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Pilzschutz in der Schweiz und Europa (Gelesen 11119 mal)

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martina 2
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

martina 2 » Antwort #60 am:

Habe diesen Thread mit gemischten Gefühlen gelesen. Für mich bleibt trotzdem die Frage offen, ob Übersammlung die Bestände reduziert, denn anders kann ich es mir bei uns im Waldviertel nicht erklären. Vor vielen Jahren war ein wirklicher Schwammerlexperte aus Bonn zu Besuch und meinte, einen derartigen Reichtum an Arten noch nirgends gesehen zu haben. Abgesehen davon, daß heuer überhaupt ein mäßiges Pilzjahr war, sind viele Arten seit Jahren ganz verschwunden, und daß man improvisieren und einen Pullover zum Pilzkorb umfunktionieren muß, weil man unvorbereitet auf ganze Kolonien von Steinpilzen oder Rotkappen stößt, gehört längst der Vergangenheit an. Damals waren da außer uns nur ein paar Einheimische unterwegs, die ausschließlich für den Eigenbedarf sammelten. (Früher mußten sie übrigens die Herrenpilze - daher der Name - bei der Herrschaft abliefern, sonst drohte eine strenge Strafe.)Inzwischen kann man es z.B. erleben, daß in einem guten Jahr am Waldrand ein Lieferwagen aus Linz steht, davor Steigen mit mindestens 10 Kilo Steinpilzen, die ungeniert geputzt werden. Da wird quasi professionell gesammelt. Und ein entfernter Nachbar liefert die Eierschwammerl/Pfifferlinge bei der nächsten Sammelstelle ab, man trifft ihn bisweilen mit schweren Säcken im Wald. Wir finden immer noch genug für ein paar Mahlzeiten, aber diese Entwicklung ist nicht erfreulich. Und der Bestand ist fraglos insgesamt stark zurückgegangen, aus welchem Grund auch immer. Der Wald jedenfalls hat sich nicht wesentlich verändert in den letzten Jahrzehnten.
Schöne Grüße aus Wien!
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partisanengärtner
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

partisanengärtner » Antwort #61 am:

Was auf jeden Fall sicher ist: Eine Stelle die viele kennen wird für den einzelnen Sammler entsprechend weniger aufweisen. Wenn dann auch noch Professionelle abräumen findet der gelegentliche Hobbysammler kaum noch was.Wieviele Pilze es dort wirklich gibt kann man dann kaum noch feststellen. In der Schweiz hat man ja solche Versuche unter kontrollierten Bedingungen gemacht.Harvesterverwüstete Waldstücke waren allerdings meines Wissens nicht darunter.Die Kettenteile sind heute deutlich schwerer als die alten Reifenteile und die Tonnenlasten wachsen schnell an. Auf die Bodenfeuchte wird auch immer seltener Rücksicht genommen wenn es mal Wochen oder Monate lang nass ist.Wirtschaftlichkeit geht nun mal vor. :P Das schwere Gerät gehört meist Wirtschaftunternehmen die nicht mehr als wenige Tage Schlechtwetterpausen machen können. Diese Betriebe arbeiten meist überregional und ihr Interesse am Erhalt des Ökosystems ist eher marginal. Wenn eventuelle Auswirkungen zum tragen kommen gibt es solche Betriebe eh schon längst nicht mehr, so oder so.Mit den Wölfen heulen oder gefressen werden. Die Verträge mit den großen Sägewerken bedingen einen kontinuierlichen Nachschub. :-X :P
Wer zuviel jätet raubt sich manche Überraschung.

Axel
martina 2
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

martina 2 » Antwort #62 am:

Was auf jeden Fall sicher ist: Eine Stelle die viele kennen wird für den einzelnen Sammler entsprechend weniger aufweisen. Wenn dann auch noch Professionelle abräumen findet der gelegentliche Hobbysammler kaum noch was.
Klar. Aber auch in Zeiten, in denen außer uns kaum jemand geht, ist es viel weniger geworden. Und wo sind die Arten alle geblieben?
Schöne Grüße aus Wien!
wandersfranz

Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

wandersfranz » Antwort #63 am:

Klar. Aber auch in Zeiten, in denen außer uns kaum jemand geht, ist es viel weniger geworden. Und wo sind die Arten alle geblieben?
Hier bei uns sammeln zwar nicht sehr viele, aber die Arten sind schon lange stark zurückgegangen. Der Pfälzerwald war viele Jahrzehnte nur noch "Holzproduktionsstätte" und erst seit kurzer Zeit, da jetzt das Ganze ein "Bioshärenreservat" ist besinnt man sich wieder darauf, wie es wohl wäre wenn....zumindest in der Theorie. Manche Gebiete werden wieder als "Urwälder" rückgeführt, was wiederum andere Probleme aufwirft. Ich kenne den Pfälzerwald als Kind noch in Parzellen aufgeteilt mit Fichten in allen größen, aber da die gepflanzten Schonungen nicht mehr funktionieren, besinnt man sich (hinter vorgehaltener Hand auch aus wirtschaftlichen Gründen) wieder auf den "Urwald" wo alles in einträchtiger Harmonie sich selbst reguliert ::) ::) ::)Und auf der anderen Seite zerreissen Kettenfahrzeuge sommers wie winters die Hänge :P :P :PUnd ich denke das Umwelteinflüsse noch erschwerend hinzu kommen und dem ganzen den Rest geben...
max.
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

max. » Antwort #64 am:

...aber die Arten sind schon lange stark zurückgegangen...
das denkt man als pilzsammler zwar sowieso, aber ob das generell stimmt?ich denke: eher nicht.das wird aber wohl schwer nachprüfbar sein, mangels daten...
Amur
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

Amur » Antwort #65 am:

Also hier hat sich der Staatswald stark geändert. Früher (vor 3 bis 4 Jahrzehnten) fast ein reiner Fichtenforst, verschwindet die Fichte mehr und mehr. Dementsprechend ändern sich die Pilzarten, bzw. das beschauliche Sammeln von Maronen im Altholz gibts nicht mehr. Die Stürme Vivian, Wibke und Lothar haben die Althölzer weggeblasen und der nachwachsende Wald ist ein Mischwald mit viel Unterholz. Die Fichte wird schon aus forstpolitischen Gründen eher aus der Naturverjüngung noch rausgenommen. So entstehen oft ganze Schläge aus Erle und Birke. Was man mit denen in einigen Jahrzehnten machen will weis ich nicht. Vermutlich Energieholz. In den privaten Wäldern die nach wie vor wirtschaftlich arbeiten wollen und müssen, dominiert die Fichte immer noch. Ihr Anteil ist auf den gut Wasser speichernden, wüchsigen Böden hier zwar etwas reduziert worden, allerdings nicht durch Wildwuchs aller Art, sondern anderen "Wirtschaftsarten" wie Douglasie oder dann auch Buchen oder Eichen. Was natürlich auch gemacht wird, ist die Althölzer nicht mehr wie einst in einem Zuge abholzen, sondern langsam auflichten, damit die Naturverjüngung drunter hochkommt. Denn das Personal und das Geld zum Aufforsten in Reih und Glied wie das noch vor einer Generation gemacht wurde, hat heute keiner mehr. Der alte Förster hier hatte allein in seinem Revier 19 Waldarbeiter und Pflanzfrauen und einen Rückeschlepper. Heute haben alle 3 Förster zusammen gerade mal 5 Leute und kein schweres Gerät mehr. Der Rest wird als Dienstleistung bezogen (Rücken, Vollernter, kleine Einzelunternehmer beim Einschlag). Dadurch dass die Staatsforstflächen schlechter zum Sammeln sich eignen konzentrieren sich die Sammelhorden eher auf die Privatwälder.
nördlichstes Oberschwaben, Illertal, Raum Ulm
wandersfranz

Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

wandersfranz » Antwort #66 am:

...aber die Arten sind schon lange stark zurückgegangen...
das denkt man als pilzsammler zwar sowieso, aber ob das generell stimmt?ich denke: eher nicht.das wird aber wohl schwer nachprüfbar sein, mangels daten...
Die "Augenscheinliche Prüfung" sagt schon einiges aus, viele Arten sind hier nicht mehr zu finden ausser in Pilzbüchern und wenn, und viele Gespräche über Jahrzehnte mit älteren Menschen bestätigen, das hier früher ein Pilzreichtum war, den ich mit jetzt 52 Jahren nicht mehr kennen lernen durfte.Die Rotkappe z.B. wurde mir schon öfter gesagt, hat man vor 50-60 Jahren hier "Waschkörbeweise" aus dem Wald getragen. Ich kenne eine winzige Stelle. wo ich, wenn ich sie mal wieder besuche, auch mal eine antreffe. Und da ich den Pfälzerwald schon seit vielen Jahrzehnten erwandere und gerade in der Pilzsaison viele Plätze aufsuche, habe ich zumindest meine Kopfdatenbank die für mich schon recht aussagekräftig ist.Da könnt ich jetzt noch ewig texten zu verschiedenen Arten, es läuft immer darauf raus, das zumindest bei uns, Pilze recht rar geworden sind. Klar gibt es mal wieder einzelne Jahre wo es etwas mehr gibt, aber die Tendenz ist leider abwärts.@Amur, unter Urwald versteht man hier Buche, eher in Tallagen und Eiche mit Kiefer auf trockeneren Höhenlagen, alle anderen Arten eher unerheblich je nach "natürlicher Neigung" und die von dir erwähnten Stürme haben hier teilweise auch gründlich zugeschlagen.Der vollständigkeit halber muss man aber auch noch erwähnen, das der Pfälzerwald zum Ende des zweiten Weltkrieges von Frankreich radikal abgeholzt wurde und damals so manches Dorf dafür kämpfte, das nicht auch noch die alte Dorflinde abgeholzt wurde. Deswegen findet man hier auch fast keine richtig alten Bäume mehr.Danach wurde halt auch schnellschnell mit Fichte aufgeforstet wo es nur ging.
max.
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

max. » Antwort #67 am:

danke für den beitrag.mich freut, daß man hier mal etwas qualifiziertes zum thema "waldbewirtschaftung" lesen kann.
...So entstehen oft ganze Schläge aus Erle und Birke....Vermutlich Energieholz.
laienhafte frage:"energieholz" - muß das denn sein?beide baumarten liefern doch auch gesuchtes furnierholz.
max.
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

max. » Antwort #68 am:

...Die Rotkappe z.B. wurde mir schon öfter gesagt, hat man vor 50-60 Jahren hier "Waschkörbeweise" aus dem Wald getragen...
solche sachen sagen alte leute IMMER und EWIG. die sommer waren heißer, die winter kälter...jedenfalls war früher alles besser.darauf würde ich keinen deut geben.für mich ist das pilzaufkommen/artenverteilung dermaßen chaotisch, daß ich keine entwicklung sehen kann.richtige daten wären schon ganz gut...wenn jemand näheres weiß, bitte melden.
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

irisparadise » Antwort #69 am:

Ich denke, man muss hier auch einige andere Faktoren sehen:- der Wald verändert sich. Pilze wachsen, wenn sie bestimmte Bedingungen vorfinden. Da die Bäume dummerweise ebenfalls wachsen, verändert sich dadurch das Kleinklima sowie die Bodenverhältnisse.- es wird insgesamt wärmer. Erkennbar ist dies z.B. am Tintenfischpilz, der im ursprünglichen Threat gezeigt wird. http://forum.garten-pur.de/Quer-durch-den-Garten-35/Pilzsaison-2011-42393_0A.htm Als ich diesen vor ca 25 Jahren das erste mal fand, stand in den Pilzbüchern noch "wächst im sehr milden Mittelmeerklima in Spanien und Italien"- es gibt immer wieder Jahre mit eine Pilzschwemme. Dieses bleiben im Gedächtnis haften und jedes Jahr aufs Neue verfolgen einem negative Gedanken "Da hab ich doch schon solche Massen gefunden - warum hat's jetzt keine?"
"Iris sammeln und anpflanzen kann süchtig machen und gefärdet die Lachmuskeln der schon Süchtigen. Zu weiteren Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ..."
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Staudo
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

Staudo » Antwort #70 am:

Ich sprach unlängst mit einem Forstwirtschaftler nachdem der Harvester im letzten Herbst die hiesigen Landesforsten verwüstet hat. Seiner Ansicht nach sieht der Wald jetzt chaotisch und unordentlich aus. Für die Natur ist aber gerade dieses Chaos von Vorteil, weil das Biotop vielfältiger wird. Plötzlich bekommt die Krautschicht Licht und die im Bestand verbleibenden Kronenteile der gefällten Bäume bieten Käfern und Pilzen Nahrung. Allerdings sind dies nicht gerade Speisepilze.Massenvorkommen einer Pilzart setzen größere, gleichmäßige Waldbestände voraus. Diese nehmen zugunsten der ökologischen Vielfalt radikal ab.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
wandersfranz

Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

wandersfranz » Antwort #71 am:

...Die Rotkappe z.B. wurde mir schon öfter gesagt, hat man vor 50-60 Jahren hier "Waschkörbeweise" aus dem Wald getragen...
richtige daten wären schon ganz gut...
Klar, wenn ich in über 30 Jahren intensiver Beobachtung nur 4-5 Rotkappen fand sind das keine verlässliche Daten, ok, sehe ich ein. Bin halt auch kein Wissenschaftler :-X ::)
Tragopogon

Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

Tragopogon » Antwort #72 am:

Gesammelt wird doch der Fruchtkörper. Der enthält die Sporen, aus denen neue Myzele wachsen, die wiederum Fruchtkörper produzieren. Wenn das so stimmt, hat doch das Sammeln der Fruchtkörper Einfluss auf den Pilznachwuchs?
martina 2
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Re:Pilzschutz in der Schweiz und Europa

martina 2 » Antwort #73 am:

richtige daten wären schon ganz gut...
Klar, wenn ich in über 30 Jahren intensiver Beobachtung nur 4-5 Rotkappen fand sind das keine verlässliche Daten, ok, sehe ich ein. Bin halt auch kein Wissenschaftler :-X ::)
Mit Beobachtungen von vor 50-60 Jahren kann ich leider nicht dienen ;D, immerhin aber mit etwa zwanzigjährigen. Wir hatten einen kleinen Wald 'Rotkappenstreifen' benannt, weil man dort tatsächlich 'ernten' gehen konnte. Es wurde immer weniger und schließlich ganz aus, wobei die Einheimischen keine Rotkappen nehmen. Der Wald dort ist bis auf das natürliche Wachstum völlig unverändert. Und so könnte ich unzählige Beispiele nennen... Zigeuner- und Maronenkolonien, Reizker, Täublinge, Massen an Herbstpilzen wie grauer Ritterling uvm., also Sorten, die bestimmt nicht übersammelt sind.
Gesammelt wird doch der Fruchtkörper. Der enthält die Sporen, aus denen neue Myzele wachsen, die wiederum Fruchtkörper produzieren. Wenn das so stimmt, hat doch das Sammeln der Fruchtkörper Einfluss auf den Pilznachwuchs?
Das dachte ich auch lange, aber z.B. die Eierschwammerl wachsen seit Jahrzehnten auf den allseits bekannten Plätzen, da muß man nur schnell und früh sein.
Schöne Grüße aus Wien!
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