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Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung (Gelesen 5836 mal)
- Zwiebeltom
- Beiträge: 6784
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Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Ich habe das Thema bei der Botanik eröffnet, weil es mir nicht um die Nutzung vegetativer Vermehrungsmöglichkeiten geht. Interessant zu wissen finde ich, ob es eine wissenschaftliche Erklärung gibt, warum diese Möglichkeit im Pflanzenreich extrem ungleich ausgeprägt ist?Die Vermehrung durch Stecklinge ist weit verbreitet und mit Hilfsmitteln (Abmoosen, Bewurzelungshormone, Bodenwärme, gespannte Luft) lassen sich sehr viele Pflanzen bewurzeln. In einigen Pflanzenfamilien lässt sich aus nahezu jedem Fitzelchen eine neue Pflanze ziehen, selbst aus einzelnen Blättern oder gar Blattstücken. Beispiele hierfür sind die Crassulaceae (Blätter von Sedum, Echeveria), Gesneriaceae (Blätter oder Blattstücke von Streptocarpus, Saintpaulia), Araceae (Blattstecklinge von Amorphophallus, Zamioculcas) oder verschiedene Gräser (Blattschöpfe von Cyperus, Zuckerrohr). Auch viele Knollen und Zwiebeln sind extrem regenerationsfähig und können aus Teilstücken wieder neue Pflanzen bilden.Das Gegenstück stellen anderen Pflanzenfamilien und Gattungen dar, bei denen zwar vegetative Vermehrung durch Ausläufer oder Kindel erfolgt, eine Stecklingsvermehrung jedoch ausscheidet, so etwa bei den meisten Palmen oder fast allen Bromeliengewächsen.
Das Leben ist kein Ponyschlecken.
Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Gegenfrage: Was stellt du dir unter einer "biologischen Begründung" vor?
- Zwiebeltom
- Beiträge: 6784
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Ganz laienhaft ausgedrückt, eine Erklärung warum die Fähigkeit zur Regeneration (aus Pflanzenteilen wieder eine komplette Pflanze bilden können) so extrem ungleich vorhanden ist. Nach meinem Wissen von Systematik bei Pflanzen scheint diese Fähigkeit nicht unbedingt mit dem evolutionären Entwicklungsgrad zusammen zu hängen. Soweit ich mich an meinen Biologierunterricht erinnern kann, beststeht ein solcher Zusammenhang bei Tieren durchaus. Süßwasserpolypen können auch zerschnitten aus jedem Stück einen neuen Polypen bilden, andere Wirbellose zumindest verlorene Extremitäten neu bilden, während Wirbeltiere dazu kaum oder gar nicht in der Lage sind.
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
"Niedere" Lebewesen, ob Pflanze oder Tier, können zu erheblich größeren Regenerationsleistungen fähig sein als "höhere".Aber generell ist die Fähigkeit zur "Wiederherstellung" gar nicht so ausgeprägt, wie es vielleicht zunächst scheint:Schwämme und Polypen können das ziemlich gut, bei Quallen ist das schon nicht mehr so ausgeprägt. Unter den Mollusken können Tintenfische Arme ersetzen, bei den anderen Mollusken sieht es wiederum schon schlechter aus.Was Würmer angeht (ohne jetzt näher auf die Systematik einzugehen): Fadenwürmer (Nematoden) haben eine Zellkonstanz, mit Regeneration ist da nicht viel. Regenwürmer ersetzen bekanntermaßen das fehlende Hinterende, wenn nicht zu viele Segmente fehlen.Bei Insekten sieht es, jedenfalls bei erwachsenen Tieren, auch recht trübe aus. Was weg ist, ist weg.Und bei den Wirbeltieren sind es vor allem Amphibien (z.B. Axolotl), in Grenzen auch manche Reptilien, die einige Körperteile ersetzen können.Im Pflanzenreich sind vor allem Algen und Moose zu erheblichen Regenerationsleistungen fähig.Bei Gefäßpflanzen nimmt diese Fähigkeit dann deutlich ab.Prinzipiell, denke ich, sind es mehrere Faktoren, die man da berücksichtigen muss: Zum einen kann es in bestimmten Lebensräumen die Ausbreitung der Pflanze fördern, wenn sie sich vegetativ verbreiten kann. Man denke an Gehölze und Stauden, die mittels Ausläufern rasch freie Flächen erobern können, aber auch an Sukkulenten, die sich auf diese Weise einen Startvorteil verschaffen, wenn sich abgetrennte Pflanzenteile zu ganzen Pflanzen entwickeln.Sich über Ausläufer, Stockausschläge oder Schleppen regenerieren zu können ist bei Blütenpflanzen wohl eher die Regel als die Ausnahme.Zum anderen muss natürlich das genetische Programm dazu vorhanden sein. Viele Palmen wachsen mit einem einzigen Vegetationskegel in die Höhe, es gibt aber keine schlafenden Augen wie bei anderen Blütenpflanzen. Stirbt der einzige Vegetationspunkt ab, wird kein neuer gebildet.
- Zwiebeltom
- Beiträge: 6784
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Vielen Dank schon mal :)Dass die vegetative Vermehrung durch Stecklinge oder Stammstücke möglich ist, leuchtet mir ein. Schließlich finden sich da (potentielle) Austriebspunkte. Aber dass aus Blättern oder sogar Blattstücken (Usambaraveilchen, Streptocarpus, Rex-Begonien, Sansevieria, Cyperus) neue Pflanzen entstehen können, finde ich schon ein kleines Wunder. Vor allem, warum diese enorme Regenerationsfähigkeit vergleichsweise selten ist und in der Natur vermutlich keine große praktische Bedeutung haben kann. Wann wird schon mal ein Blatt zerfetzt, kann danach aber in Ruhe austreiben und neue Pflanzen bilden?
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Ich kanns sicher nicht für alle aufdröseln, aber für Cyperus ist die Situation häufiger gegeben, daß die Pflanze umgetreten wird dabei auch Blätter abgetrennt werden und in dem Sumpfigen Biotop eine ausgezeichnete Ausbreitungsmöglichkeit dadurch entsteht (aus einem kleinen Horst wird dann fast sofort ein Riesenhorst, das macht diese Gräser so konkurrenzstark). Was durch das Wasser verbreitet wird erreicht dadurch sogar weiter entfernte Biotope. Im allgemeinen sind diese Gräser auch nicht besonders leicht zu verdauen. Außerdem kommt/kam in dem Lebensraum auch manches Großtier vor das nicht herbivor orientiert ist. Krokodile z. B. oder ein herbivorer der einfach durchrennt, auf der Flucht vor Feinden. Besonders sorgfältige esser sind sie meist auch nicht.Ich gehen davon aus das sich für alle ein Überlebensvorteil ergibt, wenn sie sich leicht vegetativ vermehren. Es muß ja nicht unbedingt so ablaufen wie wir das betreiben.
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Axel
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
ich glaube schon, dass das eine Rolle spielt. Ausbreitungsstrategien und die Wahl zwischen vegetativer oder generativer Vermehrung spiegeln die Standortbedingungen der Lebensräume wieder. Pflanzen, die auf das Potential aus Triebstücken weiter zu wachsen verzichtet haben und doch in ihrem Ökosystem nicht ausgestorben sind, die sparen sich ja was. Das kann dann als Investition in größere Resistenz gegenüber Verbiss, Feuer oder Frost verwendet werden.
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Viele Pflanzen, die natürlich auf "gestörten" Standorten vorkommen, haben einen Vorteil davon, aus abgerissenen oder verschütteten Pflanzenteilen wieder ganze Pflanzen treiben zu können.Ein gutes Beispiel sind Weiden - der Standort an Flussufern birgt die Gefahr, umgespült zu werden bei starken Hochwasserereignissen, oder es werden große Äste abgerissen und weggetrieben oder ganz viel Erdmaterial abgelagert und angespült.Dadurch, dass sich die Weiden aus Aststücken so gut regenerieren können, gehen sie mit den Gefahren ihres üblichen Standorts um.Bei Sukkulenten könnte ich mir auch gut vorstellen, dass es ein Schutz vor komplettem "Gefressenwerden" ist, dass Einzelteile oftmals so einfach abbrechen und dann aber als Stückchen auf der Erde wieder Wurzeln und neue Pflanzen bilden können.
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Ein Nachteil der vegetativen Vermehrung: es können große, genetisch einheitliche Bestände entstehen, die dann alle von der gleichen Krankheit dahin gerafft werden.Es hat schon einen Grund, daß die allermeisten Lebewesen auf die vergleichsweise aufwendige sexuelle Fortpflanzung nicht verzichtet haben.
Chlorophyllsüchtig
Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
::)Das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es gibt große gesunde Bestände erbgleicher Pflanzen an natürlichen Standorten. Es gibt alles Mögliche. Sexuelle Fortpflanzung hat evolutionsbiologisch gesehen andere Effekte. Hohe Rekombinationsraten, hohe Flexibilität bei veränderten Lebensbedingungen, differenziertere Eigenschaften und Überleben in schwierigen Lebensräumen und vor allem Schönheit!

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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
vegetative Fortpflanzung hat evolutionsbiologisch gesehen den Vorteil weniger Energie zu fressen und schneller zu gehen. Die Voraussetzung ist, dass die Umweltfaktoren sich nicht rasch verändern. Pflanzen, die an ihren Standorten weniger Stress ausgesetzt sind, auf lange Sicht ähnliche Umweltfaktoren antreffen, die sind mit der vegetativen Fortpflanzung erfolgreicher.
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Kann man nicht alle Pflanzen aus kleinen Stückchen (Zellen) vermehren, wenn die Umgebung dafür nur ideal genug ist?Stichwort: LaborvermehrungVielen Dank schon mal :)Dass die vegetative Vermehrung durch Stecklinge oder Stammstücke möglich ist, leuchtet mir ein. Schließlich finden sich da (potentielle) Austriebspunkte. Aber dass aus Blättern oder sogar Blattstücken (Usambaraveilchen, Streptocarpus, Rex-Begonien, Sansevieria, Cyperus) neue Pflanzen entstehen können, finde ich schon ein kleines Wunder. Vor allem, warum diese enorme Regenerationsfähigkeit vergleichsweise selten ist und in der Natur vermutlich keine große praktische Bedeutung haben kann. Wann wird schon mal ein Blatt zerfetzt, kann danach aber in Ruhe austreiben und neue Pflanzen bilden?
LG aus dem südlichen Main-Viereck
Mediterraneus
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Kann man. Und wo man noch nicht kann, liegt es wohl daran, dass man die genauen Bedingungen (noch) nicht kennt.Aber darum ging es Zwiebeltom wohl nicht.Die Frage nach der verblüffenden Regenerationsfähigkeit mancher Pflanzen: Offenbar fragst du dich nach dem Sinn, der dahintersteckt.Das ist eine falsche Fragestellung. Evolution hat keinen Sinn. Im konkreten Fall ist diese Fähigkeit zur Regeneration aus Blattteilen vermutlich bei einem Vorfahren der heutigen Pflanzen entstanden. Möglich, dass dieser auf die Weise einen Selektionsvorteil gegenüber anderen Pflanzen hatte. Z.B., wenn diese Pflanzen an Standorten wachsen, wo sie mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, oder dass sie von Tieren zerfressen werden.Im Falle von Cyperus hatte Axel das ja schon beschrieben, bei Weiden Gartenplaner. Aber bei heutigen Pflanzen auftretende Eigenschaften müssen nicht zwangsläufig mit einem Vorteil für diese verbunden sein. Vielleicht blieb eine solche Eigenschaft, die bei den Vorfahren vonnutzen war, im weiteren Verlauf der Evolution einfach bei einigen Nachkommen erhalten.
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Es gibt schon Gründe für unterschiedliche Vermehrungsarten. Für die vegetative Vermehrung bedarf es keines Geschlechtspartners, so können Pflanzen leichter in neue Lebensbereiche vordringen, z.B. nach Bränden. Dafür ist später aber ihre Anpassungsfähigkeit eingeschränkt, weil die sexuelle Vermehrung eine größere genetische Variabilität breitstellt.
Wer Rechtschreibefehler findet, darf sie gerne behalten.
- Cosmo Kramer
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Re:Vegetative Vermehrung von Pflanzen - biologische Begründung
Stimmt nicht immer, Nematoden z.B. haben ein schlechtes Regenerationsvermögen.Grund hierfür ist die Eutelie/Zellkonstanz....Ganz laienhaft ausgedrückt, eine Erklärung warum die Fähigkeit zur Regeneration (aus Pflanzenteilen wieder eine komplette Pflanze bilden können) so extrem ungleich vorhanden ist. Nach meinem Wissen von Systematik bei Pflanzen scheint diese Fähigkeit nicht unbedingt mit dem evolutionären Entwicklungsgrad zusammen zu hängen. Soweit ich mich an meinen Biologierunterricht erinnern kann, beststeht ein solcher Zusammenhang bei Tieren durchaus. Süßwasserpolypen können auch zerschnitten aus jedem Stück einen neuen Polypen bilden, andere Wirbellose zumindest verlorene Extremitäten neu bilden, während Wirbeltiere dazu kaum oder gar nicht in der Lage sind.