ist es mehr als nur meine persönliche Sichtweise an einem bestimmten Fleck zu einer bestimmten Zeit. Und daran ändert sich nichts, auch wenn man ähnliche Fotos woanders ebenfalls machen kann. Bei diesen ähnlichen Fotos könnte ein Betrachter sagen: "Erinnert mich an Finnland!", und ein anderer: "Sieht aus wie am Bleibtreu-See!".Es ist eben nicht der Kölner Dom drauf, oder sonst eine eindeutige Referenz gegeben. Und auch da könnte jemand sagen: "Sieht aus wie der Kölner Dom - ist aber die Kathedrale von Amiens."Ich vertrete die Auffassung, dass Naturfotografie in einem nicht-expressiven Sinne durchaus zeigen kann, was ist. Auch da ist die Interpretation des Fotografen gefragt: Was ist typisch, was nicht? Entsprechend wählt er Ausschnitt, Brennweite, Belichtung, bearbeitet nach ... aber immer im Dienste der sachlichen Aufgabe: Zu zeigen, was ist.Ferner wollte ich zum Ausdruck bringen, dass mich persönlich solche Fotografie mehr interessiert als 'metaphorische' oder 'künstlerische' oder 'kreative' ... oder 'dokumentarische'.Liebe GrüßeThomasFotografie war zu allen Zeiten der subjektive Eindruck des Fotografens oder der missglückte Schnappschuss oder die bewusste Lüge.
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
ichhab jetzt Deinen kommentar ab "so weit so klar" ein paarmal durchgelesen.und bin mir nicht sicher ob bei mir die botschaft ankommt, die Du aussenden willst - simpler: ob ich dich richtig verstehe.Du meinst, dass, im gegensatz zu weiter oben von Dir festgestellten, ein naturfoto zeigen kann was ist. (einschränkung im sinne der bisherigen diskussion: also für Dich "ist", und sehr oft auch für {viele} andere). und stellst ferner fest, dass Du eine fotografie, die das für den fotografen typische/wichtigste eines sujets herausarbeitet, am interessantesten findest?passt das so?
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Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
... auch hier nicht nur in diesem Dienste, sondern auch vielleicht, um etwas hervorzuheben, "schöner" zu machen oder eben den Blick auf dieses Besondere zu lenken, was sonst niemand wahrnehmen würde .... ein Foto auch als Betonung genau dieses Objektes...... aber immer im Dienste der sachlichen Aufgabe: Zu zeigen, was ist.
Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Klar ist es Kunst - was sonst? Keine große Kunst, meinetwegen, weist aber typische Merkmale von Kunst auf. Schließlich hast du dir Gedanken gemacht über: Farbklang, Komposition, Stimmung. Schönheit. Deswegen hast du gerade dieses Photo gemacht.Was meinst du mit "subjektive Verfälschung"? Absichtsvolle Verfälschung etwa? Und überhaupt wieso Verfälschung? Irgendwie scheint im Hintergrund die Vorstellung zu schwirren, was subjektiv ist, ist manipulativ, geschieht zum Zwecke der Irreführung.Mich würde mehr interessieren, wie wir beispielsweise Naturfotografien auffassen, die wir hier zeigen und sehen. Deshalb auch mein Beispielfoto der Birkenzweige vor dem Wasser: Das ist eben keine Dokumentation. Es ist aber auch keine subjektive Verfälschung. Schließlich ist es auch keine Kunst.
Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Eigentlich - wenn man fotografiert - sucht man doch den besten Winkel, das beste Licht, versucht: den Schatten einzubeziehen, um Plastik zu erreichen oder wegzulassen, um das Objekt neutral... oder in einer Stimmung ( Nebel z.B. ) abzulichten. Man "ändert" also im Sinne des letztlich entstehenden Bildes oder im Sinne des Objektes, was man "benutzt", und man möchte natürlich auch, daß der Betrachter das Bild/die Aussage so versteht/sieht, wie man selbst es gesehen hat, oder? Also beginnt bei der Auswahl die unvermeidliche Subjektivität.Ein Einwirken auf das Bild selbst ( also das Bild als Objekt ) war immer nötig oder möglich. Ob nun durch Entwicklungszeiten oder heute durch Tonwertkorrektur. Vielleicht mißtrauen wir einem Abbild schlechthin und suchen das "Wahre", das es aber genauso wenig "objektiv" gibt. Ein "gesundes" Mißtrauen
: was ich nicht anfassen kann, glaube ich nicht....

Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Haben wir damit den ersten Teilaspekt der Diskussion „objektive Dokumentation“ abgehakt? Das Ergebnis? So wie ich die bisherigen Beiträge lese, gibt es keine „objektive Dokumentation“ (wenn man vielleicht mal von reinen Sachfotos unter forensischen oder wissenschaftliche Aspekten absieht). Allein schon die Bezeichnung „gute Dokumentarfotografie“ zeigt schon das Bemühen und damit den gesteuerten Effekt. Portrait-Fotografie ist erst recht keine objektive Dokumentation. Der gute Fotograf trachtet danach, Charaktereigenschaften des Portraitierten herauszuarbeiten. Mit anderen Worten: Wir stehen wieder bei den Eingangsbeiträgen.Ob Fotografie Kunst ist, kann ich nicht beurteilen. Dennoch habe ich auch hier Zweifel. In meinem unmittelbaren Freundeskreis gibt es einen Fotografen, der sich als Künstler sieht. Früher „verschoss“ er zig Filme mit mehreren hundert Aufnahmen. Die wurden dann durchsucht nach „gelungenen“ Bildern. Die digitale Fotografie hat sein Leben erheblich erleichtert. Wenn ich meinem 7-jährigen Enkel eine Digi in die Hand drücke, wird ihm mit Sicherheit die eine oder andere Aufnahme gelingen, bei dem das Publikum Beifall klatscht. Klingt provokant, ist es in meinen Augen aber nicht. Das Wesen der Fotografie ist eben die beliebige Wiederholbarkeit und heute auch noch die fast beliebige Korrigierbarkeit. Ich kann als Betrachter somit auch hier nicht zweifelsfrei entscheiden, ob das gezeigte Bild das Wollen und Können des Fotografen wiedergibt oder lediglich ein Zufallsprodukt ist.Sofern aber bereits die Auswahl des Fotos, dieses „Das soll es sein!“ Kunst ist, dann – selbstverständlich – ist der Fotograf ein Künstler.