Grad bin ich in Schreibelaune, da kann ich auch noch meinen Senf zu Birnen auf Obstwiesen und Most abgeben :-)
Reiner Birnenmost war in manchen deutschen Regionen immer Standard, z.B. Teile der schwäbischen Alb. Ich kenne heute noch >80jährige, die täglich ihren Krug Birnenmost trinken. Die Standardsorte dafür war vor allem die schweizer Wasserbirne oder Fellbacher Mostbirne, die momentan wie manch andere Sorte fast flächendeckend den leisen Tod des Birnenverfalls stirbt, was so wie vieles andere im Zusammenhang mit Obstwiesen keinen interessiert. Über die Einstellung eines Automodells wird mehr geschrieben wie über das Sterben jahrhundertelang gehegter und gepflegter Sorten.
Ansonsten hat man Birnen zugemischt (oder je nach Region auch Quitten, Speierling oder sogar Schlehen und anderes Gerbstoffhaltige), das waren gerbstoffreiche Sorten, sogenannte Scheidebirnen. Sorten wie die Luxemburger oder die extrem ertragssichere Kluppertebirne machen den Most klar und haltbar, dürfen aber höchstens mit 10-30% beigegeben werden, je nach Gerbstoffgehalt. Einen Most in Mischung mit solchen Sorten mache ich auch jedes Jahr und experimentiere mit Mischungen. Man kann den Gerbstoffgehalt in gewissen Grenzen steuern, indem man z.B. die Birnen "schwitzen" lässt, Fallobst noch lagert aber nicht anfaulen lassen. Was viele unterschätzen: Wichtig ist auch die Presstechnik. Unabdingbar sind Pack- oder Korbpressen, möglichst nicht mit zu hohem Druck betrieben. Moderne Bandpressen (leider in Österreich häufig) ergeben einen trüben, zellschlamm- und gerbstoffreicheren Saft.
Reiner Apfelmost steht Birnenmost in nichts nach, vorausgesetzt man verwendet auch Mostsorten. Hier liegt das Problem: Allzuoft werden ungeeignete Sorten verwendet, zu süss, zu säure- und gerbstoffschwach. Aussortiertes Tafelobst, das man nicht essen mag. Ein guter Most muss aus Sorten wie Bittenfelder, Maunzen, Engelsberger, vielleicht noch Bohnapfel bestehen. Gute Mostäpfel schmecken nicht, wenn man reinbeisst, sie sind als Tafelobst niemals ein Genuss.
Die am meisten geschätzen Birnensorten waren Bratbirnen wie welsche Bratbirne, Prevorster Bratbirne, Metzer Bratbirne, Champagner Bratbirne etc. Daraus hat man in Württemberg auch Sekt hergestellt, Jahrzehnte vor dem Champagner. Solche Getränke sind keine neue Erfindung, sondern uralt.
Die damals wichtigste Verwertungsmöglichkeit war nicht nur Most, sondern Dörren. Dörrbirnen hatten in Württemberg Anfang des 19. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Bedeutung wie heute der Maschinenbau.
Wenn man heute auf einer mässig grossen Obstwiese Neupflanzungen vornimmt, sollte man auf jeden Fall auch Birnen pflanzen. Mein Ratschlag wäre, Birnen mit breiten Verwendungsmöglichkeiten zu nehmen. Es gibt fantastische Universalsorten, die sowohl für Most, Dörren und auch zum Essen geeignet sind. Beispiel Paulsbirne, lange haltbar, dörren kochen mosten geht, sieht gut aus, wenn sie gelagert ist kann man sie wie eine Kiwi auslöffeln. Reine Mostsorten lohnen sich nur, wenn man den Most oder pasteurisierten Mischsaft auch vermarkten kann. Scheidebirnen lohnen sich nur, wenn man Überschüsse brennen und die Brände vermarkten kann. Das ist selbst für engagierte Privatleute heute praktisch unmöglich.