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Handwerk und Kunst (Gelesen 36448 mal)

Gartengestaltung von Planen, Gelände und Boden über generelle Anlage, Wege, Steine, Zäune, Beete bis hin zu Kunst und Handwerk

Moderatoren: Nina, AndreasR

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callis

Re:Handwerk und Kunst

callis » Antwort #165 am:

@ Hortulanus
Die Idee war m.E. Kunst. Die Ausführung Handwerk.Das gilt ebenso für Günthers Reproduktionen. Allein die ursprüngliche Idee war Kunst. Die Replik oder das Replikat sind wiederum Handwerk. So zumindest sehe ich es.
Wenn ich also das handsignierte Blatt 11 eines Holzschnitts eines von mir (und vielleicht auch anderen für mich glaubwürdigen Leuten) geschätzten Künstlers kaufe, dann kaufe ich nur ein Stück Handwerk und keine Kunst??? Oder ist das Kunstwerk nur das Stück Holz, in das das 'Bild' eingeschnitten ist, gewissermaßen in Negativtechnik, aber noch nicht fertig?Könnte ich für Unsummen auf einer Auktion ein Originalblatt von Dürers 'Melancholia' erstehen, dann hätte ich kein Kunstwerk erstanden? Gewöhnungsbedürftiger Gedanke, wenn er denn stimmt.@ Katrin
Ich denke, Kunst ist, wenn man in jenem Augenblick, wenn man damit konfrontiert wird, kurz auf alles andere vergisst.
Es gibt auch andere Momente im Leben, in denen man alles andere vor dem e i n e n vergißt. Ist das E i n e, was immer es dann ist, Kunst?
Ich glaube, alles ist in gewisseer Weise Kunst, weil erschaffen
Wenn alles Kunst ist, Katrin, warum reden wir dann überhaupt darüber? ;D
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riesenweib
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Re:Handwerk und Kunst

riesenweib » Antwort #166 am:

@ Hortulanus...Wenn alles Kunst ist, Katrin, warum reden wir dann überhaupt darüber? ;D...
weils so langweilig ist immer nur über die unsterblichkeit der maikäfer zu diskutieren.*duckundweg* brigitte
will bitte jemand meine tippfehler? Verschenke sie in mengen. danke ;-)
Hortulanus

Re:Handwerk und Kunst

Hortulanus » Antwort #167 am:

Könnte ich für Unsummen auf einer Auktion ein Originalblatt von Dürers 'Melancholia' erstehen, dann hätte ich kein Kunstwerk erstanden? Gewöhnungsbedürftiger Gedanke, wenn er denn stimmt.
Was ist daran so gewöhnungsbedürftig? Wenn Dürer oder wer auch immer, von einem Original unzählige handsignierte Kopien erstellt hätte, die trotz der Zeitläufte erhalten geblieben wären, wären sie nicht mehr wert als ein Kalenderblatt. Warum wohl werden auf Repliken/Drucken die Anzahl der Vervielfältigungen vermerkt? Je geringer die Zahl, um so teurer? Hier kommerzialisiert sich der Künstler selber.Zu Cranach und andere: Der Meister hat seine Eleven beaufsichtigt und selbstverständlich auch gesteuert. Damit sind viele dieser Werke zwar möglicherweise Kunst, aber nicht die des L. Cranach, sondern die von Fürchtegott Schultebrömmelkamp. Warum fliegen derzeit die meisten Rembrandts als Fälschungen oder nicht von ihm gemalt aus den Galerien? Kassel hat gerade hinsichtlich dieses Künstlers derzeit ein Waterloo erlebt.Alles als Kunst zu bezeichnen ist natürlich eine etwas arg einfache Weltsicht. Zur Kunst gehört auch das Wollen, eine bestimmte Aussage zu machen. Dass diese nicht von allen verstanden wird, ist eine andere Sache. Deshalb kann ein Affengemälde keine Kunst sein. Michelangelos Kunst liegt nicht in den perfekten Skulpturen (bei David gibt es selbst hierzu Zweifel), sondern wie diese zu uns sprechen, was sie in uns anrühren, wie sie in uns nachklingen.
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Silvia
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Re:Handwerk und Kunst

Silvia » Antwort #168 am:

Deshalb kann ein Affengemälde keine Kunst sein.
Bringt aber auch Geld. ;)http://morgenpost.berlin1.de/content/20 ... 448.htmlLG Silvia
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Günther

Re:Handwerk und Kunst

Günther » Antwort #169 am:

Auf dem Kunstmarkt feiern des Kaisers neue Kleider fröhliche Urständ'...
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thomas
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Re:Handwerk und Kunst

thomas » Antwort #170 am:

Mir scheint, die ganze Frage hat viel mit dem kulturellen Hintergrund zu tun, auf dem sie gestellt wird.Zweifellos gehört es für uns zu einem Kunstwerk, dass es als Kunstwerk 'gewollt' ist. - Ob es außerdem noch etwas 'aussagen' soll, halte ich für nicht so wichtig. Es ist ja als Kunstwerk bereits eine Aussage ...Ein Werk kann ferner erst ein Kunstwerk sein, wenn es Leute gibt, die es als solches auffassen. - Das muss nun nicht die Mehrheit sein, die so denkt. Im Gegenteil ist die Geschichte voll von Ablehnungen, Skandalen, ja Attacken auf strittige 'Kunst'. - Manche Kunstwerke werden erst im Lauf der Zeit von vielen als solche anerkannt, andere als eher wenig künstlerisch erkannt. - Im Zusammenhang mit Anerkennung im Lauf der Zeit steht auch der Kunstmarkt, da sich diese Anerkennung im Marktwert ausdrückt. - Wenn ein Kunstwerk von den meisten anerkannt wird, dann ist es kanonisch und gehört zur Kunstgeschichte. Allerdings gibt es auch in der noch Rangverschiebungen, Umdeutungen etc.Kunst ist das, was wir (= genügend von uns, oder genügend Wichtige von uns) dafür halten. Und was wir für Kunst halten, zeigt, wie wir denken und leben.KunstgrußThomasP.S.:Jedenfalls denke ich, dass gutes Handwerk zwar der Kunst nicht schaden muss, aber dass Kunst vom Handwerk unabhängig ist. 'Gut gemacht' bedeutet alleine nicht so viel. Darum ist es mit allen gestalterischen Bereichen schwierig, in denen Handwerkliches oder Technisches dominiert. Denn gutes Handwerk zu bewundern bedeutet am Künstlerischen des Werkes vorbeizusehen.
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Silvia
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Re:Handwerk und Kunst

Silvia » Antwort #171 am:

Und wie siehst du das in der Fotografie? Einer, der seinen Apparat nicht richtig handhaben kann und nicht gelernt hat, wie Blendenzahl, Belichtungszeit und Lichteffekte genutzt und erzeugt werden, wie Bilder richtig entwickelt werden (okay, bald passé, aber trotzdem) wird m. E. immer nur einfach Bilder knipsen, mal mehr, mal weniger schön. Gut gemachte Fotos können aber in meinen Augen durchaus ein Kunstwerk sein. Klar gehört mehr dazu, als gute Beherrschung des Werkzeuges, das gewisse Etwas sozusagen, das Auge des Photografen, das Sehen, Wahrnehmen und Erkennen im richtigen Augenblick, was es zum Kunstwerk macht und worüber sich dann viele unabhänbig voneinander einig sind. Und ich sagte es ja bereits oben, dass Handwerk beherrschen keine Garantie für Kunst schaffen ist. Aber trennen mag ich es nicht davon, gerade auch in der Malerei.Oder - zwar ein anderes Feld, aber dennoch anerkannter Maßen Kunst - gute Musiker, Tänzer, Schauspieler oder Sänger: Alle haben in der Regel eine harte Schule hinter sich. Und gerade auch beim Musizieren, Singen oder Tanzen geht ohne ständige Übung nichts. Mozart fing mit vier Jahren an. Musiker sind überhaupt das Disziplinierteste, was ich kenne. Bewundernswert!Interessant finde ich es übrigens schon, wie plötzlich mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn Jahrhunderte lang etwas als große Kunst bewertet wird wie bei Rembrandt und dann plötzlich aus der Galerie fliegt, weil es nicht der Meister persönlich war. Was hat sich denn am bisher anerkannten Kunstwerk als solchem geändert? Doch gar nichts. Auch sonst ist alles gleich, die politischen Verhältnisse, die Galeristen, die Anerkennung des ursprünglich gedachten Künstlers. Nur der Betrachter entzieht dem Werk seine Gunst und legt mehr Wert auf Namen als auf das Werk. Macht es der hochangesehene Künstler XY, ist es Kunst, war es Lieschen Müller, ist es u. U. ganz hübsch, aber mehr auch nicht. Die Großartigkeit ist plötzlich nicht mehr so großartig. Finde ich sehr entlarvend. Es ist ein guter Spiegel des Kunstmarktes und dessen, was das so genannte allgemeine Kunstverständnis bestimmt und wie (künstlich) Werte geschaffen werden.LG Silvia
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thomas
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Re:Handwerk und Kunst

thomas » Antwort #172 am:

Die Fotografie zähle ich eigentlich nicht zur Kunst. Gute Fotos sind meist gut komponierte Fotos, aber es bleiben Abbilder, technisch mehr oder weniger gekonnt in Szene gesetzt. - Fotografie als Kunst sehe ich vielleicht am ehesten bei so etwas wie Meret Oppenheim oder Bernd und Hilla Becher.Reproduzierende 'Künste' sind ein eigenes schwieriges Thema. Künstler war Beethoven, als er Op. 111 schrieb. Jetzt höre ich mir Interpretationen von Gulda oder Pollini an - die sind beide brilliante Techniker, aber jeder interpretiert den Beethoven anders. Subjektive Kongenialität, oder auch ein gegen-den-Strich-bürsten des alten Harmonikers, mit dem Wissen der Nachgeborenen ... Ehrlich gesagt tue ich mich auch dabei schwer, das als 'Kunst' im eigensten Sinne zu sehen (ivielleicht denke ich da etwas extrem).Und wieso wundert dich das mit Rembrandt bzw. seinen Schülern? Es ist doch genau so mit einer Fälschung: Gut gemacht im Stil des Meisters, aber eben nur nachgemacht. Gute Technik eben, sonst nichts.Zum Kunstwerk gehört anscheinend in unserer Kultur das Schöpferische, Kreative ...Und was du da über den Kunstmarkt schreibst, mag ja so sein oder auch nicht. Jedenfalls 'geht die Kunst nach Brot', und zwar immer schon.BrotgängergrüßeThomas
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Re:Handwerk und Kunst

Hortulanus » Antwort #173 am:

Zweifellos gehört es für uns zu einem Kunstwerk, dass es als Kunstwerk 'gewollt' ist. - Ob es außerdem noch etwas 'aussagen' soll, halte ich für nicht so wichtig. Es ist ja als Kunstwerk bereits eine Aussage ...Ein Werk kann ferner erst ein Kunstwerk sein, wenn es Leute gibt, die es als solches auffassen. -
Welch ein Widerspruch! Was gewollt ist und der Öffentlichkeit vorgetragen wird ist eindeutig eine Aussage. Wie und in welcher Form entscheidet der Künstler mit seinem Können.Ob ein Kunstwerk erst dadurch zu einem wird, wenn es betrachtet wird, darüber kann man lange philosophieren. War die griechischen Statuen so lange kein Kunstwerk, wie sie unter der Erde lagen? Waren die pompeianischen Gemälde als Kunstwerke "gestorben" als sie unter der Asche verborgen waren? Ist das nicht veröffentlichte Oevre eines Künstlers keine Ansammlung von Kunstwerken?Ich bin der Auffassung, Kunst ist Kunst in dem Moment wenn sie erschaffen wird, wenn der Gedanke in Bildern, Skulpturen, Tönen gehört, gesehen oder gefühlt werden kann.Fotografieren halte ich auch nur für eine Pseudokunst. Wer miterlebt, wie Fotografen ihre Bilder "produzieren", der verliert jeglichen Respekt. Da werden zig Aufnahmen verpulvert, um dann unter dieser Menge einige herauszupicken, die als gelungen angesehen werden. Die einzige Fotografie, die mir erwähnenswert erscheint, sind Portraitaufnahmen, Charakterstudien.Ein Rembrandt, Silvia, fliegt dan zu Recht aus der Galerie, wenn er nicht von ihm stammt. Das Bild gehört in einen anderen Saal, wo Fürchtegott Schultebrömmelkamp geehrt wird. Aber es ist eben kein Rembrandt. Es gibt sehr viele Bilder von Schülern aus der Schule berühmter Meister, die künstlerisch und handwerklich sehr hoch eingeschätzt und keineswegs als minderwertig angesehen werden.
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Re:Handwerk und Kunst

thomas » Antwort #174 am:

Welch ein Widerspruch!
Welch ein Missverständnis, euer Ehren! Das Kunstwerk ist die Aussage. Aber es ist nicht so, dass der Künstler mit dem Kunstwerk etwas anderes habe sagen wollen, so als habe er sich einer anderen Sprache bedient. Wäre es so, dann wäre Kunst nichts anderes als gegossene Weltanschauung (siehe z.B. sozialistischer Realismus) oder Psychopathologie (z.B. Schizophrenen-Kunst). Aber das ist in meinen Augen eben gerade keine Kunst mehr.Zu den Säulen der Griechen unter der Erde: Fangen wir vorne an. Als der Parthenon gebaut wurde, war er Ausdruck des attischen Vormachtstrebens im delisch-attischen Seebund. Jeder hat das damals so gesehen. Jeder wusste ja auch, wo die Kasse aufbewahrt wurde: eben in Athen ... War man Athener oder deren Freund, sah man den 'schön' proportionierten Tempel mit seinen unverkennbar politischen Aussagen in Friesen und Metopen mit Wohlgefallen. Andernfalls hat er genervt, und zwar sehr.Kalokagathia - schwer ohne griechische Buchstaben - war das Schöne und Gute - eigentlich das Richtige, das der Gruppe dienende - in einem bestimmten Kulturraum, auch und gerade damals.Und dann waren die Säulen irgendwann umgefallen, kaputt, überwuchert ... und wurden von Winkelmann und Konsorten als 'Kunst' entdeckt und so verehrt, dass der Schock groß war, als offenkundig wurde, wie bunt diese vermeintlich edel weißen Säulen einmal gewesen sind.Ja und heute? Kunst? - Eine etwas unwirkliche Fragestellung angesichts erster Formulierungen dessen, was die ganze abendländische Ästhetik geprägt hat.Das wird ja zum Parforceritt durch Kunst und Kunstgeschichte.Stille und edle GrüßeThomas
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Silvia
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Re:Handwerk und Kunst

Silvia » Antwort #175 am:

Zum Kunstwerk gehört anscheinend in unserer Kultur das Schöpferische, Kreative ...
Das denke ich auch. Aber es gehört auch der Kult dazu. So einen Status muss ein Künstler erst einmal haben. Dann kann er praktisch alles machen. ::) Deswegen habe ich das Gefühl, dass man guten, unbekannten Künstlern oft nicht gerecht wird. Gerade unbekannte junge Künstler haben es sehr, sehr schwer - wie zu allen Zeiten.Sich mit Musik auszudrücken gehört für mich zu einer ganz großen Gabe und auch zur großen Kunst. Es spricht nur einen anderen Sinn als das Auge an. Nicht alles ist Kunst, das ist klar, aber vieles doch, gerade auch in der klassischen Musik. Aus vielen parallel laufenden Tonfolgen ein harmonisches Klanggebilde - eine Symphonie, eine Oper, ein Chorstück etc. - zu entwickeln, finde ich schlichtweg genial. Es dann noch nur in der Vorstellung hören zu können wie Beethoven oder Smetana einfach unglaublich. Aber es schweift von der Gartenkunst ab. Wollte ich nur mal gesagt haben. ;)LG SilviaP.S. Wenn Fürchtegott Schultebrömmelkamp denn in einem anderen Saal geehrt wird, ist es ja gut, Hortulanus. Aber sein Marktwert ist denn doch ein anderer als der von Rembrandt, schätze ich. Das wäre dann u. U. ein kleiner, ärgerlicher Nebeneffekt für den Besitzer, oder? Und eben die Erkenntnis, dass sich Werke nicht so eindeutig zuordnen lassen und sich Zweifel breit machen, ob es das große Kunstwerk des großen Künstlers ist - oder nicht. Wieder taucht die Frage auf, was wichtig ist und wie man die Wichtigkeit als Wert festlegt. Für mich ist eine gut gemachte Kopie übrigens auch ein Kunstwerk, wenn auch ein nachgemachtes. Es verliert dadurch ja nicht an Aussagekraft, ist nur leider nicht das Original. 8) Und ich stimme dir zu: Kunst ist in dem Moment Kunst, in dem sie entsteht. Allerdings braucht es einfach jemanden, der auch sagt, es ist Kunst. Sonst wäre es nur 'akademisch' geklärt und bringt nicht weiter.
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Hortulanus

Re:Handwerk und Kunst

Hortulanus » Antwort #176 am:

Das Kunstwerk ist die Aussage.
Da sind wir völlig einer Meinung. Habe mein Missverständnis eingesehen.Aber gerade bei der Architektur können sich die Geister scheiden. Sind die Säulen des Parthenons Kunst oder „nur“ Handwerk? Ich würde zu Letzterem neigen. Der Standort des Tempels und seine Erhöhung im Rahmen der Akropolis hingegen ist in meinen Augen Kunst. Der architektonische Entwurf an sich und in Bezug auf die sonstige Bebauung ist folglich zweifellos Kunst. So gesehen ist die Architektur der neu erstandenen Friedrichstraße in Berlin eindeutig Kunst. Denn ob ein Kunstwerk einen (gesellschafts)politischen Auftrag zu erfüllen hat oder lediglich ein zu konkretisierender Käuferauftrag ist, ist völlig unerheblich. Kunst war zu allen Zeiten konkretisierte Weltanschauung. Besonders gut an den Gemälden erkennbar. Aber auch in der Musik. Wenn heute jemand im Stile Beethovens komponieren würde, wäre das keine Kunst, sondern ein stilistisches Plagiat. (Kleiner nicht so ganz ernst gemeinter Nebenaspekt: Hat Rossini eigentlich noch „Kunst“ komponiert? Der hat sich doch unentwegt selbst kopiert.) Und auch bei der „schizophrenen“ Kunst begeben wir uns auf des Messers Schneide. Eine kategorische Verleugnung dieses „Ausdruckszwangs“ als Kunst würde einen Edvard Munch aus der Riege der Künstler entfernen. Van Gogh ließe sich dort wohl auch nicht mehr halten. Oder ein El Greco. Oder ein Hieronymus Bosch. Zurück zum Parthenon und was an ihm Kunst ist. Ich hätte ja eher die Friese gewählt. Aber an den Säulen funktioniert es auch. Die Säulen sind nicht deshalb Kunst, weil sie damals mit recht bescheidenen Mitteln in dieser architektonisch und statisch perfekten Weise produziert wurden, sondern weil sie der Entwurf für die Demonstration politischer Macht gewesen sind. Weit sicht- und nicht übersehbar. Ein perfekteres Ausdrucksmittel ist nicht vorstellbar. Dito die Pyramiden in Ägypten. Ein eherner Marx ist durchaus Kunst (Chemnitz). Denn auch Michelangelos Figuren hatten eine erhebliche politische Aussage. Ein Renaissance-Fürst konnte sich nicht mit schwachen Figuren umgeben. Deshalb die schwellenden, selbst bei den Frauen muskelstrotzenden Leiber. Alles strahlen eine unbändige Kraft und Macht aus. Seine beiden berühmten gefesselten Sklaven sind nicht etwa jämmerliche, ausgemergelte Gestalten, sondern Muskeltitanen. Auch hier das Programm: Ein starker Fürst ringt keinen Schwachen nieder, sondern misst seine Kräfte nur mit Starken.Die meisten berühmten Gemälde sind Auftragsarbeiten mit oft recht konkreten Vorgaben (Stichworte: Nachtwache, sakrale Kunst).Nicht das Alter entscheidet darüber was Kunst ist. Ein Löffel ist nicht deshalb Kunst, weil er von den Händen der Kleopatra gehalten wurde. Die Säulen eines griechischen Tempels haben aufgehört Kunst zu sein, wenn sie umgefallen sind und nicht mehr Teil des Gesamtkunstwerks sind. Aber ein Parthenonfries, eine Aphrodite, eine Götterstatue war und ist auf alle Zeiten Kunst, da sie ein Kunstwerk sui generis sind, auch losgelöst aus irgendeinen früheren Kontext.Aber letztlich hat Silvia (und auch anderen) völlig Recht. Es gibt keine verbindliche Aussage, was Kunst ist. Das Stöbern bei Wikipedia und in anderen Lexika bringt einen nicht weiter sondern fügt nur weitere Erklärungsversuche hinzu. Jeder muss für sich entscheiden, was er als Kunst einstuft. Und da sind die Ansprüche auf Grund von Sehen, Erkennen, Eigenständigkeit und Bildung sehr unterschiedlich. Eine Nachbarin sind mir als Kind ein englisches Paperweight mit Millefiori-Einschlüssen mit der Bemerkung, das sei wahre Kunst. Irgendwie ist diese „Falschaussage“ in mir haften geblieben (Zeitpunkt, Stimme und Situation). Falsch war, dass hier Kunstfertigkeit mit Kunst verwechselt wurde. Aber was soll’s, die Kunst liegt wie die vermeintliche Schönheit im Auge des Betrachters. Allein die Kunstfertigkeit, mit der sie realisiert wurde, lässt sich objektivieren.
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Silvia
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Re:Handwerk und Kunst

Silvia » Antwort #177 am:

Der Konflikt liegt m. E. auch da, dass wir bei alten Werken in der Regel nicht wissen, was derjenige sich dabei gedacht hat, der ein (aus heutiger Sicht) Kunstwerk erschaffen hat. Besonders bei allen alten Werken, die für sakrale Zwecke hergestellt wurden, stellt sich die Frage, ob es Kunst ist. Gerade bei solchen Bauwerken und deren Austattung war der Zweck ja ein ganz anderer als die Schaffung von Kunst. Oder nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Menschen diese Frage damals gar nicht gestellt haben, es sollte einfach nur schön und prachtvoll für ihren Gott, für ihre Göttin sein. Dabei gaben sie sich aus Verehrung besonderer Mühe. Das war bei den alten Griechen nicht anders als bei den gewaltigen Kirchen der Gothik beispielsweise. Und wir überlegen uns heute, ob es Kunst ist. Haben die Menschen das damals auch überlegt?Oder ist eine Venus von Willendorf Kunst oder nur ein Anrufen an die göttliche Institution Fruchtbarkeit? Sind die Höhlenmalereien bei Lascaux als Kunst gedacht gewesen oder als Beschwörung eines 'Jagdgottes' - oder einfach nur so, weil Malen Spaß macht? Waren die Wandmalereien in römischen Villen aus dem Wunsch motiviert, ein Kunstwerk zu schaffen oder nichts anderes, als es sich zuhause schön zu machen wie wir heute tapezieren? Für uns ist das an sich nicht zu beantworten, da wir niemanden mehr fragen können.Die Hauptmotivation, dass jemand so etwas wie Kunst um der Kunst willen erschaffen möchte, Kunst als persönliche Ausdrucksmöglichkeit seiner Gefühle entdeckt und Kunst für sich als Wert existiert, ist meines Wissens jedenfalls noch nicht so sehr alt und am ehestens bei den Malern zu finden, die sich mit Alltagssituationen befassen wie die alten Holländer. Das künsterlisches Schaffen dabei immer Spiegel der Zeit ist, steht außer Zweifel. Aber niemals war sie erkennbar so frei wie heute. Es gibt praktisch keine Tabubrüche mehr. LG Silvia
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Hortulanus

Re:Handwerk und Kunst

Hortulanus » Antwort #178 am:

Oder ist eine Venus von Willendorf Kunst
Aber ja!Dass ein Kunstwerk Auftragsarbeit ist oder einen bestimmten Zweck hat, ändert nichts daran, dass es Kunst ist, so lange der Künstler seine eigene Idee, seine Sicht der Dinge damit konkretisiert.Es ist nicht notwendig, dass der Künstler erklärt und interpretiert, uns also eine Aufklärung über seine Idee gibt. So sind wir auch frei, das Kunstwerk im Rahmen unserer Fähigkeiten und Sichtweise zu interpretieren. Dabei kann es immer wieder sinnvoll sein, den Künstler, seine Situation und seine Lebensweise zu kennen. Wer die Autobiografie über Picasso gelesen hat, sieht seine Bilder mit anderen Augen.Ich glaube schon, dass auch zu Steinzeit-Zeiten Menschen um einen künstlerischen Ausdruck bemüht waren. Wenn ein Höhlenmaler seinen Nachbarn bei der Malerei beobachtet hat, wird er vielleicht bemüht gewesen sein, es auf eine andere Weise ebenfalls zu versuchen. Möglicherweise hat er mit der Tierfigur angefangen zu "spielen", um ihr eine Seele einzuhauchen usw. usf.Kunst ist immer ein Spiegel ihrer Zeit, sonst gäbe es keine Kunstströmungen. Und so manches beeindruckt heute eigentlich nur noch, weil es alt ist. Was aber kein Kunstkriterium ist. Terrakottapüppchen aus der Pharaonenzeit müssen absolut keine Kunst sein. Vieles war damals schon Fabrikware.
Günther

Re:Handwerk und Kunst

Günther » Antwort #179 am:

Vielleicht war in Willendorf eine Venus-Manufaktur - 's ist halt nur eine übriggeblieben ::)
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