So, ich hab mir den Text der IARC mal durchgelesen.
(Achtung, es folgt ein langer, schwerstverdaulicher Text. Zum Grundverständnis erinnere ich auch noch mal an den Text hier:)
Also, ich versuch mal, etwas Licht ins Dunkel zu bringen
Die IARC stützt ihre Einstufung - das gilt ganz allgemein für alle Stoffe, die sie bewertet, auf zwei Säulen:
1. Wie ist die Datenlage beim Menschen
2. Wie ist die Datenlage beim Tier?
Daraus ergibt sich dann die Gesamteinstufung.
Zu Punkt 1 sagt die IARC, nachdem sie zahlreiche Studien angeschaut hat, in denen das Auftreten von Krebserkrankungen bei Personengruppen untersucht wurde, die mit Glyphosat, aber auch mit zahlreichen anderen Pflanzenschutzmitteln Umgang hatten:
"Limited evidence in humans" und "positive Assoziation für Non-Hodgkin-Lymphome".
Eine Assoziation sagt nichts über Kausalität. Ein grundsätzliches Problem bei solchen epidemiologischen Studien ist generell immer, dass es sehr schwierig ist, andere Einflussgrößen adäquat zu berücksichtigen. (Auch bei den hier betrachteten Studien konnten meistens Einflüsse durch andere Pestizide nicht berücksichtigt werden, sodass die Ergebnisse nicht als Beleg dafür herangezogen werden können, dass die Erkrankungen auf Glyphosat zurückzuführen sind. In anderen Untersuchungen ergaben sich numerisch erhöhte Risiken, aber die Zusammenhänge waren nicht signifikant. Erhöhtes Auftreten bestimmter Tumorformen in einer Studie konnten in anderen Studien nicht bestätigt werden.)
Deshalb lassen sich Aussagen über eine krebserzeugende Wirkung von Stoffen beim Menschen nur dann treffen, wenn es sich z. B. um außerordentlich seltene Tumoren handelt (so war das bei Vinylchlorid und dadurch hervorgerufenen Lebergefäßtumoren) oder die Exposition so hoch ist, dass die Tumorhäufigkeit dadurch entsprechend auffällig erhöht ist (das ist z.B. bei Lungentumoren infolge des Rauchens der Fall).
Deshalb sind solche epidemiologischen Studien nur begrenzt aussagekräftig. Das heißt nicht, dass eine Substanz beim Menschen keine Tumoren hervorruft, sondern nur, dass die dadurch verursachte Zahl an Tumoren im schon vorhandenen Hintergrund untergeht und nicht mehr festgestellt werden kann.
Deshalb bedient man sich Tierversuchen. Dort kann man andere Einflüsse ausschalten oder kontrollieren. In aller Regel werden Ratten und Mäuse eingesetzt, die im Falle von Ratten 2 Jahre lang und im Falle von Mäusen 18 oder 24 Monate die betreffende Substanz verabreicht bekommen, im Falle von Glyphosat mit dem Futter oder dem Trinkwasser. Man nimmt meist 50 Männchen und 50 Weibchen pro Dosis und außer einer unbehandelten Kontrollgruppe drei unterschiedlich hohe Dosen. Danach und während der Studie schaut man in allen Organen, ob sich dort gut- oder bösartige Tumoren entwickeln.
Die IARC hat sechs Studien Ratten berücksichtigt, die durchweg keine Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung ergaben.
Außerdem hat die IARC zwei Studien an Mäusen berücksichtigt, in denen eine Studie ihrer Meinung nach Hinweise auf Nierentumore bei männlichen, nicht aber weiblichen Tieren liefert. Die andere Studie lieferte nach Bewertung der IARC Hinweise auf Hämangiosarkome (bösartige Tumoren der Blutgefäße) bei männlichen, nicht aber bei weiblichen Mäusen.
Interessant sind die verabreichten Dosierungen an Glyphosat und die Tumorhäufigkeiten:
Bei den Nierentumoren (Karzinome + Adenome zusammen) waren das
1/49, 0/49, 1/50 und 3/50 Tieren bei Dosierungen von
0, 1000, 5000, 10000 mg/kg Futter, verabreicht für 24 Monate.
Die IARC sieht darin einen statistisch signifikanten Trend für die Zunahme eines seltenen Tumors, "which could be attributed to glyphosate".
Bei den Hämangiosarkomen sind die entsprechenden Werte:
0/50, 0/50, 0/50, 4/50 Tieren bei
0, 100, 300, 1000 mg/kg Körpergewicht.
Die Häufigkeit bei der höchsten Dosierung ist signifikant gegenüber der Kontrolle erhöht.
Die IARC führt an, dass sie von weiteren Studien weiß, die im Rahmen von Zulassungsverfahren den betreffenden Behörden (z.B. dem deutschen BfR oder der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA) vorlagen, aber nicht der IARC. Deshalb hat sie diese Studien für ihre Einschätzung letztendlich nicht berücksichtigt.
Aus dieser Datenlage - alle vorliegenden Studien an Ratten negativ, bei Mäusen zweifelhafte Befunde und nur bei der höchsten Dosis, zahlreiche weitere Studien im Endeffekte nicht berücksichtigt - macht die IARC ein "sufficient evidence in experimental animals for the carcinogenicity of glyphosate".
Und in der Gesamtbewertung ein "Glyphosate is probably carcinogenic to humans".
Wäre das BfR so vorgegangen wie IARC, hätte es wohl ein Riesengeschrei gegeben, dass Studien weggelassen worden wären. Deshalb hat das BfR natürlich alle Studien berücksichtigt, was jetzt ein Riesengeschrei gibt, weil es ja Studien sind, die die Hersteller gemäß gesetzlicher Vorgaben und international bindender OECD-Richtlinien zur Durchführung solcher Studien gemacht haben.
Zur Erinnerung: DIe IARC ist die Internationale Krebsbehörde der Weltgesundheitsorganisation WHO und damit letztlich eine UNO-Behörde.
Ein anderes UN-Gremium, das gemeinsan von der Welternährungsorganisation FAO und der WHO gebildet wird und sich mit Nahrung und allem, was damit zu tun hat, befasst, hat Glyphosat ebenso wie BfR und US EPA (und ein paar andere Organisationen und Behörden) bei Bewertung aller Studien bislang stets nicht als krebserzeugend bewertet oder eingestuft.
Die US EPA ist übrigens wiederholt zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung von Glyphosat gibt. Im Unterschied zum BfR wird die EPA auch von Umweltschützern in der Regel nicht verdächtigt, industrienah zu sein - im Gegenteil, in den USA hat die EPA bei Firmen einen äußerst gefürchteten Ruf und gilt als viel zu streng.