'Altes' Kräuterwissen
Verfasst: 10. Jul 2005, 20:10
Ich bin schon etwas verwundert, daß zwar einerseits 'Bio', 'Natur' und 'Altes Wissen' dermaßen in Mode sind, aber die allermeisten Leute dabei offenbar (gelinde gesagt) etwas an der Oberfläche bleiben. Gestern habe ich im Fernsehen (rbb) einen Beitrag über ein Kloster in der Nähe von Koblenz gesehen. Bei 'Kloster', 'Nonnen' und 'Kräutergarten' denkt man doch gleich an uraltes Klosterwissen, Weisheit etc, oder? Nun, zumindest dieses Kloster war ziemlich desillusionierend. Die Nonnen berichteten, daß sie sich irgendwann fragten, was sie denn mit ihrem Garten anfangen könnten. (Die Zierpflanzen waren wohl ziemlich kostenintensiv.)Irgendeine von ihnen schlug 'Kräutergarten' vor, und alle waren begeistert. Ok, ich weiß schon, daß in einem Fernsehbeitrag die Dinge manchmal etwas komisch rüber kommen und durch die starke Vereinfachung und Verkürzung sich etwas von der Realität entfernen. Aber es scheint so zu sein, daß der Kräutergarten ziemlich neu ist, nicht von Generation zu Generation weitergegeben und gepflegt. Und die Nonnen hatten keineswegs Erfahrung oder sonst tiefer gehendes Wissen, nein, sie haben sich offenbar auch nur ein paar Kräuterbücher geschnappt. Ziemlich desillusionierend.Auch bei den Beeten gab es nichts besonderes. Ein Beet für Minzen, eines für Melissen, eines für Thymian... (man hätte ja denken können, daß im Laufe der Jahrhunderte sich besondere Kombinationen als günstig erwiesen hätten...)Nun frage ich mich natürlich, was die populären Kräuterbücher so taugen. Mir scheint, daß fast alle eh nur voneinander abschreiben. Behauptungen wie 'wirkt entschlackend' oder 'blutreinigend' werden ständig als praktisch selbstverständliche Tatschen dargestellt, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, was damit eigentlich gemeint ist, geschweige denn woher dieses 'Wissen' stammt. Wahrscheinlich haben die Autoren das ständig übernommen, ohne es selbst zu verstehen.Und auch die 'orinalen' (sprich: alten) Quellen müssen doch nicht automatisch richtig sein. Hat schonmal jemand tatsächlich gelesen, was die wiedermal hochverehrte Hildegard von Bingen so geschrieben hat?http://gutenberg.spiegel.de/hildegar/heilwiss/heilwiss.htm:
Die meisten der Menschen, die damals 'Blut spuckten' dürften Lungentuberkulose oder andere Infektionskrankheiten gehabt haben.Gegen Blutspeien. Wenn schlechte, dick werdende Säfte im Menschen überhand nehmen und ihn zwingen, einige Zeit Blut zu speien, soll dieser Mensch so lange keine Medicin gebrauchen, damit nicht das Blut, durch die Medicin zurückgehalten, ihn innerlich vereitert und in ungewöhnlichem Grade ausfliesst.
Ich glaube, das brauche ich nicht zu kommentieren. Hier noch etwas für die Tierfreunde unter uns:Wenn ein Mann unter Erguss kräftigen Samens und in treuer Liebe zur Frau zu ihr kommt und sie dann auch die rechte Liebe zum Manne hat, dann wird ein männliches Kind empfangen; denn so hat es Gott eingerichtet … Wenn der Mann seine Frau treu liebt, die Frau aber den Mann nicht, oder auch die Frau den Mann liebt, aber der Mann nicht die Frau, und der Mann dermalen nur dürftigen Samen hat, so entsteht ein weibliches Kind….
Auch auf die Gefahr hin, virtuell gesteinigt zu werden: nur weil die gute Hildegard im Mittelalter lebte, und weil sie in einem Kloster wirkte, und Kloster und Kräuter zugegebenermaßen ihre Funktion bei der Heilung von Krankheiten hatten, heißt das noch nicht, daß sie ihre Schriften große Weisheit bergen. Dummerweise scheint sich die Hälfte der modernen Kräuterliteratur auf sie zu berufen...Gibt es denn überhaupt brauchbare Kräuterliteratur, vielleicht sogar Primärliteratur (also nicht Sammlungen von x-mal abgeschriebenen 'Weisheiten'?Wenn die �freislicha� genannte Pustel mit Geschwulst entsteht, nehme man Fliegen, werfe ihre Köpfe weg, zerquetsche sie und lege den Brei kreisförmig um die Geschwulst … Dann lege man um diesen Kreis wiederum kreisförmig den Brei einer zerquetschten rothen Schnecke ohne Gehäuse … Schliesslich benetze man die Hautstelle um diesen äusseren Kreis mit Liliensaft …