Seite 1 von 5

Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 13:59
von Lehm
Vermehrt wird von Bauern, Behörden und interessierten Touristen darauf hingewiesen, dass Landstriche "vergandeten", will heissen ohne Pflege (wieder) zu Brachland, Buschland oder gar Wald werden. Na und? Ich praktiziere Nachlässigkeit sogar im Garten bewusst mit dem Ziel, dass da endlich spontan Kraut, Busch oder Baum wachsen, wobei aufgrund der kleinen Fläche natürlich nicht mit einem enorm vielfältigen Ökosystem zu rechnen ist. Aber warum soll etwa in den Bergen oder auf wenig besiedelten Flächen im Osten von D der Vergandung der Kampf angesagt werden? Was, bitte sehr, haben die Kritiker gegen Buschland und Wald? Fehlt ihnen bloss die Aussicht, weil sie das Klettern verlernt haben, oder gibts vernünftige Gründe für diese Haltung?

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 14:13
von Katrin
Verbuschung und Verwaldung verändert Lebensräume, die in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden von speziellen Pflanzengemeinschaften (und auch Tieren) besiedelt wurden, die sonst keinen Platz haben (Orchideen, Bodenbrüter, in Mooren Pflanzen, die wenig Nährstoffe und viel Sonne brauchen).Googel' mal Landschaftspflege und was da alles so zu finden ist. Aber ich bin sicher, du weißt eh Bescheid ;) .

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 14:24
von wollemia
Gute Frage! ;)Ohne Eingriffe des Menschen wäre Mitteleuropa mit Ausnahme von Hochgebirge, Hochmooren, ein paar Felsstandorten, einigen Trockenrasen, ephemeren Sandbänken, Strandbereich, einigen Dünen und den Gewässern komplett bewaldet.Wie immer kommt's auf den Einzelfall an:Wenn Halbtrockenrasen mit seltenen Orchideen und anderen Pflanzen, die in unserer Kulturlandschaft kaum noch Platz haben, nicht mehr bewirtschaftet werden, verschwindet die Vegetation und macht einem Gebüsch Platz, das als ökologisch weniger wertvoll angesehen wird. Dasselbe passiert mit artenreichen Magerwiesen, wie ich sie hier im Schwarzwald noch oft sehe. Ohne Beweidung oder Mahd wird das wieder Wald.Da geht's allerdings schon los mit der Wertschätzung: Viele dieser Magerwiesen werden heute gedüngt (mit Gülle) und mutieren zu saftig grünen Löwenzahnwiesen. Schön für bunte Bilder in der Tourismuswerbung und für den Ausblick über die Landschaft, aber ökologisch ziemlich verheerend. Da wäre mir lieber, der Wald käme wieder.

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 14:36
von Lehm
In den Alpen wurden ja früher v.a. Rinder auf die Weide geschickt, das hatte den Vorteil, dass sie nicht überall hinkamen und so nicht alles zertrampelten, und doch auch einigermassen steile Hänge von Busch und Baum frei blieben (mal aabgesehen von der gesuchten sog. Alpenmilchschokolade). Heute werden vermehrt Schafe eingesetzt, die den Lebensraum von Gämsen und gar den von Steinböcken bedrohen. Warum? Weil Schafe kaum Aufsicht brauchen, nicht gemolken werden müssen, und man so Personal und Kosten spart, und sogar noch Staatsbeiträge einsackt für den Dienst an der Gemeinschaft, eben dem zu verhindern, dass die Alpen "verwalden". Greift dann mal ein Wolf die nicht beaufsichtigten Herden an, wird er gleich abgeknallt. "Wir Städter" haben jetzt genug davon, dass die Landeier unsere letzten Naturräume derart verunstalten. ;)

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 14:50
von pearl
Da wäre mir lieber, der Wald käme wieder.
mir auch. ;) :D Aber was machen die hier auf dem Land? Sie holzen die Böschungen ab um Brombeerdickichte zu kultivieren. Das stört mich natürlich auch nur deshalb und überhaupt als einzige hier, weil ich Städter bin. Wie Lehm schon schlau bemerkte. ;) :D

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:11
von netrag
"Wir Städter" haben jetzt genug davon, dass die Landeier unsere letzten Naturräume derart verunstalten. ;)
Im allgemeinen kann ich Dir Ja zustimmen. Aber mit dem letzten Satz wäre ich seeehr vorsichtig. Ist nicht eine Stadt die größtmögliche Naturbedrohung. Müßtest also eigentlich die Beseitigung der Städte fordern.

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:11
von RosaRot
Bei uns liefen hier früher überall Schafe mehrmals jährlich durch die Gegend. Die Trockenrasen, für die unsere Gegend berühmt ist, gediehen wunderbar. Seit dem Einzug anderer Zeiten vor ca. 20 Jahren sind die Herden mittlerweile alle verschwunden, wir haben nun im Übermaß Brombeergebüsche, Ligusterhecken, Robinien. Die Füchse lieben es, die Adonisröschen, Ödlandschrecken und andere Wesen der Flora und Fauna weniger...gelegentliche Naturschutzfällaktionen helfen da auch nicht wirklich.Ein deutlicher Verlust, wenn alles verbuscht und man die Gegend vor Bäumen nicht mehr sieht.Ähem, die brommen ja nicht die Brombeeren..

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:35
von uliginosa
In Mitteleuropa wird meist Kulturlandschaftsschutz betrieben: Unter der menschlichen Nutzung haben sich artenreiche Trockenrasen oder Auenwiesen entwickelt, d.h. die schönen bunten Blumenwiesen ::). Die sind nun einerseits durch Intensivierung bedroht, andererseits durch Verbrachung, die Verbuschung mit sich bringt. Beides geht mit einem heftigen Artenschwund einher. :'( Ich bin z.Z. v.a. in Auen unterwegs. Dort werden die artenreichen Auenwiesen bei andauernder Brache durch undurchdringliche, artenarme Brennesselfluren oder Schilfröhrichte ersetzt. :P

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:44
von lonicera 66
:) bei uns findet alle paar Jahre die "Entkusselung" der letzten verbliebenen Heidegebiete statt. Das ganze Dorf trifft sich dann zum Entholzen der Heide.Ohne die Entkusselung hätten wir kein einziges Heidestück mehr und viele seltene Pflanzen wären dann für immer verloren.Satt Dessen gäb´s dann hier riesige Faulbaumbestände, die alles unter sich ersticken würden. Dann ade´, schönes Auetal...Schafe hat´s hier in unserem Teil der Lüneburger Heide nicht mehr...zu mühsam und die Wolle muß mangels Abnehmer als Sondermüll teuer entsorgt werden.Außerdem wären die meisten hier(bes. Kartoffelbauern) auch mit dem ständig feuchten Klima, das durch starke Bewaldung entsteht wohl kaum glücklich - ich kenn´s aus dem Harz : die Harzer nennen ihn selbst liebevoll "Petrus´Pisspott"

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:46
von Lehm
Gut, ich kenne diese Argumemente. Aber was haben wir denn von einem Europa von vor ein paar Tausend Jahren zu halten, das angeblich durchgehend bewaldet war? War das ökologisch wertlos?

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:50
von lonicera 66
:) nein, Lehm, ich denke nicht, das es wertlos war...Aber bedenke, wieviele Menschen haben damals hier gelebt? Und wieviele sind es jetzt?Welcher Artenreichtum ist durch die Abholzungen der letzten tausend Jahre bei uns eingezogen und wollen wir diese wirklich wieder verlieren?Das Leben ist Veränderung, vor allem in der Natur...edit: es sollte für jede Form von Landschaft ein Platz vorhanden sein...

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 15:55
von netrag
Sicherlich ist ein bewaldetes Europa ökologisch nicht wertlos,allerdings auch keine Kulturlandschaft mehr.Kultur und Mensch gehören nun mal zusammen. Keine Kulturlandschaften---keine Menschen.

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 16:12
von netrag
@Lehmhttp://de.wikipedia.org/wiki/Troll_%28Netzkultur%29

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 16:19
von Lehm
Die Frage stellt sich dann, ob sich der Mensch im Wald oder Buschland nicht (mehr) wohl fühlt und wenn nicht, warum nicht. Liegt es daran, dass wir nur noch mit Mühe auf Bäume klettern? Auch die letzten Naturvölker neigen ja zum Roden, wenn sie in paar Tage rasten.Ebenso ist natürlich zu fragen, ob der Mensch in einer Welt ganz ohne Wald überleben könnte bzw. wollte.

Re:Was ist schlimm an Brachland, Verbuschung und Verwaldung?

Verfasst: 20. Aug 2010, 16:29
von pearl
Die Frage stellt sich dann, ob sich der Mensch im Wald oder Buschland nicht (mehr) wohl fühlt und wenn nicht, warum nicht. Liegt es daran, dass wir nur noch mit Mühe auf Bäume klettern?
es liegt daran, dass Wiesen und Weiden idealtypische Landschaften sind, die der Mensch schön findet, weil er Jahrtausende lang in Steppen gemeinsam mit großen weidenden Säugetieren und eigenen Herden gelebt hat.Wiesen und Weiden sind also im kollektiven Unbewussten mit reichlich Fleisch verknüpft, ein Faktor, den man nicht vernachlässigen sollte. Der Haken an dieser Theorie ist, dass fleischfressende männliche Primaten eher Wald und Wasser mögen und Fleisch verachtende weibliche Primaten die mit dem Blümchenfimmel sind. Genaugenommen will ich mir widersprechen und finde es auch nicht in Ordnung und sehr bedauerlich, wenn alles wieder Wald würde. ;D