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Was vom Pferd (Gelesen 103968 mal)

Über Hund und Katz... und alle anderen Haus und Nutztiere

Moderator: Nina

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Tara
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #45 am:

Ich hatte vor dem Reiterpaß natürlich wieder schlaflose Nächte. Ich büffelte Theorie bis zum Umfallen. „Tara, Du machst den Reiterpaß und nicht die Prüfung zum Pferdewirt!“, stöhnte Birte, die ich unablässig löcherte. „Und Richter ist der Beneken. Das kann’s gar nicht geben, daß beim Beneken jemand den Reiterpaß nicht schafft!“Das ganze sollte auch noch in Schwarz-Weiß stattfinden. Schwarz-Weiß! Immerhin mußten wir uns nicht tatsächlich eine teure Reitjacke und weiße Hosen kaufen – graue Hosen, weiße Bluse, schwarze Wolljacke ging auch. Es waren 32 Grad. Wenigstens richtige Reitstiefel hatte ich inzwischen. Und ich hatte Galan, weil Birte mir ein zuverlässiges Pferd geben wollte. Ich habe Galan nie vorher und nie nachher geritten. Ein dunkler Brauner, den ich nicht mochte und der mich noch weniger mochte. Prima gelaufen. Heike hatte natürlich das Waldviech, der konnte gar nix passieren. Und Hans den Duplo.Der Richter, ein zierlicher älterer Herr, begrüßte uns auf der Wiese unten am Fluß. „Ach, diesmal haben wir ja eine altersmäßig gut gemischte Gruppe“, rief er händereibend. In der Tat: Wir waren dreizehn - zehn unter elf, dann wir: 35, 41, 45. 8) Die praktische Prüfung klappte ganz gut, obwohl Galan sich als etwas weniger zuverlässig beziehungsweise die gegenseitige Abneigung als stärker erwies, als Birte erwartet hatte. Und weil Beneken alle Augen zudrückte. Blaurot geschwitzt war ich hinterher trotzdem wieder mal. Und die Reitstiefel hatten mir die Kniekehlen wundgescheuert. Und ich bekam einen Anschiß von einem mir wildfremden Menschen: Es saß da auf einem dieser Regenschirmhocker ein sehr alter Herr. „Sie haben sich nicht vornübergeneigt!“, quengelte er. Der Greis sah aus, als sei er noch bei Caprilli selig in die Lehre gegangen. Ich schnaufte und sah ihn fragend an. Er deutete auf eine wirklich kaum erkennbare, also eigentlich wirklich nicht vorhandene winzige Bodenwelle: "Sie haben sich nicht vornübergeneigt!"Dann die Theorie. Absolut nichts von dem, was ich wochenlang gebüffelt hatte, wurde abgefragt. Dafür sollte ich die Teile des Sattels benennen. Das hatte ich gar nicht gelernt, das beherrschte ich ja seit Kindheitstagen: „Blatt, Vorderzwiesel, Hinterzwiesel…“ begann ich selbstbewußt.„Ja, so haben wir früher mal dazu gesagt“, meinte Beneken, und als ich noch verzweifelt überlegte, piepte schon die neunjährige Janine dazwischen, das blöde Gör: „Sattelkammer, Sattelkranz!“ ;D
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Tara
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #46 am:

Ach, der Herr Beneken! Ich sollte ihn noch oft in Aktion sehen. Er war ein bekannter Pferdemann, der weit und breit große Achtung genoß. Bei unseren Prüfungen richtete er regelmäßig.Wobei er gerne die üppige Helene Mahlberg mit ihrem Mordstrumm von Faustus plazierte, vielleicht wirklich einen Tick öfter, als es der Mahlberg zukam. Man war nicht immer Benekens Ansicht, daß es wirklich zum Treppchen gereicht hatte. Doch diese Plazierungen hatten einen handfesten Grund: Faustus konnte geradezu schweinisch buckeln, und das tat er regelmäßig, wenn applaudiert wurde – also bei jeder Ehrenrunde. Und dann fiel die füllige Lene oft runter, und dann platzte vielleicht das eine oder andere Knöpfchen vom Frack, oder zu Benekens großer und gar nicht klammheimlicher Freude sogar manchmal die eine oder andere Naht... Beneken konnte die Ehrenrunden kaum erwarten!Ganz schlimm wurde es, wenn neben Ulrich Beneken noch der H. richtete. Die beiden verstanden sich in mehr als einer Hinsicht; wenn sie in der Pause im Reiterstübchen hockten, war Anne noch nicht wieder an der Theke, da kam schon die nächste Bestellung, so daß sie das Pils für die Herren Richter schließlich nur noch in Halbliter-Gläsern servierte, um nicht ganz außer Puste zu kommen...Geritten wird bei jedem Wetter. Gerichtet also auch. Und Beneken war, abgesehen von der kleinen Vorliebe für die Mahlberg, Richter durch und durch. Da soff einmal ein kleines Turnier, bei dem er richtete, regelrecht ab. Es war auf dem Platz kaum noch ein Durchkommen. Mein Zeuge schwor, den Ulrich Beneken dort gesehen zu haben: Melone auf dem Haupte, Gummistiefel an den Füßen, Knie an den Leib gezogen - in einem knallroten Kinder-Schlauchboot…
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Irisfool

Re:Was vom Pferd

Irisfool » Antwort #47 am:

Tara, ich geniesse diese Episoden sehr! 8) Du Glückliche, du durftest reiten!!! Mein Grossvater war Hu-f und Wagenschmied und hatte eine grosse Schmiede,da kamen regelmässig die Tiere von der Reitschule zum beschlagen und ich mit der Nase ganz vorne. Von Opa ein ehemaliger Offizier beim Ulanen Regiment, hätte ich direkt ein Pferd bekommen. Scheunen uns Stallungen genug um's Haus. Papa hatte es streng untersagt, der sah mein bisschen Hirn schon auf dem Asphalt kleben. :'( :'( :'( Dafür fehlte nach jedem Beschlagtag der gesammte Würfelzuckervorrat meiner Oma ;D ;D ;D
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Tara
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #48 am:

Danke, Irisfool - das freut mich, wenn die Geschichten ein paar von Euch Spaß machen. :)Um Deinen Großpapa beneide ich Dich! Und den Würfelzucker hatte ich von meinem Papa, der im Außendienst arbeitete und von allen Gaststätten die Zuckerchen für mich nach Hause brachte. ;) Ich hatte immer welchen in den Hosentaschen - für alle Fälle!
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Re:Was vom Pferd

Irisfool » Antwort #49 am:

Tja, mein Grossvater war ein Original und weit über die Vorstadtgrenzen bekannt ;D ;D ;D ;D ;)
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Tara
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #50 am:

Das ist ein guter Schmied immer, und wenn er dann noch dazu selbst ein Pferdemensch und ein Original ist... ;)
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #51 am:

Als ich mich das erste Mal für den Springplatz des Vereins interessierte, fiel mir auf, daß es keine Mauer gab. Die rotweiße Mauer hatte mir als Kind immer am besten gefallen. Hier fehlte sie. Anne klärte mich auf: Der Verein hatte tatsächlich mal eine Mauer gehabt, natürlich. Und zwar war das die Werner Fuchs-Gedächtnismauer. Werner nämlich, eigentlich ein recht guter Reiter, schaffte die Mauer nie! Wirklich nie. Egal, wo sie stand, egal, wie niedrig aufgebaut: Werner flog. Immer fiel er runter! "Du machst Dir keine Vorstellung", so Anne, "der Mann kann was. Der springt Dir jeden Doppeloxer und das Billard ohne hinzusehen. Der Werner ist einfach verhext!" Er sprang allerlei Mauern auf Turnieren auswärts - kein Problem. Aber er schaffte es tatsächlich in seinem ganzen langen Reiterleben nicht ein einziges Mal über diese Mauer auf dem eigenen Platz. Das war wie ein Naturgesetz. Viele Runden hatte Fuchs damals an seine hämischen Zuschauer auszugeben. Bis dann eines Nachts die Mauer abbrannte. Alles andere Inventar war unversehrt. Und der arme Werner kann sich bis heute des Vorwurfs nicht erwehren, er habe das Ding damals eigenhändig abgefackelt...
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #52 am:

Es gab noch andere Naturgesetze. Meist betrafen sie das Casino, in dem immer wieder rätselhafte Dinge passierten wie die mit dem Hanuta-Manuelito. Manche Gesetze betrafen aber einfach nur den Unterricht.Wie Werner Fuchs an der Mauer, so machte auch der gut reitende Paul Walk regelmäßig den Abgang. Bei ihm war es aber egal, welchem Hindernis er sich gerade näherte: Der springende beziehungsweise der nichtspringende Punkt war, daß er in Sibylles Gegenwart immer runterfiel. Zwischen Paul und Sibylle bahnte sich damals zart die Liebe an, das Runterplatschen war Paul also ganz besonders peinlich. Und der Arme saß immer auf dem riesigen Ilscha. Er tat also einen tiefen Fall! Sah man aus dem Reiterstübchen, wie Paul in der Halle eben den Sand küßte, sagte bestimmt jemand: „Sibylle muß eben gekommen sein!“ Und prompt öffnete sich die Stübchentür, und Pauls Angebetete erschien.Ich saß einmal an der Bar, als mich ein kräftiger Luftzug streifte. Ganz langsam ging die Tür zur Halle auf. Erst sah man niemanden. Die Tür wollte langsam wieder zugehen und wurde von einer zierlichen weißen Hand – in Kniehöhe - wieder aufgedrückt: Sibylle, die ihren Ruf als böser Geist endlich loswerden wollte, schlich sich tatsächlich auf allen vieren ins Casino, hinter das Geländer geduckt, damit der Walkepaule sie von der Halle aus nicht sehen konnte. Auch das half aber leider nichts – Sibylle, wild kichernd, hatte sich noch nicht aufgerichtet, da schoß der Walkepaule schon mit elegantem Salto vom Pferd. Erst als Sibylle endlich selbst am Springunterricht teilnahm, hörte der Spuk auf.
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #53 am:

Und dann gab es noch den „Zapfhahn bei C“. „Oh nicht schon wieder“, stöhnte Anne hörbar, wenn Christine oder Claudia oder Christl oder Carola kamen. Die Damen blickten befremdet und waren sehr verschnupft, bis ihnen erklärt wurde, daß Anne in ihrer Gegenwart kein Mineralwasser mehr zapfen konnte. Es ging einfach nicht! Immer, wenn eine Frau die Klause betrat, deren Namen mit „C“ anfing, streikte der Zapfhahn. Wirklich immer.Und als die Geschäfte eine Weile lang so gut gingen, daß Anne auf Claudias Mithilfe hinter der Bar angewiesen war, mußte sie ganz schnell auf Flaschensprudel umsteigen...
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Re:Was vom Pferd

Irisfool » Antwort #54 am:

Tja, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde............ ::) ;D ;D ;D :D ;) 8) 8) 8)
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #55 am:

Die Sitten waren streng damals. Die Sporen „verdiente“ man sich wirklich noch, es ging nicht an, einfach welche zu tragen! Mit dem Roten Rock war das ähnlich – nach dem zehnten Sieg in der schwersten Klasse durfte man ihn tragen, ebenso nach der zehnten Jagd hinter der Meute im springenden Feld. Man war trotzdem gut beraten, dann nicht gleich ins nächste Reitsportgeschäft zu stürmen, um sich einen zu kaufen, sondern noch eine Weile zu warten, bis eine Respektsperson so nebenbei fragte: „Haben Sie eigentlich keinen Roten Rock?“ Und rot trugen nur die Männer, basta. Heute tragen selbst Frauen bei ihrer allerersten Reitjagd oft einen Roten Rock. O tempora, o mores!HACH, was war ich stolz, als ich mir die Sporen verdient hatte! Als Kaiser im Unterricht – vor allen anderen, ich wuchs bestimmt gute fünf Zentimeter! – so nebenbei gesagt hatte: „Du könntest Dir auch mal ein paar Sporen besorgen“, sang ich den ganzen Weg bis nach Hause. Ein paar Wochen später durfte auch Hans Sporen tragen. Hans platzte genau wie ich schier vor Stolz. Damit’s auch keinem entging, kam er damit nach der Stunde ins Reiterstübchen.„Hans, zieh’ die Sporen aus!“, zischelte ich.Hans, der dachte, ich wolle ihm die Freude verderben, wurde bockig, und er konnte sehr bockig sein.„Hans, das kostet Dich ’ne Runde!“„Seh’ ich gar nicht ein“, erwiderte Hans pampig. Er glaubte mir auch nicht. Er streckte die Füße richtig weit unterm Tisch vor. Die Sporen schimmerten.Keine fünf Minuten später hatte der Goldstaub-Schulz – der so hieß, weil sein erstes Pferd vor drei Jahrzehnten Goldstaub geheißen hatte und weil man ihn von all den anderen Schulzens ja irgendwie unterscheiden mußte, und Goldstaub-Schulz würde er heißen bis ans Lebensende - die Sporen entdeckt:„Lokalrunde!“Freudiges Aufmerken an allen Tischen. Es waren viele Tische.Hans wurde noch pampiger: „Seh’ ich gar nicht ein!“Der arme Hans hatte immerhin Frau und Kind, und das edle Reithobby zog schon genug vom nicht allzu üppigen Redakteursgehalt ab. Eine Lokalrunde – das Stübchen war fast voll – müßte er seiner Frau erstmal erklären. Lieber versuchte er einen Kampf mit der versammelten Reiterschaft. Aber er hatte keine Chance – er sah bald ein, daß er im Dorf nie wieder einen Fuß auf den Boden kriegen würde, wenn er diese Runde nicht ausgab.Auch ansonsten galt es allerlei zu beachten: Es war zum Beispiel ungeschriebenes Gesetz, nicht mit offenem Haar zu reiten. Man hatte keine weiten Oberteile zu tragen – „Wie soll ich denn bitte Ihren Rücken sehen können, Frau Schwerleberg!“, und die engen Oberteile hatten, ungeachtet des Körperumfangs des Reiters, in der Hose zu stecken. Was ich immens bedauerte. Jacken hatten geschlossen zu sein. Übertretungen kosteten keine Runden. Aber der Reitlehrer – Birtes Chef Wolfi war vom alten Schlag – machte einen so rund, daß man weinend flüchtete und es nie, nie wieder tat.
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #56 am:

Runden waren allerdings zu zahlen fürs „Schleifen begießen“. Gut, das kam ja nun nicht allzu oft vor. Leider.Des weiteren für:- Stroh im Schweif- Gerte fallen lassen- selbst runterfallen- den Tetenreiter überreiten- und der Lumpensammler hatte, egal was kam, immer hinten zu bleiben!Da focht ich später manchen Kampf mit dem Fetten Pony aus, das nach dem Motto „lieber tot als zweiter“ vorging und nie so recht einsehen wollte, warum es ganz hinten gehen sollte. Wir hatten es leider meiner Stimme zu verdanken, daß ich gerne als Lumpensammler eingesetzt wurde, denn wenn da so ein Mädel piepte „Die Conni ist runtergefallen!“, dann konnte das dauern, bis es sich zur Tete durchgesprochen hatte. Wenn ich rief „Haaaalt!“, hörten das problemlos alle, meine Stimme trug.Wenn die Stimmung gut war und ausschließlich fortgeschrittene Reiter dabei waren, gab’s übrigens fest eingeplante Extra-Runden: Indem nämlich die Tete (die so was natürlich konnte) die große Abseits-Falle aufbaute, nach sehr kurzem Kommando schnell aus dem Galopp in den Schritt durchparierte. Und schon schossen die Reiter links und rechts dran vorbei…Ordentlich und sauber hatte man natürlich auch zu sein. Nach dem Ritt frischte man sich also in den Umkleideräumen etwas auf, säuberte die Stiefel und betrat das Reiterstübchen, um die Runde zu genießen oder aber eben auch zu bezahlen. Wo ich bald von Anne mit den Worten in Empfang genommen wurde: „Machst Du Dir die Stiefel auch unten am Waschbecken sauber?“Ich nickte, meine Pflicht getan.„Kannst Du das nicht vielleicht wie ein normaler Mensch an den Tischbeinen machen?! Alle Naslang ist unten das Waschbecken verstopft!“Die Runde wurde mit Zeremoniell eingenommen.Einer: „Ein dreifach kräftiges Horridoh!“Alle: „Joho!“Einer: „Horridoh!“Alle: „Joho!“Einer: „Horridoh!“Alle: „Joho!“Einer: „Hussassa!“Irgendwer: „Packt die Sau am Schwanze!“Anne von der Bar her: „Fürchtet euch nicht!“Die arme Birte lernte es nie. Bei ihr im Norden hieß das nämlich „Hufschlag---frei! Hufschlag---frei! Hufschlag---frei!“ Wenn sie, was sie zu vermeiden trachtete, hier mal den Vorsänger abgeben mußte, würgte sie regelmäßig ein „Horrido! Hu-hurrido! Huuuooo-rido!“ hervor.Der dänische Thomas, der seinen Militärdienst bei der berittenen Garde Ihrer Majestät abgeleistet hatte, führte später kurzfristig eine neue Sitte bei uns ein: Unter seinen Offizierskollegen setzte man einen Fuß auf den Stuhl, den anderen auf den Tisch, wenn man einen Reiter-Trinkspruch aussprach. Nun weiß man natürlich nicht, ob die auch fast jeden Tag zu Trinksprüchen Gelegenheit hatten. Anne jedenfalls, sonst Neuerungen gegenüber stets sehr aufgeschlossen, hielt dies für einen weniger schönen Zug von Thomas und sah es mit großem Mißfallen, zumal in den zwei Jahren mit Thomas ihr Gläservorrat erst ernsthaft in Gefahr geriet und sich zu vorgerückter Stunde regelmäßig sehr dezimierte.
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #57 am:

Gefeiert wurde auch ansonsten viel. Bei den Mehrtagesritten, oder wenn einer der Alten (Die Schoppereiter) groß zum Geburtstag einlud. Das war immer rustikal, mit Lagerfeuer, und mit Singen, und mit Musik.Die Musik setzte sich folgendermaßen zusammen:Trompete (der J., Startrompeter beim Landesrundfunk)Mundharmonika (Goldstaub-Schulz, und der konnte was!)Quetsche (der Schumann-Gustav, einfach göttlich)Roppgei’ (der Bastl). Ich habe niemals jemanden getroffen, der aus einer Teufelsgeige soviel herausholen konnte. Die Roppgei’ („Rupfgeige“ für Nordlichter) war allerdings nicht immer dabei. Denn der Bastl nahm sie gerne gewohnheitsmäßig mit, wenn er irgendwo hinging, und wußte, wenn er dann ohne sie aufwachte, meist nicht mehr, wo er sie diesmal wieder stehengelassen hatte... Doch sie fand sich immer wieder ein, irgendwer gab sie früher oder später in Bastls Bäckerei oder im Casino ab.Ob es aber Musik gab oder nicht, darüber wachte streng Gustavs Gattin Erika. Nicht, daß der Gustav sich etwa zum Aff’ machte und für andere den Unterhalter spielte! Der Rahmen mußte schon stimmen.Hans, Heike und ich wurden von den Alten schon als Anfänger oft eingeladen. Das war natürlich nicht, weil wir so nett und hübsch waren, sondern weil einem ein so fetter Brocken wie gleich drei von der Zeitung auf einmal nicht jeden Tag in den Schoß fiel. Das mußte man ja irgendwie nutzbringend verwenden können!: Werbung fürs Institut (die Bereiter), den Verein (die Schoppereiter) und für den Breitensport allgemein (der dem Schumann-Gustav so am Herzen lag).
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #58 am:

Das erste Fest, zu dem wir geladen wurden, fand beim Rübezahl in M. statt, einem Bauernhof einen Tagesritt entfernt. Es war dort wunderbar – Wald, Wiesen, ein kleiner Tümpel mit giftgrüner Entengrütze, eine große Feuerstelle, und die Schumis hatten vom Feinsten auftischen lassen, aber für mich war das allerfeinste, als Schumann dann am Lagerfeuer die Quetsche auspackte – singe ich doch nicht gut, aber für mein Leben gern!Als ich ein paar Wochen später mit der Bärbel, der Frau vom Bastl, im Reiterstübchen an der Theke saß, vertraute sie mir an: „Mir hawwe alle gedacht, was will denn die hier mit dene kurze Hoarn. Aber dann hawwe merr gemerkt: Die kennt ja alle Lieder! Und da hawwe merr nochmal nachgedacht.“ Bei den Alten, so konservativ sie sonst waren, war ich damit akzeptiert. Und immer, wenn ich die Bärbel hinfort zu vorgerückter Stunde sah, mußte durfte ich mit ihr die unendlich vielen Strophen von „Ein Schifflein sah ich fahren/Capitän und Leutenant“ singen.Nicht alle sangen natürlich gern, auch nicht beim Rübezahl. Und manche hatten schlichtweg anderes zu tun. Sie verdrückten sich ins Gebüsch hinter den Wiesen – die einen, weil sie zu vorgerückter Stunde das Plumpsklo nicht mehr fanden, die anderen um amouröser Abenteuer willen.
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Re:Was vom Pferd

Tara » Antwort #59 am:

Walter Gardes aber stand am Feuer und sang. Gardes hatte einen wunderbaren Bariton. Und statt Bankangestellter wäre er sehr viel lieber Opernsänger geworden. Der ausgeprägte hessische Dialekt und ein noch ausgeprägteres Lispeln hatten das zu seinem großen Kummer leider verhindert. Aber es waren Sternstunden für ihn, wenn er für uns singen durfte. „Der alte Orgelmann“ war sein Glanzstück.Gefühlvoll klang es durch die Dunkelheit. Und als er eben mit Verve beim Schluß war - „Eines Tages werd’ ich sie/dem Museum schenken/und den Schwengel feierlich/tief im Main versenken“ -, da kam aufs Stichwort „versenken“ ein so lautes „Platsch!“, daß wir alle aufschreckten. Da konnte nur jemand in den Tümpel gefallen sein. Die wenigen Nüchternen sprinteten hin und kamen gerade rechtzeitig, um dem Windspiel-Gerd eine Bohnenstange zureichen zu können: Es war nicht die Wiese gewesen, auf die er hinausgetreten war, sondern die Entengrütze.Noch Jahre später sagte der Windspiel-Gerd manchmal spätabends versonnen: „Ihr glaubt gar nicht, wo man überall Entengrütze haben kann!“
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