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Die Natur ist grausam (Gelesen 9004 mal)

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Wolfgang
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Re:Die Natur ist grausam

Wolfgang » Antwort #15 am:

Das dachte ich mir. Der Mensch, der Übelmann ...Aber der Marder tötet immer, wenn der Fluchtweg verstellt ist. Und Hühner stellen immer die Hackordnung her, und das ist für die Unterlegenen immer gefährlich.Mich interessiert, warum wir in der Natur Verhaltensweisen rechtfertigen, die wir in einer sozialen Kultur auf das Schärfste sanktionieren. Das heißt doch, dass die Natur ein defizitäres, jedenfalls kein nachahmenswertes Ensemble ist.Grausamkeit: Da plädiere ich für die sachliche Definition: Was Grauen erregt. Eine Regierung verübt auch Grausamkeiten. Die dienen ihrem Lebenserhalt aber nicht, weshalb sie sie verschiebt, bis es nicht mehr anders geht. Schlussendlich sollen diese Grausamkeiten ja den Opfern nützen.
thomas

Re:Die Natur ist grausam

thomas » Antwort #16 am:

Mich interessiert, warum wir in der Natur Verhaltensweisen rechtfertigen, die wir in einer sozialen Kultur auf das Schärfste sanktionieren.
Weil wir sie brauchen. Und weil sie (auch) "schön" ist. Schliesslich sitzen wir am kürzeren Hebel: Verurteilen wir die Natur, entziehen wir uns einer Aufgabe des Menschseins, nämlich der, uns mit ihr zu arrangieren.
Feder
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Re:Die Natur ist grausam

Feder » Antwort #17 am:

Man sieht jetzt schon: Jeder definiert grausam anders. Was dem einen grausam vorkommt, berührt den anderen gar nicht. Seltsam."Grausam ist, was Grauen erregt." Also wirklich, ist ein Horrorfilm etwa grausam? Wir werfen sehr schnell und leicht mit Wertungen und Beurteilungen um uns. Bei Herdentieren etwa ist die Aufstellung der Rangordnung ein Prozess, den ich nicht grausam nennen würde. Und die sogenannten Alphatiere sind meistens in der gefährlichsten und unbequemsten Position. Ein grausames Schicksal?!
Das Natürliche bleibt immer gleich. Das Normale ändert sich alle 100 km oder alle paar Jahre.
Pat Parelli
Hortulanus

Re:Die Natur ist grausam

Hortulanus » Antwort #18 am:

Es wäre ein falsches Naturverständnis, der "Natur" nur Gesetzmäßigkeiten zu unterstellen, nach der Vorstellung: "Wenn das getan/unterlassen wird, passiert dieses und jenes". Zwar werden natürliche Abläufe auch z.B. durch physikalische Gesetze bestimmt, aber die gesamte Natur, oder das was wir als Natur empfinden, ist eine höchst komplexe und oft nicht erklärbare Gemengelage. Der Marder tötet nicht im Blutrausch, weil er einen unverschlossenen Hühnerstall vorfindet. Ähnliche Verhaltensweisen sind auch vom Orka bekannt, wenn er auf Pinguinschwärme oder Robbenfamilien trifft. Tiere können durchaus aus einem Killerinstinkt heraus töten und nicht nur, weil sie lediglich Nahrung benötigen. Ebenso wenig gehen Tiere "sorgsam" mit der Natur um. Sie zerstören diese ohne Rücksicht auf Nachkommenschaften. Sie fressen alles kahl. Dann gibt es eben keine Nachkommen mehr, weil nicht genug Nahrung vorhanden ist. Die "Natur" lässt zu. Und zwar nach dem Darwinschen Prinzip. Ob dabei Lebewesen untergehen oder leiden, spielt für die "Natur" keine Rolle. Sie bestraft auch nicht. Was verbraucht oder nicht mehr herstellbar ist, ist eben durch einen evolutionären Prozess verschwunden. Die "Bestrafung" ist eine menschliche Definition aufgrund eines gefühlten Mangels. Ob etwas grausam ist, ist eine Frage der Reflexion, des Bewusstsein. Tiere fügen sich diesen Grausamkeiten viel schneller als Menschen. Angeblich sollen Mäuse oder Gnus nicht leiden, wenn sie in den Fängen einer Katze sind. Der Organismus "schaltet ab". So sagen zumindest einige Wissenschaftler. Dennoch ist das Grauen ein Teil der Überlebensstrategie. Ohne das Grauen würde das Huhn nicht vor dem Marder fliehen oder die Maus vor der Katze.
Hortulanus

Re:Die Natur ist grausam

Hortulanus » Antwort #19 am:

"Grausam ist, was Grauen erregt." Also wirklich, ist ein Horrorfilm etwa grausam?
Aber ja doch, wenn er bei dem Betrachter Grauen erregt! Hier kommt es doch darauf an, wie der Empfänger der Botschaft diese empfindet.Grauen, Angst, Horror, Schrecken und wie die Umschreibungen der existentiellen Furcht auch immer heißen mögen habe doch in erster Linie eine lebenserhaltende Schutzfunktion. Sie soll Flucht oder Widerstand/Abwehr erzeugen. Bei Tieren ebenso, wie beim Menschen. Das Tier, das in Rangkämpfen unterliegt, empfindet mit Sicherheit (Todes-)Angst und Schmerz, mit anderen Worten: Grauen.
thomas

Re:Die Natur ist grausam

thomas » Antwort #20 am:

Leuchtet ein. Und was heisst das nun für das verhalten von uns Menschen? Sollen wir die Natur, wenn wir sie denn als grausam einstufen, bekämpfen? Uns ihr unterordnen oder sie zu dominieren versuchen?
Hortulanus

Re:Die Natur ist grausam

Hortulanus » Antwort #21 am:

Alles und nichts. Oder anders: möglichst vorausschauend und verantwortungsvoll.
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Silvia
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Re:Die Natur ist grausam

Silvia » Antwort #22 am:

Im letzten Geo-Wissen ging es um Ethik und Moral. Darin wurde auch ein überaus interessantes Forschungsergebnis vorgestellt. Es ging um bestimmte Fledermäuse, bei denen es sich im Laufe der Zeit so ergeben hat, dass sie sich ausschließlich von Blut ernähren. Dieses Blut müssen sie sich nachts unbemerkt von anderen Lebewesen holen. Spätestens nach drei Nächten brauchen sie welches, sonst verhungern sie. Die Erfolgsquote ist verständlicherweise nicht immer für jede Fledermaus gegeben. Damit die Tiere einer Kolonie nicht verhungern, füttern sie sich gegenseitig (sie würgen Mageninhalt wieder hoch) und geben denen ab, die nichts gefunden haben, besonders auch den Jungen. Dabei ist es sehr interessant zu beobachten, wer denn nun mit gefüttert wird. Woher wissen die Tiere, wer etwas braucht? Wonach richtet sich das? Nun, man hat festgestellt, dass nur der etwas bekommt, der auch abgibt. Tut eine Fledermaus das nicht, wird sie gemieden und verhungert über oder kurz oder lang. Tiere haben also durchaus auch eine moralische Vorstellung von Recht und Unrecht.Ich glaube auch, dass wir letztendlich viel weniger steuern können, als wir denken. Beschrieben wurde nämlich auch nochmal dieses Experiment eines amerikanischen Professors. Er teilte eine Gruppe von Studenten in Wächter und Bewachte ein, um zu gucken, was passiert. Es gab keine Regeln. Nach sechs Tagen musste das Experiment wegen sadistischer Ausschreitungen auf der Seite der Wächter abgebrochen werden. Das waren bestimmt keine schlechten Menschen. Und trotzdem ... Nichts Genaues weiß man nicht. ::)LG Silvia
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Ismene
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Re:Die Natur ist grausam

Ismene » Antwort #23 am:

Nach sechs Tagen musste das Experiment wegen sadistischer Ausschreitungen auf der Seite der Wächter abgebrochen werden. Das waren bestimmt keine schlechten Menschen. LG Silvia
Das Experiment ist sehr bekanntOb die Menschen schlecht waren oder nicht? :-\Sie waren auf jeden Fall obrigkeitshörig, denn sie bekamen den Befehl:"erhöhen Sie die Voltzahl!" Obwohl sie die Schreie der Gequälten hörten. Die Stromschlag-Erhöher wussten ja nicht, dass die "Gequälten" nur Schauspieler waren. Keiner hatte vor dem Experiment (schon 25 Jahre her glaube ich) damit gerechnet, dass alle die Voltzahl bei den Stromstößen erhöhen würden.
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Re:Die Natur ist grausam

Katrin » Antwort #24 am:

Das war das Milgram-Experiment. Schade, dass es schon so bekannt ist, ich würde es gerne einmal wiederholen... um dann so unter Schock zu stehen, dass ich keinem Menschen mehr trauen würde... ::)....vermutlich.
"Ich glaube, viele von uns haben ihre Heimat längst verloren, denn sie haben sie in der Kindheit gelassen, in den staubigen Straßen und an den sonnigen Tagen, als die Welt noch gut war, weil wir nur die Fassade sahen und zu klein waren, die Türen zu öffnen."

ich
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Silvia
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Re:Die Natur ist grausam

Silvia » Antwort #25 am:

Ich glaube, das war ein anderes Experiment. Hier gab es nur die Gruppe, keine Anweisungen, Vorgaben oder sowas. Sie mussten es total selber organisieren. Ich kann aber nochmal gucken.Es steckt für mich die Frage dahinter, wie autark wir sind. Wenn ich sowas lese, scheint es nicht viel zu sein. Irgendetwas muss uns dann glauben lassen, es sei in Ordnung oder sowas, was aber für Unbeteiligte grausam ist. Man fragt sich, wie sowas möglich sein kann. Mit der Position scheint sich auch eine andere Sichtweise einzustellen. Also, das finde ich ganz schön grausam! :-\ LG SilviaP.S. Es ist das Stanford-Prison-Experiment, das ich meine.
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Feder
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Re:Die Natur ist grausam

Feder » Antwort #26 am:

Nun, man hat festgestellt, dass nur der etwas bekommt, der auch abgibt. Tut eine Fledermaus das nicht, wird sie gemieden und verhungert über oder kurz oder lang. Tiere haben also durchaus auch eine moralische Vorstellung von Recht und Unrecht.
Diese Schlussfolgerung hat mich schon in besagtem Geo gestört. Wieso sollen die Tiere eine moralische Vorstellung von Recht und Unrecht haben? Das interpretiert ein Mensch hinein. Vermutlich handelt es sich lediglich um ein arterhaltendes Muster: Individuen die nichts abgeben sind für das Fortkommen der Gruppe unbrauchbar und werden so ausgemerzt.
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Pat Parelli
Hortulanus

Re:Die Natur ist grausam

Hortulanus » Antwort #27 am:

Ich messe Tieren auch keine "Moral" nach unserem Verständnis bei. Aber vielleicht sind unsere Moralvorstellungen auf den Punkt gebracht auch nichts anderes als "Naturgesetze", die das Überleben sichern sollen. Viele Tierarten töten nicht die gleiche Art. Es sei denn, es handelt sich um Unfälle. Grundrechte sind z.T. Naturrechte. Die Zehn Gebote teilweise ebenso. Und Kants Kategorischer Imperativ sichert ja auch das erträgliche Miteinander.
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Silvia
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Re:Die Natur ist grausam

Silvia » Antwort #28 am:

Viele Tierarten töten nicht die gleiche Art.
Stimmt! Erinnert mich an den schönen Spruch von Werner Mitsch: Der Mensch hat die Atombombe erfunden. Keine Maus auf dieser Welt käme auf die Idee, eine Mausefalle zu konstruieren. 8) LG Silvia
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Wolfgang
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Re:Die Natur ist grausam

Wolfgang » Antwort #29 am:

Unsere Moral bzw. Ethik (je nach Konfession) unterscheidet vor allem. Sie sagt zB anders als die Natur, dass die Unantastbarkeit des Lebens das höchste Gut ist, dass sie generell gilt und nicht nur für das Lebensinteresse des einzelnen. Und dass sie eine Rangordnung hat. Das menschliche Leben steht dabei an der Spitze, nicht das stärkste und gesündeste.Interessant ist, wie die Rangordnung begründet wird. Das Christentum begründet sie mit den Schöpfungserzählungen, nach denen vor allem der Mensch eine Schöpfung nach dem Bild Gottes ist. Der australische (atheistische) Philosoph Peter Singer etwa hält das für willkürlich und unplausibel. Er gliedert die Rangordnung deshalb nach Bewusstsein und Lebensinteresse. Danach steht ein erwachsener Schimpanse deutlich über einem neu geborenen Kind oder einem dementen Achtzigjährigen. Singer ist deshalb dafür, dass man sich zB nicht der Strapaze einer Abtreibung aussetzt, sondern das Kind auf die Welt kommen lässt und tötet, wenn man es nicht haben will oder es krank oder behindert ist, und dass man einen dahindämmernden Alten umbringt. Er will sozusagen die Natur nachahmen.Das wollten seinerzeit die Nazis auch und entwickelten die Ideologie von der Durchsetzung des Starken gegen das Minderwertige.Wer dagegen von der unverfügbaren Würde des menschlichen Lebens und also von seiner Unantastbarkeit ausgeht, der schützt das Schwache und Kranke und stellt die Natur auf den Kopf.Und er sieht die Natur ambivalent.Aber es hängt viel an der Begründung.Das Stanford-Prison-Experiment, also die Frage, wie "gut" der Mensch von sich aus ist (wie weit also die ethische Unterscheidung sozusagen in seinen Genen steckt und also gar keine Begründung braucht), ist von da aus gesehen ein anderes Kapitel, aber gleichfalls hochinteressant.
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