Linné hatte, was wir als Lerchensporn oder Erdrauch kennen, auch die Tränenden Herzen, in der Gattung
Fumaria zusammengefasst. Die Pflanze, die wir seit Jahrzehnten als
Corydalis ochroleuca in den Gärten kultivieren und seit einiger Zeit als
Pseudofumaria alba anreden, wird von ihm 1753 aber offenbar noch nicht erwähnt.
Der alba-Name und die Gattung Pseudofumaria - beides nicht neuWenig später nennt Philip Miller im Gardeners Dictionary (1768)
Fumaria alba und schafft damit die Basis (Basionym) für den aktuell gültigen Namen
Pseudofumaria alba.
Dabei hätte es bleiben können. Man hätte den
alba-Namen später mit dem von F. K. Medikus 1789 eingeführten Gattungsnamen
Pseudofumaria kombinieren können, den M. B. Borkhausen 1797 schon für
Fumaria lutea, somit
Pseudofumaria lutea verwendete. (Medikus lässt hier den von August Bachmann (A. Q. Rivinus) schon 1691 geschaffenen Namen "Pseudo-Fumaria" wieder aufleben. Auch Rivinus hatte damit unter anderem schon
Pseudofumaria lutea bezeichnet (
"Pseudo-Fumaria fl. luteo"). Wie alle vor-linnéischen Namen findet dieser Vorläufer keinen Eingang in die wissenschaftliche Namengebung, so dass Medikus ("Med.") der Autor der Gattung
Pseudofumaria ist und nicht Rivinus ("Riv.").)
Die Gattung Corydalis und ein früher FehltrittDe Candolle trennte 1805 die eigentlichen Lerchensporne in der Gattung
Corydalis von
Fumaria ab. Er glaubte, in der gelb blühenden Gartenpflanze, heute
Pseudofumaria lutea genannt, die bei Linné aufgeführte
Fumaria capnoides zu erkennen und nannte sie demzufolge
Corydalis capnoides. Die weiß blühende, heutige
Pseudofumaria alba hielt er für deren Varietät
Corydalis capnoides . albida. Eine Fehldeutung, weil ihm die eigentliche, osteuropäische Art
Corydalis capnoides offenbar nicht bekannt war. (Ein Fehler, der sicher dadurch begünstigt wurde, dass auch Linné mindestens
Fumaria lutea und
Fumaria capnoides im Jahr 1753 noch nicht klar getrennt hatte.)
Eigenmächtigkeit mit LangzeitwirkungW. D. J. Koch weist, nach anderen Botanikern, schon 1831 auf diesen
Irrtum von de Candolle hin und stellt klar, dass für die weiß blühende, in Südeuropa und in europäischen Gärten verbreitete Art (unsere
Pseudofumaria alba) ein eigener Name gebraucht wird. *) Er nennt sie
Corydalis ochroleuca. Koch selbst schreibt aber an gleicher Stelle, dass es bereits einen Namen gibt: Wulfen hatte nach Exemplaren aus dalmatischen Wildvorkommen
Fumaria acaulis beschrieben. Dieser Wulfensche Name ist nach Neukombination noch heute gültig und bezeichnet die als Unterart zu
Pseudofumaria alba gehörige subsp.
acaulis. Kochs Einwand, der Name sei "unpassend", ist nach den Regeln der Nomenklatur heute ohne Bedeutung.
Warum der unzulässige Name sich so erfolgreich durchgesetzt und verbreitet hat, weiß ich nicht. W. D. J. Koch war ein hochgeschätzter und im allgemeinen sorgfältiger Botaniker. Vermutlich wurde ihm schlichtweg vertraut und gefolgt.
*) Ob er Millers Beschreibung von
Fumaria alba nicht kannte oder dessen Name anders gedeutet hat, weiß ich nicht.
Corydalis ochroleuca als "überflüssiger" NameDa Koch sich mit seinem jüngeren Namen
ochroleuca auf Wulfens Pflanzen aus Dalmatien bezieht und ihn nicht ausdrücklich abweichend auf Vorkommen anderer Regionen oder in europäischen Gärten kultivierte Pflanzen anwendet, ist
Corydalis ochroleuca ein sogenannter "überflüssiger" Name (nomen superfluum). Damit ist er auch kein regelgerechtes Synonym. Seine Verwendung ist in jedem Fall fehlerhaft und alle davon abgeleiteten Kombinationen (z. B.
Corydalis ochroleuca var.
acaulis) sind unzulässige Namen (nomen illegitima).
Wenn dieser Name heute noch als Synonym angegeben wird, dann meist in der Form "
Corydalis ochroleuca auct.", das heißt, "der Gelblichweiße Lerchensporn der (verschiedenen, meisten, fast aller älteren ... ) Autoren".
Die
Euro+Med-Datenbank führt ihn in Beziehung zu Pseudofumaria alba (auf Artebene) ausschließlich als "missapplied" auf, ein Name also, der in vielen europäischen Florenwerken falsch angewendet wurde - Schreibweise: "Corydalis ochroleuca" ... . Nur für
Pseudofumaria alba subsp.
acaulis gibt die Datenbank
Corydalis ochroleuca auch als Synonym an, also in genau dem eingeschränkten Umfang, in dem Koch sich seinerzeit auf die von Wulfen benannte dalmatische Herkunft bezogen hatte.
Die Geburt von Pseudofumaria albaAus all dem fügt Magnus Lidén im Jahr 1986 zusammen, was zusammen gehört. Er bestätigt die Berechtigung der von Medikus aufgestellten, eigenständigen Gattung
Pseudofumaria und bezieht auch die
alba-Art als Neukombination
Pseudofumaria alba darin ein. Die oft kompakt wachsende
acaulis-Sippe aus Dalmatien und die kleinblütige, im westlichen Balkan weiter verbreitete
leiosperma-Sippe gehören als Unterarten dazu.
Seht Ihr noch durch?
edit 19.12.2019: Fehlverwendung in Beziehung zu
Pseudofumaria alba und Synonymie zu
Pseudofumaria alba subsp.
acaulis korrigiert/präzisiert.