Ich jedenfalls fände es sehr spannend, mehr über dieses unendliche Kapitel von vielen zu erfahren. Warum werden jetzt ausgerechnet Helleborus, Schneeglöckchen und Paeonien so hochgepuscht?
Allgemein bekannt dürfte sein, daß Gärtner weder vor Modebewußtsein noch gegen Sammelsucht geschützt sind.
Dazu kommt auch, daß "Sammeln" heutzutage im großen Stil mit "Zusammenkaufen und Anhäufen" verwechselt wird. Im Gegensatz zu beispielsweise alten Büchern, die teilweise unerreichbar sind und mit Mühe aus Antiquariaten und auf Trödelmärkten zusammengesucht werden müssen, sind Pflanzen meistens problemlos reproduzierbar und können durch Kreuzung in immer neuen Varianten erzeugt werden. Nur selten (wie bei schwer teilbaren Hepaticas) erreichen sie deshalb hohe Preise, sie bleiben billig und für jedermann erschwinglich.
Die Pflanzenindustrie macht sich das zunütze und favorisiert die jeweiligen "Schätze", die es anzuhäufen gilt, ob es nun Helleborus, Schneeglöckchen, Paeonien oder Kamellien, alte Rosen, Heuchera oder Duftgeranien sind. Um konkurrenzfähig zu bleiben (vor allem im Zeitalter der Gewebekultur und des Internet) werden im Affentempo neue Arten und Sorten auf den Markt geworfen.
Nur so kann es kommen, daß unser kleines Gartencenter in der Nachbarschaft zwanzig Paletten verschiedener Geranium-Sorten ankauft und diese den Kunden als Sammlertrophäen anbietet. "Johnson's Blue", "Spessart" und dergleichen... dann geht Frau Müller-Lüdenscheid hin, kauft sich je einen Pott aus jeder Palette und zack! schon hat sie eine Sammlung. Das ist doch albern.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Einige Pflanzen waren schon immer Sammelobjekte. Ein typisches Beispiel sind die historischen Tulpenkriege in den Niederlanden, japanische Hepatica-Kreationen oder die Aurikeln, die schon seit Jahrhunderten in Großbritannien zu teuflischen Preisen gehandelt werden. Fritz Köhlein hat mehr als ein Buch über pflanzliche Sammelobjekte geschrieben.
Es geht auch unspektakulärer. Manche Menschen haben sich einer Pflanzenart schon in jungen Jahren gewidmet, nicht um zu sammeln, sondern einfach, weil sie diese Pflanzen besonders schätzen. Als meine Mutter ihre ersten Lenzrosen säte, weil sie diese Frühlingsboten aus ihrer Kindheit kannte und liebte, gab es die heute um Helleborus x orientalis inszenierte Hysterie noch nicht.
Wie weit die Sammelsucht die eigentliche Liebe zum Gärtnern übertönt, zeigt die Tatsache, daß man heute in der Szene leider schon als altmodisch gilt, wenn man nicht wenigstens ein Suchtobjekt pflegt und stattdessen die Vielfalt bevorzugt.
Ich möchte hier einen Punkt anschließen, der in letzter Konsequenz in den Zusammenhang gehört:
Vor einem Jahr hat eine Hemerocallis-Gärtnerei in den USA
geschlossen, weil sie gegen die Konkurrenz aus Internet-Tausch-Aktionen wirtschaftlich nicht mehr ankam.
Auch in Europa haben immer mehr Gärtner Internet-Anschluß. Es wird in allen Foren getauscht, auch hier. Ein schwarzer Markt mit Riesenzuwachs auf Kosten traditioneller Zucht- und Vermehrungsbetriebe.
Wo sind da die Grenzen? Lassen wir Hobby-Gärtner die Kuh verhungern, deren Milch uns so gut schmeckt?