Beth Chatto ist sicher nicht die Erfinderin des Kiesgartens. Ohne dass ich jetzt ganz konkrete Beispiele nennen kann, weiß ich, dass es auch schon in England vor Beth Chatto in einigen Gärten Beete mit trockenheitsliebenden, insbesondere mediterranen Pflanzen gab. Allerdings schert(e) man sich in englischen Borders weitgehend nicht um "standortgerechte Bepflanzung" und schon gar nicht um Begriffe wie "Lebensbereiche". Die englischen Borders vereinen nicht selten Steppen- bis Sumpfpflanzen nur wenige Meter - wenn überhaupt - voneinander getrennt.
Ganz sicher ist aber, dass Beth Chatto den Begriff "Gravel Garden" populär gemacht hat, und mit den Dimensionen ihres Kiesgartens und der vielfältigen und unkonventionellen Pflanzenverwendung Maßstäbe gesetzt hat. Nicht zuletzt hat ihr Buch zu dem Mythos Gravel Garden beigetragen.
Auch in Deutschland gab es und gibt es ein ganze Reihe von Beispielen von Kiesgärten (siehe Definition unten) vor Beth Chatto, die aber nicht als solche bezeichnet wurden. Seien es Beete in Weihenstephan oder im Hermannshof (z.B. Schafgarbe-Salbei-Beet), die dort als Steppenbeete oder auch als mediterrane Beete bezeichnet werden, oder Strassenbegleitgrün von H. Hügin in Freiburg. Christian Kress und einige andere haben Kiesgärten sicherlich auch ohne die Mithilfe und Inspiration von Beth Chatto geschaffen.
Meine "Definition" eines Kiesgartens:
Nach meinem Verständnis ist ein Kiesgarten ein Garten oder Beet, welche den Lebensbereichen Fr 1 so, SH 1-2 so oder auch St 1-2 so zuzuordnen sind, also sonnige, trockene, warme Standorte mit eher nährtstoffarmen Böden. Diese Beete und Gärten sollten standortgerecht bepflanzt sein, um als "echte Kiesgärten" oder Steppenbeete zu gelten.
Genau das hat Beth Chatto getan. In dem Untertitel ihres Buches "Gravel Gardens" brachte sie es mit wenigen Worten auf den Punkt: "Drought-resisting planting through the year". That's it. Nicht mehr und nicht weniger. Beth Chatto wollte einen sehr durchlässigen, sonnigen, trockenen Standort, einen ehemaligen Parkplatz (zufällig mit einer meterdicken Kiesschicht als Untergrund und Substrat) zu einem Beet umfunktionieren, den sie genau mit den Stauden und Gehölzen bepflanzt hat, die diese Bedingungen ertragen, dulden, vielleicht manchmal auch lieben. Im Grunde hat sie damit die Ideen von Hansen und Stahl (und anderer), im Grunde die Erfahrungen aller erfolgreichen Gärtner und Bauern aufgegriffen, nämlich nur das in einem Beet, in einem Garten oder auf einem Acker anzupflanzen, was unter den gegebenen Bedingungen auch wirklich ohne großen Zusatzaufwand gedeiht. Diese Erkenntnis dürfte schon einige 1000 Jahre alt sein.
Ob in einem Kiesgarten wirklich Kies oder aber Schotter, Sand oder ähnliches im Spiel ist, sei es als Substrat oder als Mulchauflage, halte ich für eher zweitrangig. Das Vorhandensein von Kies in einem Garten oder Beet ist für eine Einstufung als Kiesgarten also eher unerheblich, manchmal auch völlig irreführend, wie manche Vorgärten-Steinwüsten beweisen.
Die Verwendung von Kies in klassischen japanischen Gärten hat ganz andere Hintergründe. Ganz sicher hat das nichts zu tun, mit trockenen Standorten und der Verwendung entsprechender Pflanzen. Insofern haben japanische Gärten eigentlich nichts in einem "echten" Kiesgartenbuch (im botanischen Sinne) zu suchen. Das dient eher dazu, Seiten eines Buches zu füllen, Leser zu verwirren und die Ausbreitung von unmotivierten Steinwüsten (mit und ohne Steinlaternen) zu fördern.
Im englisch-sprachigen Raum gibt es übrigens die schlichte (und damit weniger irreführende) Bezeichnung "Dry Garden" (z.B. der Kiesgarten in RHS Hyde Hall). Im deutschen wäre vielleicht der Begriff Steppengarten treffender, könnte aber etwas "sperrig" und unattraktiv klingen.