Sie [die Bona] hat ja auch einige gute Eigenschaften. Aber nicht die, die er sucht, nämlich einen kräftigen, harzigen Johannisbeergeschmack, keine Zuckerbeeren. ... Da muss das Aroma stark sein :-)
Nach dem echten Cassis-Geschmack - wild aromatisch, duftend, vollwürzig mildsäuerlich feinherb und "trocken" nachschmeckend - habe ich Sehnsucht, seitdem ich diese Mundexplosionen der Aromastoffe zu Jugendzeiten im Obstgarten meiner Großeltern jeden Sommer auskosten konnte.
Hier berichte ich, wie ich mir diesen Cassis-Geschmack in dieser Saison im Garten herangezogen habe.
Ich habe nur Sorten genommen, die als robust oder widerstandsfähig (="resistent") gegen Mehltau gelten und in Frankreich verbreitet sind. Bei mir im Garten erwiesen sie sich als völlig gesund von Pilzkrankheiten und fruchteten gleich im ersten Jahr (mit Ausnahme des Noir de Bourgogne, dem bei mir die Läuse sehr zu schaffen machen). Unsere Geschmackserfahrungen (probiert hat auch mein Kind im Grundschulalter) aus der Ernte schreibe ich gleich dazu:
Cassis-Sorte aus Frankreich | Erfahrung in meinem Garten (1. Jahr) |
Andega (bekannteste der neueren Sorten*) | Hervorragendes Cassis-Aroma, mild süß-säuerlich; kleinfrüchtig |
Ojeblanc (grüne Cassis-Beeren, denen das schwarze Farbpigment fehlt, neuere Sorte*) | Edelaromatisch mit Cassis-Hintergrund, süß mit genug Säure; mittel- bis kleinfrüchtig |
Royal de Naples (die wahrscheinlich älteste noch breit angebaute Cassis-Sorte, in Frankreich 1970 züchterisch verbessert, im Erwerbsobstbau als Befruchter, anspruchslos) | Feinherber Cassisgeschmack, kleine rotschwarze Früchte (hätte vllt. noch etwas reifen können, in diesem Jahr schwer zu sagen) |
Noir de Bourgogne (die berühmte klassische Cassis-Sorte, im Erwerbsanbau des Burgund für Spezialitäten, Likör Crème de Cassis und Kir Royal) | Feinherber Cassisgeschmack, kleinere schwarze Früchte - leidet bei mir unter Läusen, hat im ersten Jahr nicht gefruchtet; ein dreijähriger Busch (von Deaflora) fruchtete dieses Jahr erstmals nennenswert |
Arno (neuere Sorte*) | Eher süß, aromatisch mit leichter Cassis-Note; größere Früchte - ähnlich wie Bona, aber mit Cassis-Aroma |
Black Down (England, in Frankreich seit 1974 verbreitet für die Küche) | Wenig aromatisch, herb (für uns etwas enttäuschend, vllt. haben wir diese Sorte zu früh geerntet?) |
(
Hier nicht dabei:
- Tradimel, neuere Sorte* zur Verarbeitung, Versaftung: säuerlich-hocharomatisch, beliebt, ertragreich, wüchsig: muss ich noch probieren!
- Bigno, neuere Sorte* für mildes Atlantikklima: mildsäuerlich für Frischverzehr, ertragreich )
Die
Sorten mit (*) sind von der Beerenbaumschule
Ribanjou oder von INRA (Nationales Institut für Agrarforschung) ausgelesen ("gezüchtet") und in Frankreich verbreitet.
Die "Baumschule für kleine Früchte" Ribanjou wurde 1980 gegründet von dem Botaniker Bernard Lantin, dem führenden Obstbauforscher für Beerenfrüchte Frankreichs (zunächst an der INRA). Den ersten Ruhm erwarb sich Lantin, als er der vom Mehltau bedrohten klassischen Sorte "Noir de Bourgogne" durch Erhaltungsselektion ihre Bedeutung im Erwerbsobstbau sicherte. In der großen Beerenkrise, die durch immer neue Wellen globalisierter Pilzstämme erzeugt war und im Grunde bis heute andauert, setzte sich Bernard Lantin dafür ein, robuste und widerständige ("resistente"), geschmacklich und ökologisch hochwertige Sorten zu vermehren. Um dem Karussell der Giftskandale im Beerenobst zu entkommen und die Biodiversität des Gartens mit seinem Obst zu fördern, stellte Ribanjou auf Bio um (wobei Netzschwefel auch im Bioanbau Frankreichs erlaubt ist). Die Hauptkunden der "Baumschule für kleine Früchte", inzwischen in 2. Generation, sind die Hausgärtner Frankreichs, die hier ein riesiges Sortiment finden.
Von der Bestellung in Frankreich bis zur Ernte in meinem Garten:Bei Ribanjou habe ich die obigen Sorten per E-Mail bestellt, per Vorkasse bezahlt (rd. 7€ je Pflanze, 19€ Auslandsversand) und erhielt sie
Anfang November als Päckchen.
In Frankreich werden Beerensträucher
wurzelnackt (en racines nues) versandt. (Vorteile: a) geringe Versandkosten, b) nur richtig gut entwickelte Jungsträucher kommen zum Versand, denn der Kunde sieht in der durchsichtigen Plastiktüte alles.) Daher sind sie nur während der Saison bestellbar und werden nur während der Winterruhe der Pflanzen ab Anfang November bis Februar versandt.
Nach sofortigem Auspacken sollen die Nackten über Nacht in einen Eimer voll Lehm-/Erdbrühe gestellt und dann bald eingepflanzt werden.
Ab dem Austrieb und während des Fruchtens wirken manche der wohlriechenden Sorten sehr anziehend auf Läuse (insb. Noir de Bourgogne, auch Royal de Naples): Nach meiner Erfahrung reicht hier ein Ausräumen der Blattnester und intensives Spritzen mit Wasser. Alte Hausmittel wie das tropfnasse Einsprühen/Abreiben/Abwaschen der Sträucher mit Marseiller Seife empfehlen aktuelle französische Anleitungen bereits vor dem Blattaustrieb anzuwenden, um überwinternden Läusen (diverse Arten) entgegenzutreten. (Ähnlich wirkt mit Kaliseife die Fertigsprühflasche Neudosan Blattlausfrei.) Ich habe Brennnesseljauchen und Niemprodukte verwendet. Wie ich feststellen musste, sollten sie
vor allem rechtzeitig eingesetzt werden, umgehend nach Blattaustrieb und dann bald wieder, sobald Bedarf besteht (dann hält sich auch der Arbeitsaufwand in engen Grenzen).
Mein Erntevolumen in diesem trockenen und frühreifen ersten Jahr, 8 Monate nach der Anpflanzung: ca. 2 Handvoll Beeren je Busch. Zum Ergebnis der Geschmacksproben siehe oben. Im nächsten Jahr wird es bestimmt mehr. Wer mehr Aroma-Ernte will, pflanzt mehr Büsche. Im nächsten Frühjahr werde ich meine Lieblingssorten per Absenker vermehren.
Französische Anleitungen empfehlen:- Vollsonniger Standort (lichter Halbschatten nur für die Klimazone in Mittelmeernähe, z. B. Provence).
- REGEL-mäßige Trieb-Rotation: Französische Beerengärtner raten nachdrücklich, die vierjährige Trieb-Rotatation (Umtrieb) bei schwarzen Johannisbeeren strikt zu befolgen. Ein Busch soll nur aus 4 (max. 5) Trieben bestehen. JEDES Jahr im September wird der älteste (vierjährige) Trieb am Boden abgeschnitten und von den nachgewachsenen nur der kräftigste Jungtrieb behalten. Dieser Zeitaufwand von wenigen Minuten pro Jahr ist nötig, damit Cassis auf Dauer einen nennenswerten Ertrag an längeren Trauben bringen kann. Denn Cassis fruchtet vital nur am jungen Holz.
- 60-80 cm Abstand am Beerenspalier, bei Büschen 100-150 cm - Ribanou empfiehlt, das Maß je nach Wuchsstärke zu wählen. Mir scheint mehr Abstand als 120 cm bei schwarzen Johannisbeeren nicht nötig, wenn sie - wie allseits empfohlen - auf vier bis fünf Triebe reduziert und regelmäßig verjüngt werden! Nur wenige Johannisbeersorten wachsen so kräftig wie der rote bekannte 'Jonkheer van Tets'. Die Schwarzen können ruhig näher zusammenrücken, denn mehr Sträucher bringen bei der Ernte mehr Beeren.
- Ob Busch oder Beerenspalier, beide Erziehungsformen sind mit Cassis in Frankreich üblich. Dagegen empfehlen das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL Österreich/Schweiz/Deutschland) und die Gartenakademie Rheinland-Pfalz für Cassis die Buscherziehung (Reihen von Sträuchern unter Mulch; siehe Link unten) und die Spaliererziehung nur für die farbigen Johannisbeeren. Ich habe mich für die Büsche entschieden.
- Eine großzügige Mulchpackung (Stroh, Staudenschnitt, unreifer Kompost) von 10-20 cm sorgt in Trockenphasen für ausreichend Feuchte bei den Flachwurzlern und bringt ihnen außerdem beste Ernährung. - Alle paar Tage zu gießen reicht unter der Mulchpackung auch während Trockenphasen in meinem ausgesprochen trockenen Garten.
- Pflanzloch in der Flachwurzlerzone: zur guten Komposterde auf leichtem Boden gern Lehm dazumischen oder eine Schicht druntergeben
Resümee:Der heute in Deutschland herrschenden Schwemme an Johannisbeersorten fehlt entweder Aroma, sie sind einfach nur groß ("Titania"). Oder sie stellen nach meiner Ansicht nur Farbvarianten des überall üblichen Süßstoffes dar, der mit Cassis nichts zu tun hat. Es ist dann ziemlich egal, welche Farbe die Beere hat.
Unsere Großeltern kannten den Cassis-Geschmack von Sorten wie Goliath, der direkt aus der Wildform ausgelesen war, oder Schwarzer Langtraubiger. Sie nutzten ihn für hocharomatische Mundexplosionen, Verfeinerungen von Zubereitungen in der Küche und für exzellenten Saft, gern auch gemischt mit anderen Beeren. Wer diesen Geschmack wieder entdecken will, greife zu den aktuellen Sorten aus Frankreich!
Internet-Adressen:Cassis-Pflanzen online bestellen (per E-Mail völlig reibungslose Auslandsbestellung):
https://www.ribanjou.com/76-CassissierEmpfohlene Beerensträucher, die schmackhaftesten Beeren:
https://www.ribanjou.com/meilleures-venteshttps://www.ribanjou.com/62-Les-plus-gouteusesAngebote der Konkurrenz zu suchen unter 'pepiniere cassissier' (zum Vergleich, nur wenige Baumschulen versenden ins Ausland)
Fundierte Kulturanleitung des Cassis auf französisch (Fiches Techniques: "Le Cassissier"):
https://www.ribanjou.com/medias/cassis.pdfSortenliste kommentiert (inkl. Mehltauanfälligkeit, Links zu Bezugsadressen):
http://www.pommiers.com/cassis/cassissier.htmBiologischer Anbau von Strauchbeeren, Merkblatt. FiBL 2004 Wien:
https://shop.fibl.org/CHde/mwdownloads/download/link/id/232/?ref=1Führung durch die Beerensammlung von "Arche Noah":
https://www.arche-noah.at/files/fuehrung_beerensammlung.pdf