Schafe halten III (Gelesen 152966 mal)
Moderator: Nina
- frauenschuh
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Re: Schafe halten III
Springkraut wird ebenfalls gefressen.
Es ist wie so häufig im Leben. Man bewertet eine Momentaufnahme als das Maß der Dinge. Gut, wenn ich auf einer Rinderweide (wir reden jetzt nicht von wilden Landschaften, sondern von Weiden) den Bach drin lasse, wird es mit der Hochstaudenflur schwierig. Und ja, Rinder stehen bei Hitze gern im Bach. Aber zwischen keiner und temporärer Beweidung ist ja ein himmelweiter Unterschied.
Im Buch wurde beklagt, dass a) Schafe alles wegfresen b) selektieren und nicht alles wegfressen.
Da zieht sich meine Stirn das erste mal kraus. Also nehmen wir an, es liegt am Weidezeitpunkt oder/und Wahl der Schafsrasse. Am Ende würde bei optimaler Wahl tatsächlich die theoretische 100 % Verwertung des Aufwuchses liegen. Das ist ähm... für gewisse Arten sicher schwierig,will ich gar nicht bestreiten. Da kommen wir aber ohne Hutung nicht raus aus dem Dilemma. Und anstatt historisch zu argumentieren, dass Wisent und Co aber keine Schäfchen durch die Gegend gestriffen sind, würde ich dann doch sagen, dass gehütete Schafe und Ziegen häufig des kleinen Mannes (Weibleins) einziges Vieh waren und das auch sicher nicht erst seit der vorherigen Jahrhundertwende. Davon ausgehend müsste bei Anlehnung an historische Nutzungen die Hutung analog zur Schweiz mal mindestens in FFH Gebieten bezahlt werden. Und zwar so, dass man davon leben kann. Weil logischer Weise der ganze Tag verplant wäre.
Wenn das mit der theoretischen 100 % Verwertung indes unerwünscht wäre (Mosaikbildung, für viele Arten gut), dann frage ich mich, wieso gerade das in den hiesigen neuen FFH Gebietsverordnungen drin steht. Für Täler, die kaum noch Bewirtschafter haben. Also im Grunde... lässt man sein Grundstück brach fallen, hat man gegen nichts verstoßen. Hat man sein Grundstück extensiv beweidet, dann kommt der Zeigefinger auf den Paragrafentext. Das trifft jetzt zwar nicht uns. Wir erreichen auf unseren beiden Flächen im künftigen FFH Gebiet die nahezu 100 % Verwertung. Wir sind ja aber nicht das Allheilmittel für alle Wiesentäler hier. Ich träume ja gern und bereitwillig, dass wir den brach gefallenen Teil (fragt nicht, sind einige ha) eines Tals noch reaktiviert bekommen. Aber alles hat Grenzen und dementsprechend habe ich hier auch die wenigen anderen Beweider im Blick. Von denen einer aber nicht annährend die 100 % Verwertung erreicht. Was soll dann da die Lösung sein?!
Gut. Es soll ja alles dadurch rund werden, dass es einen Managementplan geben wird.
:-X
Wieso bekomme ich da Gänsehaut? Wer nacht denn den mit wieviel Ahnung der einzelnen Tierarten? Also ich kann vergleichsweise viel zu Schafen sagen. Bei Rindern ist der Erfahrungshorizont jedoch sehr begrenzt. Wie abenteuerlich wird das werden, wenn einer nur solche Bücher konsultiert?
Man verstehe mich jetzt nicht falsch. Ich erkenne die Arbeit und den Willen durchaus an. Indes hätte es noch niemandem geschadet Praktiker ins Boot zu holen.
Ach so. Im Nachgang zur Hutung: Dazu müsste natürlich auch eine Pferchung erlaubt sein ;D Mindestens die heutigen Schäfer schaffen die extremen Distanzen nicht an einem Abend zurück und morgens wieder raus. Das müsste so eine FFH Gebietsverordnung auch berücksichtigen.
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Re: Schafe halten III
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Re: Schafe halten III
Wir betreiben Wetteifern. Ich mäh verbissen Johanniskraut, sie fressen genauso schnell gegenan. Wenn ich da fertig bin kann ich drüben gleich weiter machen. Die Skudden ziehen kommende Woche spätestens zu Fuß hoch. Dann kommt zeitnah die Bildung der "großen Herde"
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Re: Schafe halten III
Re: Schafe halten III
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Re: Schafe halten III
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Re: Schafe halten III
Ja Staudo, der Bach war sogar Springkraut frei, als die Rinder noch komplett durch durften. Nachteil indes... Hochstaudenflur hatte es folgerichtig auch nicht ;) Dann haben die NLF Erlen gepflanzt um die Bachtemperatur zu senken. Deswegen und um die Rinder aus den Bach zu bekommen, kam dann der Zaun. Und dann kam sofort das Springkraut, das schon vor Ort vorhanden war. Am Weg haben wir und ein ehemaliger Förster die Anfänge gut im Griff gehabt. Jetzt sieht sieht man das Springkraut Jahr für Jahr Sprünge talaufwärts machen. Auf unserer Fläche ziehen wir es raus. Weiter oben, wo wir im Pflegevertrag tätig sind, ist es noch nicht. Aber begeistert da oben am Bach das Springkraut zu ziehen, werde ich mich teilweise nicht zeigen. Denn auch da sind Erlen gepflanzt worden. In Folge kamen Brombeeren. Und dazwischen... stakel ich nicht längs. Da ist auch eine temporäre Beweidung durch uns nicht mehr möglich. A) würden sie begeistert die Erlen schälen und B)in den Brombeeren festhängen. Ich habe gestern erst wieder eine Akkuladung Brombeeren ausgemäht. Wohlgemerkt waren wir das Anfang des Jahres schon, oder schon wieder, wie man´s nimmt ;D
Nun kann man sich denken: Gut, wegen der Erlen war bzw. wird die Hochstaudenflur eh in Bedrängnis kommen. Sins ja dann komplett andere Lichtverhältnisse. Aber ich finde es schade. Neben der Sumpfschafgarbe blühen da auch mal vereinzelte Kuckuckslichtnelken. Flutender Hahnenfuß. Eine jetzt lila, klein blühende Pflanze, die ich, sorry, nicht kenne. Waldfelberich. Bestimmt noch mehr, was mir nur jetzt nicht einfällt. Auf jeden Fall bunt. Und es brummt.
Insgesamt - auch wenn wir dieses Jahr etwas Zeitverzug haben - ist es eine Wucht. Ich mähe derzeit immer etwas (Betonung auf etwas) nach. Wir haben da ein Gras, das sich ausbreitet. Bildet sehr harte, sehr kompakt kleine Horste. Die Schafe verbeißen das zwar, aber ich möchte das nicht in Reinkultur haben und auch hier greift der Satz - wir sind zu spät im Jahr, es blüht jetzt schon. Während sich andere also um Brennnesseln und Disteln sorgen, bin ich bei dieser Grassorte hinterher ::) Das geht dann folgendermaßen. Mein Freischneider läuft durch Strom. An und aus sind daher wesentlich einfacher als bei einem knatternden Moped. Grasbusch erreicht: Anklopfen! Es springen Eidechsen heraus. Offensichtlich, weil dieser Grasbuschen jetzt aus dem Abgeweideten herausschauen und daher sonnenexponiert sind. Erst danach wird der Grasbüschel frisiert. Wir hatten immer schon Waldeidechsen vor Ort. Ich nehme an, dass ihnen die Beweidung hochgeradig entgegen kommt. A) hat es erheblich mehr Grashüpfer als früher. Man kann Vögel beobachten, die 1/4 Stunde an Ort und Stelle bleiben und immer nur wieder zuschnappen. B) ist Mahd natürlich das Ende unzähliger Kleintiere. Ob Insekten oder eben Eidechsen. Weswegen ich auch schon Pusteln bekomme, wenn ich nachmähe. Das sind natürlich im Vergleich nur punktuelle Störungen, tut mir aber schon weh.
Auf jeden Fall hat es eine sensationelle Eidechsendichte vor Ort. Das Johanniskraut harke ich zusammen und werfe es auf eine Plane, die ich hinterher von der Fläche runter bugsiere. Gestern ließ sich gleich als Erstes eine Eidechse auf der Plane nieder. Ich hab sie fast anfassen können, so nah ließ sie mich ran. Sssssst, flitze sie schließlich weiter. Und mein Lachen klang durchs Tal.
Wie gesagt: Es ist nicht nur Arbeit, es ist auch Privileg hier draußen hm, ja gestalten zu dürfen. Gerade in dem tal, wo wir so viele Flächen bewirtschaften, hat man ja fast das große Ganze im Blick. Niemand sieht die Veränderungen - in welche Richtung auch immer - so detailreich wie wir.
Heute muss ich wieder einmal ein Telefonat mit er LWK führen. 8) Dieses mal für den Verein, von daher bin ich höchst tiefenentspannt. Wir besitzen ein paar Handtuchgrundstücke, die durch einen Landwirt bewirtschaftet werden. Da plant eine Organisation (nein, nicht unsere!) ein Extensivierungsprogramm. Das sei völlig unschädlich für die Förderungen. Aha. Hab ich irgendwas falsch verstanden? AUM war nicht freiwillig? ;) Ich hatte Anfang des Jahres schon wegen dieses Förderprogramms telefoniert. Von daher bin ich ziemlich sicher, welche Auskunft ich bekomme. Aber gut, natürlich kann ich bzw. die LWK irren.
Noch ein Beispiel: ich hatte beschrieben, dass uns 600 qm Brennnessel ärgern. Dieses brauchte einen Antrag bei der UNB und einen Antrag an die LWK und wäre bei der Letzteren auch beinahe abgelehnt worden. Jetzt dürfen wir fräsen und neu einsäen, der Bewilligungsbescheid kam. Allerdings nur mit Grassamen. Man könnte ja aus ökologischen Gründen sagen: Besser wäre doch autochtones Saatgut mit Blühpflanzen gewesen. Das hätte aber eben prompt wieder Ärger mit der Förderfähigkeit gegeben. Es ist eben weit komplizierter als uns seitens der Organisation zu schreiben: Das sind keine EU Mittel und deswegen ist es keine Doppelförderung. Ähm, also unser Verein achtet peinlich darauf, dass nicht Fördermöglichkeiten zerstört werden. Denn wir wissen, dass sich die Landwirtschaft nicht durch Fleischverkauf am Leben erhält. Das geht vielleicht (!) wenn man im Maststall Schweine produziert und nach China verschifft, aber nicht in der Landschaftspflege. Ergo werden wir einen Teufel tun und nachfolgenden Generationen das Wirtschaften unmöglich machen. Ich werde berichten ;)
Re: Schafe halten III
- frauenschuh
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Re: Schafe halten III
::) Ja was meinst, was ich dumm geschaut habe. Ich hatte schon von einer bekannten Firma nach dem Preis für autochtones Grünlandsaatgut gefragt. Haarscharf am Fettnäpfchen vorbei :P
Auskunft LWK: Extensivierung ect. darf nicht im Grundbuch ect. festgeschrieben werden. Sonst entbehren die AUM Maßnahmen wieder der Freiwilligkeit.
Manchmal ist es furchtbar anstrengend das Sandkorn im Getriebe zu sein ::) ich kann doch auch nichts dafür.
Re: Schafe halten III
frauenschuh hat geschrieben: ↑29. Jul 2020, 09:02
Weißt Du wie das mit den Kuckuckslichnelken sit? Überleben die das Überwachsen auch?
Ich denke, dass Kuckuckslichtnelken kurzlebig und auf offenen Boden angewiesen sind. Trittschäden sollten hilfreich sein. ;)
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Re: Schafe halten III
Damit stellt sich dann ein anderes Problem. Wer wird unsere Flächen zukünftig bewirtschaften :-X Also ich weigere mich da auch noch runter zu jetten. Einmal Tierkontrolle (da ist Lkr. Göttingen wohlgemerkt nicht dabei) sind täglich 35 km. Und zeitlich kann ich mich nicht zerteilen. Flächen, die nicht in unser örtliches Raster fallen, bedeuten x mal mit dem Hänger hin und her sausen.
Heute ist Bürokratietag :P Ach gönnen wir uns einen Blick zurück auf gestern. Meine Jungzibben und die 3 WGHLämmer, die demnächst verkauft werden. Ich hatte da gestern meinen Sentimentalen. In der schönsten Abendsonne habe ich die Truppe über den Bach auf die neue Fläche geholt und mich dann einfach mal dazu gesetzt. Die eine knabberte am Hut, die nächste pustete ins Ohr, eine stand auf meinen Beinen, alle anderen Jungzibben standen in der 2. Reihe drumherum. Hirte zu sein ist ein Gefühl. Ein saugutes! 8)
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Raue Ostalb, 6b, Tallage 500m üNN
Re: Schafe halten III
"Das Schiff ist sicherer, wenn es im Hafen liegt. Aber dafür wurde es nicht gebaut." Paulo Coelho
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Re: Schafe halten III
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