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Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen? (Gelesen 22312 mal)

A rose is a rose is - Erfahrungen, Pflege und Schnitt von Rosen
Historische Rosen, Strauchrosen, Kletterrosen, Wildrosen ...

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Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #45 am:

Eine Rose ist eine Rose ist nur eine RoseDer Züchter darf selektieren und verwerfen, das Rosarium nicht? Soll das „Lebewesen“ Pflanze oder der Entwurf, die „Idee“ des Züchters erhalten bleiben? Was, wenn der Züchter diese Idee später selbst als Irrtum, Irrweg oder Fehlkreuzung erkannt hat?Was ist verwerflicher? Frostempfindliche Arten/Sorten als Kreuzungspartner zu benutzen (darf man sagen: missbrauchen?), um dann als Ergebnis permanent schwächelnde Nachkommen zu erhalten, die dann der Vergessenheit oder der Vernichtung anheimfallen oder ist es der widernatürliche menschliche Eingriff an sich, da die Natur diesen Kreuzungspartner aus naheliegenden Gründen ja nie gewählt hätte?Fragen über Fragen, die wieder neue Zweifel hervorrufen.Wir greifen in die Evolution ein durch Züchtungsmaßnahmen in rasender Folge, für die sich die Natur Jahrhunderte oder gar Jahrtausende Zeit lässt. Rosenzüchter kreieren folglich ein reines Kunstprodukt. Dann darf man aber auch nicht an dem Entscheidungsrecht zweifeln, welche Kreuzung überleben soll. Wenn jemand dagegen ethische Bedenken hat, müssten sich diese in erster Linie gegen den Züchter der Rosen richten. Von der Rose auf andere Selektionsgefahren zu schließen mit den unerträglichen Erinnerungen an unsere grauenhafte Historie, erscheint mir unangebracht, ja sogar polemisch. Im Bereich der Tier- und Pflanzenzüchtungen wird seit Menschengedenken ständig selektiert. Bewusst oder durch Unterlassung. Wenn nicht durch den Menschen unmittelbar selbst, dann durch die Natur, an die wir die Vernichtungsarbeit delegieren. Andernfalls hätte die Erde wohl auch eine unerträgliche Last zu tragen. Da Zierrosen lediglich die „Idee“ einer Rose sind, also das Ergebnis einer Vernunfthandlung, eines primär wirtschaftlichen Kalküls, muss es auch Sammlern oder Institutionen erlaubt sein, darüber zu befinden, welche dieser Pflanzen weiter erhalten und gepflegt werden sollen und welche verzichtbar sind. Ein Rosarium, so es nicht rein privat betrieben wird, ist allein schon aus Ressourcegründen gezwungen, Prioritäten setzen und Auswahlkriterien festsetzen. Der private Sammler wird diese Notsituation viel früher erfahren. Dass derartigen Selektionsentscheidungen leicht etwas Dubioses anhaftet, liegt in der Natur der Sache, zumal Partikulärinteressen nicht auszuschließen sind. Allein schon die Tatsache, dass es wohl weltumspannende Rosenorganisationen gibt, quasi als „Moralische Instanz“, lässt mich frieren. Ein berühmter und berüchtigter Literaturkritiker hatte einen Kanon der unbedingt lesensnotwendigen Werke aufgestellt. Alles Kanonische oder Kanonisierende ist mir suspekt. Dennoch akzeptiere ich (notgedrungen) derartige Auswahlverfahren als eine mögliche Basis für eine Wissenseffizienz. Die neuere Generation liest kaum noch. Für einen Homme de Lettres oder einen privaten Rosensammler werden andere Gesetze gelten.Alles bewahren zu wollen ist eine Form des Historismus, die Vergangenes überbewertet. Wie jeder andere auch empfinde ich Trauer, wenn etwas Gewohntes, Liebgewonnenes oder einfach etwas Schönes als unwiederbringlich verloren gelten muss. Das gilt für Landschaften und Gebäude, für Städte, Sitten und Gebräuche, für Geschichten und Anekdoten, für Tiere und für Pflanzen und selbstverständlich auch für Rosen. Man verzeihe mir in dieser Aufzählung die Aussparung des Menschen. Aber eine Verquickung beider Themen lehne ich ab.Wir treffen in den unterschiedlichsten Bereichen auf den Wunsch, zu konservieren, durch besondere Pflege etwas erhalten zu wollen. Diese Neigung ist im Prinzip zu bejahen. Wir und unsere Umwelt sind nicht wurzellos und es tut gut, sich dieser Wurzeln zu erinnern und diese, so es geht, sichtbar zu machen. Doch alles ist eben nicht möglich. Konsequent betrachtet dürfte es die heutige Stadt Köln nicht geben, aus Rücksichtnahme auf die Bauwerke/Ruinen der römischen Zeit. Sensible Archäologen lehnen es ab, Ruinen wieder zusammenzusetzen. Wir sind heilfroh, dass bestimmte Virenstämme als ausgerottet gelten. Nicht alle Tierrassen, die im Laufe der Menschheitsgeschichte gezüchtet wurden, ließen oder lassen sich aus Vernunftgründen weiter erhalten. Nicht alle Pflanzen, die durch menschliches Zutun entstanden sind, sind eine sinnvolle oder akzeptable Ergänzung der Natur. Und nicht alle Erfindungen müssen für die Nachwelt bewahrt werden. Eine Rosenzüchtung – ob neu oder alt und obwohl jeweils ein Unikat – hat keinen größeren historischen Wert, als manch andere Handwerksleistung auch, die auf recht simplen Fertigkeiten beruht. Im Gegenteil: Das Züchten von Pflanzen erfordert im Vergleich zu vielen anderen Handwerksdisziplinen, denen man aufgrund ihres künstlerischen oder ingeniösen Impetus historische Dimensionen beimisst, relativ geringe Fähigkeiten. Wer Rosen einen „historischen“ Status im Sinne einer Bedeutsamkeit für unsere Geschichte einräumt, hebt sie auf ein emotionales Podest, wo sie meiner Ansicht nach nicht hingehören. Rosen haben zweifellos Geschichten geschrieben, aber keine Geschichte. Wie anders dagegen die Gewürze! Alle Zierpflanzen sind ein Bestandteil unserer Kultur, aber lediglich als schmückendes Beiwerk und – auch das sollte uns erinnerlich sein – viele Sorten über lange Zeit nur für privilegierte Bevölkerungsschichten.Ein weiterer Aspekt sollte nicht undiskutiert bleiben. Rosen und andere Zierpflanzen wurden und werden allein (von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen) aus Erwerbsgründen und jeweiligen modischen Trends folgend gezüchtet. Wie bereits in diesem Forum erwähnt, kommen auf eine marktfähige Rose unzählige Verworfene, die auf dem Kompost oder im Häcksler landen. Es besteht also auch aus dieser Perspektive absolut kein Anlass, sentimental auf das Verschwinden einer Rosensorte zu reagieren. Sofern es sich um eine „historische“ = alte Sorte handelt, mag das zwar den Grad der Sentimentalität erhöhen, ändert aber nichts an der Legitimation, die Sorte (aus-)sterben zu lassen, so wie der Züchter sich legitimiert sah, seine Kreationen in den Verkehr zu bringen oder ihre Vorläufer zu vernichten. Wer sich für den Erhalt von Zuchtpflanzen stark macht und eine konsequente Konservierung in Refugien fordert, müsste bereits den Züchtern in die Arme fallen, wenn diese vorselektieren.Die heutige Menschheit sieht sich nicht in der Lage, den natürlichen Arten ihre Überlebensnischen zu bieten. Es wäre auch schlicht unmöglich, da wir nicht auf alle Evolutionsfaktoren Einfluss nehmen können. Warum dann aber der Aufruf für ein „Kunstprodukt“? Warum dieser emotionale Aufruf für die Rose und nicht für eine komplette nationale Sammlung aller Margeritenzüchtungen von einst bis jetzt? Eher nein? Was aber ist mit Primeln? Eher ja? Oder wie steht es mit Erdbeersorten? Lieber nein? Veilchen dagegen lieber doch? Kartoffeln? Na, nicht so sehr? Bohnen? Uninteressant? Lavendel? Oh, ja? Die unzähligen Hauswurzsorten? Ach, lass mich doch in Ruhe! "Kein Mensch weiß, was wir in 20 Jahren brauchen" zitiere ich aus einem Greenpeace-Magazin, das sich mit dem Erhalt des genetischen Erbes alter Kulturpflanzen befasst. Hier regiert eindeutig das Utilitätsprinzip. Eine fast schon kalkulatorische und damit einleuchtende Argumentation. Aber ist dieses Prinzip von Nutzpflanzen auch 1:1 insbesondere auf stark modisch beeinflusste Zierpflanzen übertragbar? Lasst mich eine Vermutung in Frageform fassen: Wie wenig Bohnensorten der vergangenen Jahrhunderte stehen welcher Menge an Rosenzüchtungen der vergangenen 50 Jahre gegenüber?Ich habe nichts gegen Rosarien oder welche Pflanzensammlungen auch immer. Im Gegenteil, ich freue mich, dass es sie gibt und ich erfreue mich an ihnen. Aber ich wehre mich dagegen, diese Sammlungen mit einem „nationalen Aufruf“ zu verknüpfen und absolut wirkende Forderungen zu stellen. Alles Organische und Anorganische hat ein Recht darauf, eines Tages der Vergangenheit anzugehören. Ob wir es mit Gleichmut akzeptieren oder deshalb Trauer tragen, hängt ganz von den persönlichen Beziehungen zu dem Vergangenen ab. Wir wären Traumtänzer, wenn wir auch nur den Versuch wagen würden, sämtliche aufgezeichneten Rosensorten in einem oder mehreren Rosarium/en zu sammeln. Dem stehen ökonomische, ökologische und klimatische Gegebenheiten entgegen. Aus meiner Sicht ist es absolut nicht zu verurteilen, wenn sich Rosarien nach der Decke strecken oder Aktionsschwerpunkte festlegen und danach selektieren, ablehnen oder ausgrenzen. Eine Züchterrose ist nur eine Züchterrose und stets das unzureichende Abbild eines göttlichen Wurfs.Liebe GrüßeHortu
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #46 am:

"Alles Organische und Anorganische hat ein Recht darauf, eines Tages der Vergangenheit anzugehören"- Wegen dieses interessanten Argumentes hatte ich Hortulanus gebeten, dieses Posting hier noch einmal zu veröffentlichen. Das finde ich fair und mutig und möchte ihm deshalb dafür danken :)Ein philosophischer Blickwinkel, der mir völlig neu ist, das Postulat auf "das Recht, der Vergangenheit anzugehören".Der Vergangenheit gehört eines Tages sowieso alles an, was wir kennen: Die Sonne, die Erde, vielleicht sogar das Universum.Dafür braucht eigentlich nichts und niemand sonderlich zu kämpfen oder sich anzustrengen.Ein Recht ist ja eigentlich etwas, das einem nicht automatisch zufällt, sondern etwas, das eingefordert oder erkämpft werden muß.Der Antipode von "Recht" ist "Pflicht". Gibt es aber eine Pflicht zur ewigen Weiterexistenz von Lebewesen, Planeten, Sonnensystemen?Wenn es sie gibt, wer legt sie den Dingen auf?Wie werden etwaige Verstöße gegen diese Pflicht geahndet und von wem? - Ein interessanter Gedanke...Was mir am Postulat "des Rechtes auf Vergänglichkeit" fragwürdig erscheint, ist, daß es mit dem kollidiert, was wir "Lebenstrieb" oder "Überlebenstrieb" nennen.Natürlich gibt es auch da Ausnahmen: Sehr kranke, leidende Menschen z.B., manchmal auch depressive Menschen, ja ab und zu sogar sehr traurige Tiere. Lebewesen, die über ein erträgliches Maß hinaus leiden, fordern, sofern sie dazu in der Lage sind, für sich dieses "Recht, der Vergangenheit anzugehören" ein und vielleicht wäre es sogar in dem einen oder anderen Fall gerechtfertigt.Aber der größte Teil der Organismen kämpft für "das Recht, der Zukunft anzugehören" und gibt sein Letztes, noch eine weitere Stunde, einen weiteren Tag, eine weitere Generation am Leben zu bleiben,klammert sich mit Fühlern, Tentakeln, Wurzeln und Krallen an´s letzte bißchen Leben, das ihm noch bleibt.Darum behaupte ich, daß eine Rose, die neue Triebe bildet, egal, unter welch ungünstigen Voraussetzungen sie das tut, diese Anstrengung nicht unternimmt, um damit ihr "Recht darauf, der Vergangenheit anzugehören" einzufordern, sondern um damit Sonnenstrahlen einzufangen, die ihr Energie für das Weiterleben geben sollen.
Günther

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Günther » Antwort #47 am:

Das Argument hat schon der Geheimrat Goethe gebraucht:"Denn alles alles, was besteht, ist wert, daß es zugrunde geht. "Er hat es Mephistopheles in den Mund gelegt...
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #48 am:

Raphaela hat natürlich völlig Recht.Nur dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass es ich bei willentlich gekreuzten und geklonten Pflanzen um recht willkürliche Existenzen handelt.Noch einmal: Es sind in meinen Augen handwerkliche "Kunst"produkte, die bereits selektiv in den Handel gegeben werden und die in Rosarien künstlich am Leben erhalten werden sollen, weil die Natur selbst sie sonst sterben lassen würde. Den Bogen zum Menschen habe ich bewusst außen vor gelassen. Es könnten aber sehr interessante und sehr unbequeme Parallelen gezogen werden.Die Rolle des gefallenen Engels übernehme ich dabei gerne. Frei: „Von Zeit zu Zeit hör’ ich den Alten gern“ ;)Liebe GrüßeHortu
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subrosa
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

subrosa » Antwort #49 am:

Super Beitrag zu diesem Thema von Hortulanus! :) Da bleibt mir auch gar nicht viel dazu zu sagen, nur soviel: auf diesem Niveau wünsche ich mir solche Diskussionen! Dagegen verzichte ich gerne auf die teilweise überhitzten und polemischen Äußerungen, auch gegenüber Diskussions-Teilnehmern, die davor gefallen sind. >:(GrußAlois
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #50 am:

Ich tendiere immer eher dazu, das, was leben will, auch leben zu lassen.Mir ist Kant eben näher als Nietzsche und Goethe soll ja oft böse Gicht-Anfälle gehabt haben, das erklärt einiges ;)
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #51 am:

Diese Bemerkung von Raphaela beinhaltet die infame Unterstellung, ich würde eher zum Töten als zum Lebenlassen tendieren. Ich hoffe, dass dieses Niveau bisher kein ernsthafter Diskussionsgegenstand gewesen ist.Wenn es um die ethische Frage des Lebenlassens geht oder gar des werten und unwerten Lebens, dann müsste Raphaela den Züchtern das Züchten verbieten. Aber vermutlich ist auch sie an neuen, schöneren und widerstandsfähigeren Rosensorten interessiert.Liebe GrüßeHortu
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Silvia
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Silvia » Antwort #52 am:

Hallo Hortulanus,so ist das jetzt bei mir nicht angekommen. Ich hatte es eher so verstanden, dass es um das Recht am Leben und auch um das selbstbestimmte Vergehen wollen geht.Ob man das jetzt für Rosen so formulieren kann, weiß ich nicht. Die Rosen können ja nicht für sich selber sprechen. Das machen andere. Und da ist die Frage: Haben sie das Recht dazu? Also, mich stört es auch, das sich einfach eine Kommission bildet, die sagt, wir bestimmen das jetzt. Das schreit ja geradezu nach Widerspruch. Sowas kann ein/e engagierte/r Rosenliebhaber/in nicht aushalten. ;)Da erinnert mich nebenbei an den Mann und mittlerweile Milliardär, der die Mondgrundstücke verkauft, weil ihm irgendein amerikanischer Verwaltungsbeamter das Recht am Mond zugesprochen hat. ::)Liebe GrüßeSilvia
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #53 am:

Silvia, diese Mondgeschichte ist doch wohl hoffentlich nicht wahr, oder? ???Ansonsten hatte ich es genau so gemeint, wie Silvia es verstanden hat. Mit einem Unterschied: Ich finde schon, daß Rosen zum Ausdruck bringen können, ob sie lieber der Vergangenheit angehören möchten oder der Zukunft: Wenn sie austreiben, dann wählen sie m.E. die Zukunft :)Vielleicht hab ich das ja falsch verstanden, aber unter "der Vergangenheit angehören" habe ich an "tot sein" gedacht?Das Gegenteil von "tot sein" ist aber "nicht tot sein" oder auch "leben".Rosen sind eindeutig organisch. Bei Organischem gibt es die beiden Zustandsbeschreibungen "tot" (Vergangenheit) und "nicht tot" (Zukunft).Jemanden zu einem Recht verhelfen, könnte bedeuten: Ihm zu einem gewünschten Zustand verhelfen.Rosen, die aus der Erde genommen werden, ohne wieder eingepflanzt zu werden, sind gemeinhin irgendwann tot (gehören der Vergangenheit an).Solchen hätte man dann zu ihrem Recht verholfen, der Vergangenheit anzugehören, oder nicht? ;-)Läßt man sie im Boden, haben sie sowas wie eine Zukunft, bleiben alsolebendig. - Ich glaube kaum, daß sie auf diese Rechteverweigerung mit Protest reagieren würden ;)
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Nina
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Nina » Antwort #54 am:

Silvia, diese Mondgeschichte ist doch wohl hoffentlich nicht wahr, oder? ???
Leider ja... >:(http://www.mondmakler.de/
callis

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

callis » Antwort #55 am:

Eigentlich wollte ich mich gar nicht an dieser Diskussion beteiligen. Aber nachdem Hortulanus mit seinen ausgezeichneten Überlegungen die Rosenerhaltungsdiskussion mehr ins Allgemeine gewendet hat, möchte ich doch noch eine Anmerkung machen.Zwei Zitate sind's, die mich (auch als Züchterin - nicht von Rosen)nachdenklich machen.
Eine Züchterrose ist nur eine Züchterrose und stets das unzureichende Abbild eines göttlichen Wurfs.
Soll das heißen, dass jede Spezies einen 'göttlicher Wurf' und jede Weiterzüchtung daran eine künstliche Verhunzung desselben darstellt?Man vergesse ganz neutestamentarisch nicht, dass Jesus einmal drei Menschen Talente (ja, ich weiß, Geldstücke; aber die Doppelbedeutung macht sich hier im Deutschen sehr gut) austeilte, und als er später wiederkam um zu sehen, was sie damit gemacht hätten, sehr verärgert über denjenigen war, der sein Talent vergraben und nicht damit gewuchert hatte. Will sagen, man soll auch mit den Begabungen, die man hat - und sei's zum Rosenzüchten - wuchern. Sicher gibt es Züchter, die an die kommerzielle Auswertung ihrer Züchtungen denken. Aber am Anfang jedes Züchtens (wie jeder anderen geistigen und/oder praktischen schöpferischen Tätigkeit) steht doch wohl die Neugier und das Bedürfnis, etwas Neues zu schaffen. Dass nun aber jedes Produkt dieses Bemühens - auch wenn registriert, patentiert, gedruckt, industriell gefertigt oder was immer -bis ans Ende der Menschheit konserviert werden sollte, halte ich persönlich für absolut übertrieben, selbst wenn es machbar wäre.Zurück zum Garten: Das andere Zitat:
Wenn es um die ethische Frage des Lebenlassens geht oder gar des werten und unwerten Lebens...
Hier kommen wir ganz schnell an den heuchlerischen Punkt. Rosen ja, leben lassen, alle. Und sicher noch eine ganze Reihe von Zier- und Nutzpflanzen. Aber was ist mit den 'Wildkräutern', wie der Name schon sagt, alle züchterisch unbearbeitet, alles 'göttliche Würfe' ::),und doch nicht lebenswert??? Oder lassen wir sie etwa alle in unseren Gärten beliebig wachsen, wenn sie schon gekeimt haben? Oder sind wir ganz 'human' und mulchen den Boden, damit sie gar nicht erst keimen können oder im Keim ersticken???Wird hier nicht 'selektiert nach wertem und unwertem Leben'? Die Anwendung dieser Formulierung fällt mir auch nach Jahrzehnten noch schwer, da sie sich damals auf Menschen bezogen hat. Aber, Hand aufs Herz, wer verfährt mit den Pflanzen (und Tieren) in seinem Garten nicht so? Und ob man da ethisch formuliert (wert/unwert) oder ästhetisch (schön/hässlich) oder utilitaristisch (brauchbar/unbrauchbar; nützlich/schädlich)) macht da überhaupt keinen Unterschied. Die Konsequenzen für die Pflanzen (und Tiere) sind dieselben.So lange wir der Natur gestaltete 'Kulturflächen' abringen, ist das mit Selektion verbunden.
Günther

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Günther » Antwort #56 am:

Ganz korrekt: Er hat ein Gleichnis ungefähr dieses Inhalts erzählt. Wahrscheinlich hat er Zeit seinesLebens nie ein ganzes Talent (monetär...) besessen...Und: Irgendwo im Hintergrund schwingt das alte "zurück zur Natur" mit, mit einer mystisch-mythischen realitätsfernen Idee von "Natur". Wie hieß es dazu: man sehnt sich richtig, wieder mal auf allen Vieren zu laufen.Trotzdem, eine obskure Kommission, die irgendwelche Rosen nach noch obskureren Kriterien mit dem Bannstrahl trifft/treffen will - NEIN!!!
Hortulanus

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Hortulanus » Antwort #57 am:

Callis,ich wollte mit dem Satz "Eine Zierrose..." lediglich zum Ausdruck bringen, dass wir mit den Züchtertätigkeiten ein Ideal anstreben, dass es möglicherweise gar nicht gibt und das wir auch nie erreichen werden. Die Züchtungen werden immer in irgendeiner Form unzureichend sein. Die "natürliche" Rose ist es ebenso, aber sie symbolisiert den derzeitigen Stand des Evolutionsprozesses, des "göttlichen Wurfs". Das Maß ist nicht die Wildrose, sondern eine wie immer auch ausgestaltetes, oft besungenes Ideal.Wichtiger aber ist mir der "heuchlerische Aspekt". Du hast es sehr genau auf den Punkt gebracht. Die Befürworter des Lebens (damit meine ich nicht notwendigerweise Raphaela, zumal ich sie auch nicht kenne), befürworten oft recht selektiv. In dieser konkreten Diskussion akzeptieren sie die Vernichtung vieler unzureichenden Sämlinge/Veredelungen, wollen aber das, was der Züchter (oder das Modeempfinden des Käuferpublikums) als verkaufenswert bezeichnet hat auf immer und ewig konservieren. Und wie ich schon andeutete: Natürlich in erster Linie die Rose. Wühlmaus und Giersch rangieren in einer anderen Werteskala.Deshalb ist Dein Vergleich mit Unkräutern völlig richtig . Er ließe sich bedenkenlos erweitern. Ich gehe mal davon aus, dass diese Idealisten keine Zeitung lesen (Papier...) und auch keine Lederschuhe tragen.Die Rose genießt eine Verehrung, die recht seltsam anmutet, aber kulturhistorisch erklärbar ist. Der hier offenkundig gewordene Richtungsstreit offenbart auf beiden Seiten Zeloten, wie sie wohl bei keiner anderen Kulturpflanze auftreten. Die Vehemenz, mit der Günther die "Selektierer" ablehnt, sollte deshalb auch auf die Fraktion der angeblichen Befürworter des "Lebenlassens" angewandt werden. Irgendwo muss es doch einen begehbaren Mittelweg geben. Oder ist es nur ein Krieg gegen/um Personen? Dann allerdings bin ich auf der falschen Veranstaltung.Liebe GrüßeHortu
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Susanne
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Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Susanne » Antwort #58 am:

Ich denke, jeder hat sein Lieblingsding, von dem er so viel wie möglich haben und erhalten will, im eigenen Leben wie auf der großen Bühne. Dazu schließt man sich mit Gleichgesinnten zusammen und schafft bisweilen etwas, was groß und prächtig ist und der Gemeinschaft über das kleine Eigene hinaus dient. Zum Beispiel ein Rosarium.So ein Verhalten ist normal und menschlich, und es ist auch normal und menschlich, daß so eine Vorliebe zu einer Sucht wachsen kann, die den Blick für die ökologische Gesamtheit zumindest zeitweise trübt. Wenn ich richtig verstehe, gibt es also Leute, deren Lieblingsding das Regulieren ist. Dagegen habe ich auch nichts, solange sie dabei etwas schaffen, was groß und prächtig ist und der Gemeinschaft dient.Wohl habe ich was dagegen, wenn so ein Regulierungswerk nur mit dem Zweck entsteht, andere Werke zu reduzieren. Das dient nicht der Gemeinschaft, denn ob nun Rose X oder Rose Y in dem Rosarium steht, ist von geringer Bedeutung.Was genau soll denn diese Kommission feststellen? Die Gartenwürdigkeit von Sorte X? Die Rosariumswürdigkeit von Sorte Y? Die Vermehrungswürdigkeit von Sorte Z? Welchen Segen verspricht man sich auf lange Zeit davon? Braucht man für diese Entscheidungen eine EU-Kommission?Was ist das - eine EU-ABM? Rausgeschmissene Steuergelder?Ich weiß nicht, wer gesagt hat, daß man keine Gesetze erlassen sollte, die sich in der Realität nicht kontrollieren lassen, aber es ist ein guter Spruch.Die EU-Regulierungsversuche bei Saatgut haben dazu geführt, daß sich erstmals Länder auf ihre überlieferten Sorten besonnen haben. Nur als Beispiel: Griechenland hat seine großen weißen Bohnen "Gigantes" als "Nationales Erbe" schützen lassen.Erst die im Prinzip idiotische EU-Regulierung hat bewirkt, daß sich Vereine wie Arche Noah oder die Henry Doubleday Research Association auf breiter Basis etablieren konnten, und daß sich selbst regionale Saatguthändler heute mit einem Angebot präsentieren, daß wir vor zehn Jahren noch mühsam aus allen Ecken der Welt zusammenkratzen mußten.Das gibt Hoffnung. Auch diesmal wird sich die EU wieder selbst ans Bein pinkeln. Vielleicht wird's ein paar Rosen weniger geben, aber insgesamt würden historische Rosen wahrscheinlich einen gewaltigen Schub in allen gärtnerischen Bereichen erfahren.Nur zum Erhalt der Blattläuse wird mal wieder nichts getan. Ich fordere eine Kommission...
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.
Raphaela

Re:Brauchen wir die großen Rosen-Sammlungen?

Raphaela » Antwort #59 am:

"Daß wir ein Ideal anstreben, daß es gar nicht gibt" - Das sehe ich anders, Hortulanus: Es gibt nicht nur ein Ideal, sondern tausende,sie stehen zum Betrachten, Vergleichen und Bewundern in Rosarienund lassen manche Menschen von einer Verzückung in die nächste fallen und sich wünschen, die Aufnahmekapazität ihrer Sinne wäre noch um einiges größer, um soviel, jeweils einzigartige, Schönheit und soviele unterschiedliche Duftnuancen noch besser begreifen und verinnerlichen zu können :)Wahrscheinlich ist es für jemanden, der nicht den Rosen verfallen ist (ja, Susanne, es ist wirklich eine Sucht ;)), nicht möglich, die unendliche Freude, den Rausch, das immer wieder neue, staunende Entdecken von weiteren Variationen von Duft, Farbe und Ausstrahung nach zu empfinden, das wirkliche Rosenliebhaber an Orten wie Sangerhausen u.a. empfinden.Ich kann mir gut vorstellen, daß sich Briefmarkensammler auf internationalen Briefmarkenmessen, Liebhaber ägyptischer Artefakte in den entsprechenden Museen oder Bewunderer bestimmter Kunstrichtungen in Kunstmuseen ähnlich fühlen.Mit der Begründung, auch die perfekte Briefmarke, das perfekte Artefakt oder das perfekte Kunstwerk sei immer nur eine Annäherung an ein nicht verwirklichtes Ideal könnte man auch verlangen, daß die Hälfte aller dieser Dinge aussortiert wird.Dabei ist das Ideal doch eigentlich die Vielfalt, die mannigfachen Variationen von Schönheit, Form, Farben (im Fall von Rosen kommt ja auch noch der Duft dazu), die aufeinander Bezug nehmen, voneinander inspiriert sind (bzw. abstammen), einander in Abwandlungen spiegeln, Einzelthemen aufnehmen und abändern und jedes auf seine einzigartige Weise Freude transportieren und Inspiration vermitteln."Die Rose" als Abstractum gibt es genauso wenig wie "die Briefmarke" oder "das Kunstwerk". Man nimmt den Einzelerscheinungen damit ihren eigenen Inhalt, ihren Kontext und ihre Seele und degradiert sie zum Klischee. Klischees sind im praktischen Leben oft nötig und wichtig, zum Beispiel beim Lesenlernen und in anderen vereinfachenden Kommunikationsprozessen. Sie haben von daher ihre Berechtigung.Ein gehenddes Männchen auf einer Ampel ist z.B. ein Klischee, das eine vereinfachte Botschaft enthält. Ein nützliches Symbol. Aber eben nur ein Symbol ohne tieferen Inhalt. Dergleichen gibt es auch bei "den Rosen": Ein Symbol, das im Blütenaufbau und in der Art der Abstraktion auch gewisse Moden wiederspiegelt.Aber solche vereinfachten Symbole können niemals die ganze Vielfalt oder auch nur die charakteristischen Merkmale éiner Einzelerscheinung darstellen.Für Außenstehende ist eine Briefmarke eine Briefmarke und eine Rose eine Rose, für Liebhaber, die die Tür mit dem entsprechenden Symbol darauf durchschreiten, eröffnet sich aber ein ganzer Kosmos von Verschiedenheiten, Faszinationen und Freuden.Menschen, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigen, haben kein abstraktes Gesamt- Ideal mehr von der Beschaffenheit des Gegenstandes ihrer Betrachtungen, sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, möglichst viel von der Gesamtheit der Verschiedenheiten mit ihren Sinnen aufzunehmen und allen Verschiedenheiten die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
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